WM2018-Vorschau: Gruppe E – Brasilien Favorit, Schweiz, Serbien und Costa Rica in Lauerstellung

10. Juni 2018 | Global News | BY Manuel Behlert

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Am 14. Juni beginnt die Weltmeisterschaft 2018 in Russland und auch in diesem Jahr kämpfen 32 Nationen um den begehrten WM-Titel. In der Gruppe E trifft Brasilien auf die Schweiz, Serbien und Costa Rica und gilt vorab als klarer Favorit auf den Gruppensieg. Doch auch eine solche Gruppe kann ihre Tücken haben…

 

 

Der Spielplan der Gruppe E

17.6., 14 Uhr – Costa Rica vs. Serbien (Samara)

17.6. – 20 Uhr – Brasilien vs. Schweiz (Rostow)

22.6., 14 Uhr – Brasilien vs. Costa Rica (St. Petersburg)

22.6., 20 Uhr –  Serbien vs. Schweiz (Kaliningrad)

27.6., 20 Uhr – Schweiz vs. Costa Rica (Nischni Nowgorod)

27.6., 20 Uhr – Serbien vs. Schweiz (Spartak-Stadion, Moskau)

 

Unten geht es zu den jeweiligen Vorschauen…

 

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Brasilien: Im Kreis der Favoriten

Nach der Weltmeisterschaft im eigenen Land blieben bei der brasilianischen Nationalmannschaft viele Fragen offen. Ja, man erreicht das Halbfinale, aber überzeugen konnte man nur selten. Der typische, elegante und nahezu unfehlbare Stil dieser großen Fußballnation war nicht so häufig zu sehen, wie man es sich erhofft hatte. Die richtigen Schlüsse wurden gezogen. Mit Trainer Tite und einem guten, sehr ausgewogenen Kader, der eine gute Mischung aus Talenten und etablierten Spielern enthält, gelang Brasilien nicht nur eine sehr souveräne Qualifikation als Sieger in Südamerika mit nur einer Niederlage in 18 Begegnungen, die brasilianische Mannschaft hat vor dem Turnier in Russland auch den Anspruch um den Titel mitzuspielen. Und nicht nur das – die Chancen stehen keinesfalls schlecht.

Der endgültige Kader

TOR:  Ederson (Manchester City), Alisson (Roma), Cassio (Corinthians)

ABWEHR: Danilo (Manchester City), Fagner (Corinthians), Filipe Luis (Atletico), Marcelo (Real Madrid), Miranda (Inter), Marquinhos, Thiago Silva (PSG), Pedro Geromel (Gremio)

MITTELFELD: Casemiro (Real Madrid), Renato Augusto (Beijing Guoan), Fernandinho (Manchester City), Fred (S. Donezk), Willian (Chelsea), Paulinho, Philippe Coutinho (FC Barcelona)

ANGRIFF: Neymar (PSG), Taison (S. Donezk), Gabriel Jesus (Manchester City), Roberto Firmino (Liverpool), Douglas Costa (Juventus Turin)

 

Der Trainer: Tite

(Photo by Stephen Pond/Getty Images)

Seit dem Abgang von Carlos Dunga hat sich das Spiel der brasilianischen Nationalmannschaft verändert. Tite, der seit 2016 im Amt ist, trainierte vorher unter anderem die Corinthians, Atletico Mineiro und Palmeiras, änderte das System, wechselte von einem 4-2-2-2, das vorher praktiziert wurde, auf ein 4-3-3. Die Einbindung vom häufig unterschätzten Paulinho in das Mittelfeld der „Selecao“ war eine hervorragende Idee, Tite ist in Brasilien hoch angesehen und hat die Schwachstellen dieser Mannschaft beheben können. Bereits als Jugendlicher nahm der mittlerweile 57-jährige Tite Unterricht bei Luiz Felipe Scolari, der später auch dessen Mentor, anschließend sein Rivale wurde. Zuletzt wurde Tite sogar mit Real Madrid in Verbindung gebracht, aber ein Engagement bei den „Königlichen“ scheint ausgeschlossen zu sein.

Technik und Disziplin

Dass die brasilianische Mannschaft sich durch eine sehr gute Technik auszeichnet, viele Ballkünstler in ihren Reihen hat, ist traditionell klar. Diese Spieler aber in ein System zu manövrieren, das sich im Endeffekt durch eine enorme Kompaktheit und Balance auszeichnet, ist extrem schwierig. Unter Carlos Dunga gelang dies nur unzureichend, die Defensivaktionen wirkten teilweise wild, Vorstöße der Außenverteidiger Marcelo oder Dani Alves führten nicht selten zu Konterangriffen, weil Absicherung und  Abstimmung nicht ausreichend waren. Auch hier kommt wieder der neue Trainer ins Spiel: Marcelo ist zwar weiterhin für Vorstöße zu haben, alleine weil diese Spielweise seinem naturell entspricht, aber die Absicherung ist besser, das Risiko wird dosierter gewählt. Gerade mit Fagner oder Danilo auf der rechten Seite entsteht kein Ungleichgewicht, zudem spielen die Innenverteidiger sehr diszipliniert, unabhängig davon, ob nun Miranda oder Marquinhos neben Thiago Silva spielt.

Brasilien muss das Spiel nicht immer dominieren, kann auch in manchen Phasen auf den Gegner lauern, ihn durch ein geordnetes Zurückrücken verunsichern, nur um dann Druck auszuüben und selbst die gefährlichen Räume zu bespielen, die sich bieten. Aus einer stabilen und geordneten Defensive greift es sich ohnehin zumeist leichter an, insbesondere dann,  wenn die Spieler, die im Aufbau eine wichtige Rolle spielen, in der Lage sind das Spielgerät präzise an den Mann zu bringen – und zwar unabhängig des Gegnerdrucks. Dass es im zentralen Mittelfeld an den spektakulären Spielertypen eher fehlt, ist ebenfalls ein wichtiges Element im Tite-System. Casemiro, Paulinho, Fernandinho, Fred – all diese Spieler verfügen über eine hohe individuelle Klasse und sind enorm wichtig, vor allem aufgrund ihrer Disziplin. Sie erledigen die Aufgaben, die ihnen ihr Trainer mitgibt, sehr gewissenhaft und stellen sich in den Dienst der Mannschaft. Doch dabei sollte man diese Spieler keinesfalls nur auf den hohen Arbeitsaufwand reduzieren, gerade Fred oder Renato Augusto können hervorragend Chancen kreieren, Paulinho schaltet sich gerne in die Offensive ein.

Offensive Variabilität als Schlüsselfaktor

Coutinho, Neymar, Gabriel Jesus. Die offensive Dreierreihe der brasilianischen Mannschaft ist alleine namentlich schon herausragend. Diese Spieler harmonieren wunderbar miteinander, passen in das Tite-Konzept und sind vor allem nicht die einzigen Möglichkeiten im Angriff. Der schnelle Douglas Costa, der technisch versierte, eher kreative Willian und Abschlussspieler Taison sind exzellente Alternativen, können auch von Beginn an spielen und dadurch dafür sorgen, dass Philippe Coutinho eine Rolle im Dreiermittelfeld einnimmt, der dieses in seiner offensiven Durchschlagskraft positiv beleben soll. Das kann insbesondere in der Gruppenphase gegen individuell unterlegene, eher tiefstehende Gegner, wichtig sein. Coutinho ist einerseits für seine Kreativität bekannt, aber andererseits auch ein fabelhafter Distanzschütze, der auch ohne Raum für Torgefahr sorgen kann.

(Photo by Alex Livesey/Getty Images)

Den brasilianischen Offensivkünstlern das Dribbling zu „verbieten“, ist schlichtweg unmöglich. Das muss Tite aber auch gar nicht, denn die „Selecao“ verfügt über Spieler, die diese 1gegen1-Duelle beherrschen und immer wieder versuchen diese Duelle zu suchen. Gabriel Jesus bewegt sich in der Sturmspitze sehr klug in gefährliche Räume, schafft Platz für Neymar & die anderen Offensivakteure, Coutinho lässt sich auch vom Flügel aus gerne in das Zentrum fallen, schafft ebenfalls Platz für nachrückende Spieler. Das System der „Selecao“ ist sehr variabel und ohne personelle Anpassungen kompatibel für jeden Spielstand.

Trotz der insgesamt hohen taktischen Disziplin erhält gerade Neymar viele Freiheiten. Er darf als Freigeist in der Offensive wirbeln, klebt nicht auf der linken Seite, sondern spielt gerne auch im Zehnerraum, läuft mit Tempo auf die Verteidiger zu. Brasilien ist also trotz des Ausfalls von Dani Alves und trotz der längeren Verletzung von Neymar in der Rückrunde einer der Topvfavoriten, ist auf alles vorbereitet und hat es gibt nur wenige Ansatzpunkte, die man als ausbaufähig bezeichnen kann. Manche Angriffe werden zu schnell und zu direkt nach vorne getragen, mitunter wird zu schnell der Abschluss gesucht, statt noch einmal seinen Mitspieler mitzunehmen oder gegebenenfalls abzuwarten. Entscheidend wird sein, wie wenig diese Schwachpunkte am Ende in Erscheinung treten.

Prognose: Alles ist möglich!

Brasilien ist ein Titelkandidat. Das ist diese Mannschaft eigentlich vor jeder Weltmeisterschaft, aber die positive Entwicklung unter Tite und der ausgewogene Kader mit einigen Spielern, die gerade jetzt auf ihrem Karrierehöhepunkt zu sein scheinen, sprechen für ein sehr starkes Turnier der „Selecao“. Entscheidend wird sein, wie effizient sich die Offensive präsentiert und ob die Defensive im gesamten Turnierverlauf die nötige Stabilität an den Tag legt. Die Gruppenphase sollte kein Problem werden, Brasilien kann sich im Normalfall relativ bequem in den Turniermodus befördern und sich in der K.O.-Runde nach und nach steigern. Das Halbfinale ist Pflicht!

 

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Schweiz: Hauptsache K.O.-Runde

Bei den letzten großen Turnieren ist die Schweiz ein immer wiederkehrender Gast, der es schafft, alle 2-4 Jahre eine wirklich solide Mannschaft aufzubieten. Das ist auch bei der Weltmeisterschaft 2018 wieder der Fall, die Schweiz ist weiterhin ein Gegner, der es jeder Mannschaft auf dieser Welt schwer machen kann und der mit einigen hervorragenden Spielern ausgestattet ist – auf mehreren Positionen. Mit überragenden 27 Punkten aus 10 Spielen wurden die „Eidgenossen“ nur aufgrund der schlechteren Tordifferenz im Vergleich mit den Portugiesen Gruppenzweiter, mussten also die Playoff-Spiele gegen Nordirland absolvieren. Dort überzeugte man nicht vollends, gewann aber nach Hin- und Rückspiel mit 1:0 und qualifizierte sich für das Turnier.

Der endgültige Kader

TOR:  Roman Bürki (Dortmund), Yann Sommer (Gladbach), Yvon Mvogo (RB Leipzig)

ABWEHR: Manuel Akanji (Dortmund), Johan Djourou (Antalyaspor), Nico Elvedi (Gladbach), Michael Lang (Basel), Stephan Lichtsteiner (Juventus), Jacques Moubandje (Toulouse), Ricardo Rodriguez (Milan), Fabian Schär (La Coruna)

MITTELFELD: Valon Behrami (Udine), Blerim Dzemaili (Bologna), Gelson Fernandes (Frankfurt), Remo Freuler (Atalanta), Xherdan Shaqiri (Stoke City), Granit Xhaka (Arsenal), Denis Zakaria (Gladbach), Steven Zuber (Hoffenheim)

ANGRIFF: Josip Drmic (Gladbach), Breel Embolo (Schalke), Mario Gavranovic (Zagreb), Haris Seferovic (Benfica)

 

Der Trainer: Vladimir Petkovic

(Photo by Charles McQuillan/Getty Images)

Nach der Weltmeisterschaft 2014 übernahm Petkovic den Job als Nationaltrainer der Schweiz von Ottmar Hitzfeld und übernahm eine solide, intakte Mannschaft. Petkovic führte die Mannschaft zur EM 2016 und nun nach einer fast makellosen Qualifikation zur WM 2018. An der grundsätzlichen Qualität der Schweizer Mannschaft hat sich nicht viel geändert. Die Mannschaft ist unbequem, aber nicht herausragend, die Erwartungen sind nicht exorbitant hoch, können aber erfüllt werden. Petkovic, der zuvor unter anderem bei Lazio tätig war, passt hervorragend zu den Eidgenossen und könnte auch in Zukunft weiterhin das Traineramt bekleiden. Das wird auch von den Resultaten in Russland abhängen, sein Ziel ist jedenfalls klar: Die K.O.-Runde muss her!

 

Hinten solide, vorne solide

Das Wort „solide“ wird oft eher als negativ angesehen, obwohl man gerade bei einem Land wie der Schweiz von einem Qualitätsmerkmal ausgehen sollte, wenn diese Mannschaft auf allen Positionen ohne die ganz großen Schwachstellen auskommt. Bereits im Tor beginnt diese ausgeglichene Kaderstruktur. Marwin Hitz nimmt nicht einmal am Turnier teil und trotzdem könnten zumindest zwei der drei Torhüter als klare Stammspieler in dieses Turnier gehen. Sowohl Bürki als auch Sommer sind gute Schlussmänner – und dieses Niveau zieht sich auch durch die Abwehr. Rechtsverteidiger Lichtsteiner ist erfahren, verfügt über ein gutes Stellungsspiel und weiß genau, wie er seine mittlerweile fehlende Spritzigkeit kaschieren kann. Akanji und Elvedi sind junge, aber überaus entwicklungsfähige Innenverteidiger, Schär und Djourou erfahrene Alternativen und Ricardo Rodriguez, wenn er sich in Topform befindet, ein absoluter Top-Außenverteidiger

Diese Defensive, die sich auch in technischer Hinsicht nicht verstecken muss,  erlaubt es der Schweizer Mannschaft schon aus dem eigenen Defensivdrittel heraus einen konstruktiven Spielaufbau zu forcieren. Auch das ist ein Markenzeichen von Trainer Petkovic: Er will keinesfalls nur verteidigen und lauern, sondern je nach Gegner auch selbst längere Ballbesitzmomente kreieren. Vor der Abwehr ist Arsenals Granit Xhaka gesetzt, der über eine sehr gute Physis verfügt, eine wichtige Rolle im Defensivkonzept einnimmt und gleichermaßen auch Akzente nach vorne setzen kann, vor allem durch seine Fernschüsse. Neben ihm könnte mit dem Gladbacher Zakaria ein sehr interessanter, junger Spieler auflaufen, aber auch die „konservativen“ Varianten Dzemaili oder Behrami sind möglich. Auch hier existiert neben Xhaka bei allen drei Kandidaten kein nennenswerter Qualitätsverlust.

Dynamik, aber keine Extraklasse

Das zieht sich auch durch die Offensive durch, auch wenn hier vielleicht kein Spieler so hervorsticht wie die genannten Xhaka und Rodriguez. Die bekanntesten Akteure sind sicher Xherdan Shaqiri, Breel Embolo und Haris Seferovic. Es mag zwar die individuelle Extraklasse fehlen, aber die Mischung der Spielertypen ist trotzdem ideal. Shaqiri ist ein schneller, dribbelstarker Flügelspieler mit einer überraschend starken Physis, der für die besonderen Momente sorgen kann, Embolo und Zuber können von der Seite gerne einmal in die Mitte ziehen, gerade der Schalker ist zwischenzeitlich auch als zweite Spitze anzusehen. Im bevorzugten 4-2-3-1 spielt Dzemaili häufig den Part im offensiven Mittelfeld, er kann aber auch defensiver aufgestellt werden,  Seferovic kann die Sturmposition auch mit einem eher als hängende Spitze agierenden Gavranovic, Drmic oder Embolo ausüben.

(Photo by Laurence Griffiths/Getty Images)

Die Möglichkeiten der Schweizer Mannschaft sind also groß, aber die taktische Hereingehensweise von Petkovic ist eher unspektakulär. Er holt das aus der Mannschaft heraus, was möglich ist, kann sowohl tiefer als auch höher stehen und das System, beispielsweise auf ein 4-2-2-2 verändern. Gerade gegen die technisch starken Brasilianer dürfte die Schweiz häufig hinterherlaufen, hier wird es darauf ankommen, wie clever, wie zielstrebig umgeschaltet wird. Ein weiterer Aspekt, der nicht vergessen werden darf, sind die Offensivstandards. Ricardo Rodriguez ist ein ausgezeichneter Freistoßschütze, der die Bälle gefährlich vor das gegnerische Tor bringen kann. Außerdem verfügen die Eidgenossen über den ein oder anderen starken Kopfballspieler, sodass dieses Angriffselement eine gute Rolle spielen kann.

 

Prognose: Schlüsselspiel gegen Serbien entscheidet

Natürlich sollte die Mannschaft aus Costa Rica, das zeigten die letzten Turniere bereits, nicht unterschätzt werden. Dennoch: Brasilien ist der klare Favorit, danach kämpfen im Normalfall (!) die Schweiz und Serbien um den 2. Platz. Das direkte Duell könnte entscheidend werden und findet spannenderweise auch noch am 3. Spieltag statt. Die Schweiz kann Fußball spielen, die Schweiz hat interessante Spieler, aber um wirklich eine riesengroße Überraschung (Viertelfinale oder mehr) zu schaffen, fehlt im Normalfall die Qualität, das Besondere.

 

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Serbien: Wo steht man wirklich?

Dass die serbische Mannschaft über einige Spitzenfußballer verfügt ist klar. Zudem waren die Leistungen der Juniorennationalmannschaften Serbiens in den letzten Jahren immer mal wieder sehr gut, Spieler wie Gacinovic oder Jovic schafften den Sprung in die Bundesliga und ein Sergej Milinkovic-Savic entwickelte sich zu einem international heftig umworbenen Star. Doch was kann die serbische Mannschaft bei diesem Turnier leisten? Die Qualifikationsgruppe wurde recht souverän  gewonnen, dabei ließ man Österreich, Wales und Irland hinter sich, fuhr 21 Punkte ein, verlor nur ein Spiel. In der Vorbereitung verlor man gegen Chile, zeigte sich gegen Bolivien aber extrem effizient und führte nach gut 40 Minuten schon mit 4:0. Das Ziel ist die K.O.-Runde, doch geht vielleicht noch mehr?

Der endgültige Kader

TOR: Vladimir Stojkovic (Partizan), Predrag Rajkovic (Maccabi Tel Aviv), Marko Dmitrovic (Eibar)

ABWEHR: Aleksandar Kolarov (Roma), Branislav Ivanovic (Zenit), Milos Veljkovic (Bremen), Antonio Rukavina (Villarreal), Uros Spajic (Anderlecht), Milan Rodic (Roter Stern Belgrad), Dusko Tosic (Besiktas), Nikola Milenkovic (Fiorentina)

MITTELFELD: Nemanja Matic (Manchester United), Sergej Milinkovic-Savic (Lazio), Filip Kostic (Hamburg), Luka Milivojevic (Crystal Palace), Marko Grujic (Cardiff), Dusan Tadic (Southampton), Andrija Zivkovic (Benfica), Nemanja Radonjic (Roter Stern Belgrad)

ANGRIFF: Luka Jovic (Frankfurt), Adem Ljajic (FC Turin), Aleksandar Mitrovic (Fulham), Aleksandar Prijovic (PAOK Saloniki)

 

Der Trainer: Mladen Krstajic

(Photo by Matthew Lewis/Getty Images)

Der 44-jährige Mladen Krstajic ist seit Januar Trainer der serbischen Mannschaft. Aus der Bundesliga kennt man ihn noch als hochklassigen, robusten, beinharten Innenverteidiger, der für Werder Bremen und Schalke 04 gespielt hat. Der Posten als Nationaltrainer der serbischen Mannschaft ist sein erster als Cheftrainer und die Aufgabe insgesamt alles andere als einfach. Krstajic muss seine eigenen Vorstellungen umsetzen und auch wenn er bei der Qualifikation als Co-Trainer bereits nahe an der Mannschaft war, ist eine Übernahme eines WM-Teilnehmers nicht einmal 6 Monate vor dem Start eines großen Turniers zumindest etwas undankbar. Andererseits kann Krstajic seinen Posten mit einem gelungenen Turnier absichern, sich einen Namen machen und den Grundstein für eine langfristige Zusammenarbeit legen. Das dürfte zumindest auch dem serbischen Verband vorschweben, denn Krstajic kam vor allem deswegen im Amt, weil sich Vorgänger Muslin weigerte auf die Vorgaben des Verbandes zu reagieren, beispielsweise Milos Veljkovic einzusetzen, damit dieser für keinen anderen Verband mehr spielen kann. Im ersten Spiel von Mladen Krstajic spielte? Genau, Milos Veljkovic.

 

Krstajic baut auf die Viererkette

Doch nicht nur Veljkovic erhitzte die Gemüter, auch der Shootingstar Milinkovic-Savic war unter Muslin nicht gesetzt, was dem Verband ebenfalls nicht gefiel. Mladen Krstajic kehrte vom 5-3-2 -System ab, etablierte wieder eine Viererkette, hat aber nur wenig Zeit um diese Formation wirklich wettbewerbstauglich einzustudieren. Umso wichtiger werden die Eindrücke in der Vorbereitung sein. Interessant ist, dass Krstajic auf Matija Nastasic verzichtet, stattdessen spielt der eben erwähnte Veljkovic eine wichtige Rolle, im Abwehrverbund mit Ivanovic, Kolarov und Rukavina soll er für die notwendige Stabilität sorgen. Aber auch die Alternativen sind mit Spajic, Tosic und Milenkovic auf einem guten Niveau. Das Personal in der Verteidigung ist also weiterhin sehr stark, fraglich ist nur, ob die Zeit reicht um die Automatismen zu generieren.

Und noch eine weitere Frage stellt sich aufgrund der Systemveränderung. Wie gut funktioniert das Konterspiel der serbischen Mannschaft? In der Qualifikation konterte Serbien aus einer stabilen Defensive heraus seine Gegner eiskalt aus, war in der Offensive effizient, die Abläufe automatisiert, die Spielzüge sahen mitunter hervorragend aus. Im neuen 4-5-1-System spielt im Zentrum weiterhin Nemanja Matic von Manchester United eine elementare Rolle. Er soll die gegnerischen Angriffe unterbinden, für Stabilität sorgen, das Zentrum dirigieren und offensive Akzente setzen. Vielleicht wird Matic durch die Hereinnahme von Milinkovic-Savic  (sollte dieser den Vorzug vor Milivojevic bekommen) adäquat entlastet, denn dessen enorme individuelle Qualität hilft wohl fast jeder Mannschaft. Milinkovic-Savic wirkt manchmal etwas staksig, ist aber für seine Körpergröße enorm sicher am Ball, kann auch hohe Bälle sehr gut verarbeiten und sich in die Offensive einschalten. Auch sein Stern könnte bei dieser WM aufgehen.

 

Offensivpower und der unterschätzte Mitrovic

Die Mischung in der Abwehr stimmt also, Nemanja Matic ist ein Topstar, Milinkovic-Savic hat das Potenzial dazu – und trotzdem folgt erst jetzt der spannendste Teil dieser Mannschaft, das offensive Mittelfeld. Auf der linken Seite spielt Filip Kostic, der bei Hamburger SV zwar eine durchwachsene Saison spielte, aber immer wieder für eine individuell herausragende Aktion gut ist, insbesondere im Konterspiel. Im Zentrum spielt, häufig als eine flexible hängende Spitze agierend, Adem Ljajic. Der aus der Serie A bekannte 26-jährige beherrscht mit dem Ball am Fuß fast alles, kann mit Dribblings für Gefahr sorgen, schnelle Haken schlagen und Chancen kreieren. Er ist der Fixpunkt in der Offensive und profitiert enorm von Mittelstürmer Mitrovic.

(Photo by Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images)

Auch Andrija Zivkovic, der gegenwärtig bei Benfica unter Verttrag steht, gilt als ein enorm talentierter Offensivspieler mit großartigen technischen Fähigkeiten und einem Gespür für die richtigen Bewegungen, insbesondere im Pressing. Noch stärker einzuschätzen ist Dusan Tadic, der als eine Art Spielmacher auf der Außenbahn agiert, die Räume nutzen kann, die Ljajic durch seine variable Spielweise schafft und auch selbst für Torgefahr sorgen kann. Die notwendigen Spieler sind also vorhanden, fraglich ist nur, ob die serbische Mannschaft die Fragestellungen, die durch die Systemveränderung aufgeworfen wurden, rechtzeitig beantworten kann.

Ein häufig unterschätzter Schlüsselspieler ist Mittelstürmer Mitrovic. Man sollte sich keinesfalls davon blenden lassen, dass der 23-jährige zurzeit für den FC Fulham in der Championship spielt. Mitrovics großes Problem ist die fehlende Konstanz, ansonsten vereint er viele wichtige Fähigkeiten. Er ist physisch stark, kann einen Ball sehr gut verarbeiten, ihn ablegen, seine Mitspieler in Szene setzen und mehrere Verteidiger binden. Zudem ist sein Pressingverhalten relativ klug und sein Abschluss vor allem sehr wuchtig. Zudem ist er kopfballstark, darüber hinaus gibt es mit dem wuchtigen Prijovic und dem jugendlich-dynamischen, aber noch unausgereiften Jovic zwei gute Alternativen.

 

Prognose: Vielleicht das Aus, vielleicht auch nicht

Die serbische Mannschaft vor diesem Turnier verlässlich einzuschätzen ist nahezu unmöglich. Das kann kaum ein Experte, das kann vielleicht nicht einmal der Trainer selbst. Die Ideen von Krstajic sind klar, die Umsetzung bisher halbwegs gelungen, aber der Weisheit letzter Schluss waren die letzten Spiele auch nicht, zumindest nicht konstant. Serbien ist gespickt mit talentierten Spielern, aber aufgrund einiger Ungewissheiten die klassische Wundertüte. Diese Mannschaft kann Brasilien wehtun, aber auch gegen Costa Rica verlieren.

 

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Costa Rica: Außenseiter in Gruppe E

Bei der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien überraschte Costa Rica die Zuschauer auf der ganzen Welt. Die Mittelamerikaner erreichten unter Trainer Jorge Luis Pinto sensationell das Viertelfinale – und auch diesmal sind sie nicht chancenlos. In der Qualifikation für das Turnier in Russland wurde Costa Rica nur von Mexiko geschlagen, die restlichen Mannschaften ließ man hinter sich. Besonders die beiden Siege gegen die USA (4:0 und 2:0) blieben in Erinnerung, in der Vorbereitung zeigte man solide Leistungen, schlug Nordirland mit 3:0, verlor gegen England mit 0:2. Aber auch 2014 konnte man sich mit Turnierstart steigern.

Der endgültige Kader

TOR: Keylor Navas (Real Madrid), Patrick Pemberton (Alajuelense), Leonel Moreira (Herediano)

ABWEHR: Giancarlo Gonzalez (Bologna), Oscar Duarte (Espanyol), Kendall Waston (Vancouver), Francisco Calvo (Minnesota), Jhonny Acosta (Rionegro), Bryan Oviedo (Sunderland), Ronald Matarrita (New York City FC), Ian Smith (Norrköpping), Cristian Gamboa (Celtic)

MITTELFELD: Yeltsin Tejeda (Lausanne), David Guzman (Portland Timbers), Randall Azofeifa (Herediano), Celso Borges (La Coruna), Johan Venegas (Saprissa), Rodney Wallace (New York City), Bryan Ruiz (Sporting CP)

ANGRIFF: Daniel Colindres, Christian Bolanos (Deportivo Saprissa), Marcos Urena (Los Angeles FC), Joel Campbell (Real Betis)

 

Der Trainer: Oscar Ramirez

(Photo by EZEQUIEL BECERRA / AFP)

Seit August 2015 ist Oscar Ramirez Nationaltrainer in Costa Rica – und seine Aufgabe könnte durchaus einfacher sein. Den Erfolg von 2014 zu wiederholen oder gar zu übertreffen scheint kaum möglich zu sein. Vielmehr geht es darum, dass sich die Mannschaft von Costa Rica gut präsentiert und gegen die drei Gegner, die wohl allesamt individuell überlegen sind, das Optimum herausholt. Der 53-jährige Ramirez sammelte vor seinem Engagement als Nationaltrainer Erfahrungen in Costa Rica, trainierte Alajuense und den Santos FC, ehe man im Verband auf ihn aufmerksam wurde. Auch er spielt wie Vorgänger Pinto in einem 5-4-1, auch er legt viel Wert auf Disziplin.

 

Wer unterschätzt Costa Rica noch?

Nach dem erfolgreichen Turnier 2014 wird niemand mehr Costa Rica unterschätzen, davon kann man ausgehen. Zumal sich die Mannschaft seitdem nicht großartig verändert hat – insbesondere in ihrer Art und Weise Fußball zu spielen. Ein kompaktes 5-4-1 mit konstantem Personal, eine gute Abstimmung in der Defensive und viele Umschaltbewegungen mit einem Bryan Ruiz als Schlüsselspieler: Costa Rica tut, was es kann – und ist damit erfolgreich. Und auch sonst: Celso Borges, Joel Campbell, CL-Sieger Keylor Navas – eine Mannschaft der „Namenlosen“ ist diese Truppe auf keinen Fall. Die Defensive ist das wichtigste Element, die Innenverteidiger verstehen sich blind, Oviedo und Gamboa auf den Außenverteidigerpositionen halten die Balance, können offensive Akzente setzen, ohne zu viel Risiko zu gehen.

Ein wirklich klassischer, starker Mittelstürmer fehlt diesem Team in der Offensive allerdings. Mit Campbell, Ruiz und Bolanos stehen eher Spieler im Aufgebot die auf dem Flügel oder hängend ihre Stärken haben, Mittelstürmer Urena fällt qualitativ ab, hängt häufig auch in der Luft oder ist nicht in der Lage sich gewinnbringend in das Offensivspiel einzufügen. Die Mannschaft ist also nicht ganz so stark einzuschätzen wie 2014, gerade weil der ein oder andere Spieler (zum Beispiel Oviedo) in der abgelaufenen Saison mit Verletzungsproblemen zu kämpfen hatte. Trotzdem: Gerade in der Abwehr wird man die Gegner mitunter zur Verzweiflung bringen können.

 

Alles schaut auf Bryan Ruiz

So stark die Defensive ist, so schwer wird es in der Offensive Akzente zu setzen. Aus dem Mittelfeldzentrum ist es schwer gefährliche Szenen zu kreieren, Borges ist ein kombinationsstarker Sechsen, aber ihm fehlt es an einem genialen Partner. Das Zentrum ist insgesamt als“ solide“ zu beschreiben, aber insgesamt fehlt etwas besonderes, ein Schuss Genialität. Also ruhen die Hoffnungen wieder einmal auf Bryan Ruiz, der mittlerweile 32 Jahre alt ist. Ruiz spielt bei Sporting und hat auf internationaler Ebene bereits einiges erlebt, spielt nicht sein erstes großes Turnier und kann mit dem Druck, der auf ihm lastet, sehr gut umgehen.

(Photo by Ian MacNicol/Getty Images)

Die entscheidende Frage in der Offensive wird sein: Wie gut kann die Mannschaft von Costa Rica Bryan Ruiz entlasten? Tendenziell sind gerade Bolanos und auch Campbell Spielertypen, die das erreichen können. Campbell ist schnell und beweglich, Bolanos eher ein kreativer, spielmachender Typ. Diese Mischung könnte ideal sein, wenngleich das Toreschießen trotzdem nicht zur Kernkompetenz dieser Mannschaft wird. Ähnlich wie bei der serbischen Mannschaft ist es kurz vor dem Turnier nicht einfach alle offenen Fragen zu beantworten und herauszufinden, wo diese Mannschaft genau steht. Die Topteams werden gute Chancen haben diese Mannschaft zu knacken, aber gerade die Schweiz und Serbien könnten vor größere Probleme gestellt werden.

Prognose: Aus in der Gruppenphase

Costa Rica ist unangenehm, Costa Rica ist defensivstark und eingespielt, aber Costa Rica fehlt es in der Offensive an Durchschlagskraft. Die Mittelamerikaner werden auch bei diesem Turnier alles andere als spektakulär auftreten und eher für torarme Spiele verantwortlich sein. Gegen Brasilien ist aller Voraussicht nach kein Kraut gewachsen, gegen die Schweiz und Serbien ist womöglich etwas drin, aber dafür benötigt die Offensivabteilung einen Sahnetag. Unterschätzen sollte man diese Mannschaft nicht und es ist auch durchaus realistisch, dass Costa Rica ein gutes Turnier spielen wird, aber für die K.O.-Runde dürfte es trotzdem nicht reichen. 

 

90Plus-Tabellenprognose
  1. Brasilien
  2. Schweiz
  3. Serbien
  4. Costa Rica

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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