FC Sevilla vs Borussia Dortmund: Starkes Kollektiv empfängt formschwache Individualisten

17. Februar 2021 | Vorschauen | BY Damian Ozako

Vorschau | Borussia Dortmund muss beim FC Sevilla antreten. Eine Partie, die in der Theorie auf Augenhöhe hätte stattfinden können, wird für einen formschwachen BVB zur Herkulesaufgabe.

Anpfiff der Partie ist am Mittwoch, 21:00 Uhr, Live bei DAZN (Registriere dich jetzt auf DAZN und erhalte einen Gratismonat).

  • Sevilla in guter Form
  • Duell der Gegensätze
  • BVB keine Einheit

Vor der Partie zwischen dem FC Sevilla und Borussia Dortmund haben wir uns außerdem die Expertise von Jan Platte, Sportkommentator bei DAZN, eingeholt.

FC Sevilla

Julen Lopetegui (54) hat im Sommer 2019 den FC Sevilla übernommen und konnte in der ersten Saison direkt großartige Erfolge feiern. Seit der Übernahme des 54-Jährigen ist der Klub wieder deutlich näher an Real, Atlético und den FC Barcelona gerückt. Neben einem starken dritten Platz holte Sevilla 2020 auch mal wieder die Europa League. In einem packenden Finale besiegten die Mannen von Lopetegui Inter mit 3:2. 

Sevilla hat über die letzten Jahre stets bewiesen, dass sie die Größen des Sports ärgern können und ein Gegner sind, auf den man ungerne trifft. Das musste auch der FC Bayern München im UEFA Supercup erfahren. Nach anstrengenden 120 Minuten gewann der deutsche Rekordmeister mühevoll gegen die Spanier. „Sevilla war der erwartet schwierige Gegner, weil sie ein eingespieltes Team sind und ihr Ding machen“, brachte es Thomas Müller perfekt auf den Punkt. Sevilla hat Respekt vor dem Gegner, aber keine Angst. Sie ziehen ihren Plan konsequent durch, ohne in festgefahrene Muster zu geraten.

(Photo by Laszlo Szirtesi/Getty Images)

Zusammenhalt in Sevilla

Das Prunkstück ihrer Spielweise ist wohl das Agieren im Kollektiv. Sevillas Spieler verstehen es, gut strukturiert den Gegner zu pressen. Selbst Topteams werden hoch angelaufen und haben Probleme, sich aus dieser Aggressivität sauber rauszuspielen. Da dieser laufintensive Stil natürlich nicht über 90 Minuten funktionieren kann, hat Lopetegui auch darauf geachtet, Sevilla im kompakten Verteidigen rund um den eigenen Strafraum zu schulen. 

Die Defensive rund um das grandiose Innenverteidiger-Duo Diego Carlos (27) und Jules Koundé (22) ist äußerst schwierig zu knacken. Die Andalusier stellen die zweitbeste Defensive La Ligas (16 Gegentore nach 22 Spielen) und haben in allen Pflichtspielen erst einmal mehr als zwei Gegentreffer kassiert. Das war bei der 0:4-Heimpleite gegen den Chelsea FC in der Gruppenphase. Der einzige richtige Ausrutscher. Mit 13 Punkten qualifizierten sich die Spanier souverän für das Achtelfinale vor Krasnodar und Stades Rennais. 

Manko in der Offensive

Wenn man an der Mannschaft etwas bemängeln kann, ist es die Offensive. Nur selten spiegeln sich die spielerische Klasse und Überlegenheit Sevillas auch in der Höhe der Siege wider. Mit Youssef En-Nesyri (23) gibt es einen Stürmer, der regelmäßig netzt. Schmerzhaft ist deshalb auch der Ausfall von Lucas Ocampos (26), der bislang eine starke Saison spielte und stets ein Aktivposten in der Offensive darstellte. Aber auch ohne ihn wurde der FC Barcelona erst vor einer Woche mit 2:0 geschlagen. 

Dafür kommt Papu Gomez (33), Winterneuzugang von Atalanta BC, schneller zu mehr Einsatzzeit. Ein cleverer Transfer, der wieder einmal zeigt, wie gut der Verein geführt wird. All die gut koordinierte Arbeit resultiert in den großartigen sportlichen Ergebnissen. Seit November verlor Sevilla dreimal (gegen Chelsea, Real Madrid und Atlético) und zuletzt feierte die Lopetegui-Elf neun Siege in Folge. Die Spanier sind bereit für das Achtelfinale der Champions League. 

Borussia Dortmund

Das kann über den BVB nicht gesagt werden. Seit Monaten befindet sich Borussia Dortmund in einer Formkrise, die sämtliche sportliche Ziele in Gefahr bringt. Nach der 1:5-Heimpleite gegen den VfB Stuttgart wurde Lucien Favre (63) entlassen und sein Co-Trainer Edin Terzic (38) zum Nachfolger des Schweizers ernannt. Die Formkurve der Borussen wurde dadurch jedoch nicht nach oben korrigiert. In der Bundesliga konnte Dortmund aus den letzten zehn Spielen lediglich 14 Punkte holen. Der Rückstand auf die Champions-League-Ränge beträgt mittlerweile sechs Punkte. Die aus finanzieller Sicht so bitter notwendige Qualifikation für die Königsklasse ist mehr als unsicher. 

Terzic die alleinige Schuld an der Krise der letzten Woche zu geben, wäre sicherlich unangebracht. Der BVB schwankte auch schon unter Favre immer wieder bedenklich. Dazu kommen offensichtliche Fehler in der Kaderzusammenstellung der Schwarzgelben dazu. Aufgrund der Verletzung von Thorgan Hazard (27), der auch in Sevilla fehlen wird, müssen ständig Spieler wie Julian Brandt (24) und Gio Reyna (18), die sich im Zentrum viel wohler fühlen, auf die Außen ausweichen.

Foto: Imago

BVB: Jeder für sich

Nach dem Ausfall von Axel Witsel (32) fehlt der Borussia auch ein wenig die Ruhe im Zentrum. Zu wild ist das Spiel der Terzic-Elf, zu unkoordiniert die Abläufe. Der BVB presst deutlich aggressiver seit dem Trainerwechsel, aber gut sind diese Pressingsequenzen keinesfalls. Spieler wie Jadon Sancho (20) und Erling Haaland (20) laufen früh und wild an, aber die anderen Mannschaftsteile ziehen oft nicht mit. Es entstehen riesige Lücken, die viele Gegner bislang gut ausgenutzt haben. Wie es in der Kabine aussieht, weiß man nicht, aber auf dem Platz steht derzeit keine Einheit. Grüppchenbildung auf dem Rasen. Die Offensive läuft hoch an, die Innenverteidiger ziehen sich zurück, Hummels (32) und Akanji (25) sprechen sich beim Herauslaufen kaum ab. Es ist ein einziges Chaos.

Ohnehin hat der BVB große Probleme in der Verteidigung. Seit Wochen schafft es Borussia Dortmund nicht, Standards konsequent sicher zu verteidigen und die Konterabsicherung ist stellenweise desaströs. Dazu kommen noch vermehrte Patzer der Keeper Bürki (30) und Hitz (33). Form und Selbstvertrauen fehlen in Dortmund an fast allen Ecken. 

Individuelle Qualität rettet den BVB

Aber eben auch nur an fast allen. Seit Jahresbeginn befindet sich Jadon Sancho wieder auf dem aufsteigenden Ast und belebt die BVB-Offensive maßgeblich. Vor allem das Zusammenspiel zwischen ihm und Raphael Guerreiro (27) ist schön anzusehen. Das Problem: Sie sind die einzigen Spieler, die so richtig konstant abliefern. Erling Haaland trifft zwar nach wie vor regelmäßig, aber auch dem Norweger ist ein leichter Durchhänger anzumerken. In den letzten Spielen hat er paar erstklassige Chancen liegen gelassen, was aber auch normal für einen jungen Stürmer ist. Das Leistungsgefälle nach den drei Akteuren ist bemerkenswert. Gestandene Spieler, wie Kapitän Reus (31) und Hummels, enttäuschen zur Zeit. Junge Spieler, wie Reyna oder Bellingham (17), sind überspielt oder schlichtweg noch zu unreif, um das Team zu stabilisieren. Delaney (29), der im Mittelfeld noch am souveränsten war, wird wahrscheinlich aufgrund der Geburt seines Kindes fehlen.

Dennoch hat Dortmund in jedem Spiel Phasen, in der Partien zu den eigenen Gunsten gestaltet oder sogar entschieden werden können. Die PS, die der BVB ohne jede Frage hat, können allerdings nicht regelmäßig auf die Straße gebracht werden. Ergebnis ist der Rumpelfußball, den man auch in der Gruppenphase gut beobachten konnte. 

Sportkommentator Jan Platte schätzt die Partie wie folgt ein:

Borussia Dortmund hat auch unter Edin Terzic große Probleme in der Liga. Hat er die Qualitäten, um den BVB in das erste CL-Viertelfinale seit 2017 zu führen?

Ich kenne Edin Terzic nicht, aber mir gefällt seine Art an der Seitenlinie und seine Klarheit und offene Art in den Interviews. Die Mannschaft betont immer mal wieder, dass die Zusammenarbeit gut funktioniert. Es wäre für Terzic UND die Spieler jetzt der optimale Zeitpunkt, um zu zeigen, wie viel Qualität aus ihrer gemeinsamen Arbeit entspringen kann – so wie sie es z.B. beim Erfolg in Leipzig am 15. BL-Spieltag getan haben.

Die Schwächen des BVB sind hinlänglich bekannt. Wie sieht es denn beim FC Sevilla aus? Wie kann Dortmund den Andalusiern in den Aufeinandertreffen weh tun? 

Sevilla ist derzeit eine der stabilsten Mannschaften Europas. Vorne machen sie verlässlich ihre ein, zwei Tore und hinten lassen sie kaum etwas zu. Der BVB muss gegen die Andalusier als Mannschaft richtig gut funktionieren und das nicht nur in der Defensiv-Arbeit. Wenn Dortmund es schafft, vorne Tempo reinzukriegen und Sancho und vor allem Haaland in gute Positionen zu bringen, dann wird auch Sevilla seine Schwierigkeiten bekommen. Die offensiven Stars des BVB müssen sich klar darüber sein, dass es eher wenig gute Gelegenheiten geben wird und die gilt es zu nutzen.

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Julen Lopetegui hatte vor seinem Dienstantritt in Sevilla einen durchaus beschädigten Ruf. In seiner ersten Saison führte er den Klub nach ein paar Jahren Pause wieder in die Champions League und gewann auf Anhieb die Europa League. Wie hat er Sevilla verändert? 

Julen Lopetegui hatte lange Zeit den Ruf, kein guter Klub-Trainer zu sein. Das hat sich spätestens nach dem Triumph 2020 mit Sevilla in der Europa League geändert. Gemeinsam mit Sportdirektor Monchi arbeitet er sehr erfolgreich daran, die Andalusier wieder zu einem spanischen Top-Team zu machen. Lopetegui ist sehr fordernd, sehr antreibend und sicher auch anstrengend für die Spieler. Doch der gemeinsame Erfolg gibt ihm Recht und ich habe in den letzten 18 Monaten praktisch kein kritisches Wort aus Mannschaftskreisen über den Trainer gelesen. Der FC Sevilla gilt als perfekt aufeinander abgestimmtes, sehr ambitioniertes Team mit einem besonders guten Spirit – all das ist auch das Verdienst von Julen Lopetegui.

Prognose

Sevilla ist der direkte Gegenentwurf des BVB. Eine Einheit, die im Kollektiv einen konkreten Plan umsetzt, stabil ist und sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Obwohl die Spanier selten Gegner aus dem Stadion schießen, könnte es heute dazu kommen. 

Voraussichtliche Aufstellungen:

FC Sevilla: Bono, Escudero, Diego Carlos, Koundé, Vidal, Jordán, Fernando, Rakitic, Papu Gomez, Suso, En-Nesyri

Borussia Dortmund: Hitz, Guerreiro, Hummels, Akanji, Meunier, Can, Bellingham, Reus, Brandt, Sancho, Haaland

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(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Damian Ozako

Als Kind von Tomas Rosicky verzaubert und von Nelson Haedo Valdez auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht worden. Geblieben ist die Leidenschaft für den (offensiven) Fußball. Seit 2018 bei 90PLUS.


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