Champions-League-Finale: PSG vs. FC Bayern – Duell um die perfekte Saison

23. August 2020 | Vorschau | BY Victor Catalina

Vorschau | Vorhang auf für den letzten großen Akt einer langen wie denkwürdigen Spielzeit. Im Finale der Champions League stehen sich PSG und der FC Bayern gegenüber. Nur einer kann allerdings seine – bislang – perfekte Saison vollenden.

Anpfiff ist am Sonntag, 21:00 Uhr, live im ZDF, auf Sky und DAZN (Registriere dich jetzt auf DAZN und erhalte einen Gratismonat).

  • PSG: Wie Tuchel aus Individualisten ein Team formte
  • FC Bayern: Riskant – und gnadenlos erfolgreich
  • Beide könnten ihre perfekte Saison vollenden

Vor dem Spiel haben wir uns mit Pierre-Paul Bermingham (Korrespondent bei Get French Football News, Host der GFFN-Show) sowie Tobias Altschäffl (Chefreporter Bild/Sportbild) unterhalten.

PSG: Die Final-Debütanten

Es ist ein Finale zweier Teams, die in den letzten Königsklassenjahren viel Kritik und Häme über sich ergehen lassen mussten. Während man über den FC Bayern witzelte, sie könnten alles, außer spanische Mannschaften zu schlagen und wiederholt der Narrativ bemüht wurde, Robert Lewandowski (32) hätte seinen größten internationalen Erfolg nicht im roten, sondern im schwarzgelben Trikot gefeiert, hinkte Paris St.-Germain regelmäßig den eigenen Erwartungen hinterher. Manchmal auf groteskeste Art und Weise.

(Photo by Laurence Griffiths/Getty Images)

Da wäre zum einen, das was man in Barcelona unter dem Namen „Remontada“ (Wiederaufbau) kennt, als PSG 2017 zur ersten Mannschaft in der Geschichte der Champions League wurde, die einen vier-Tore-Vorsprung aus dem Hinspiel hergab. Oder die vergangene Saison, als ein biederes Manchester United im Achtelfinale nach 0:2-Heimniederlage im Pariser Prinzenpark 3:1 gewann. Nun also haben sie sich erstmals bis ins Finale gespielt. Selten mit Glanz, dafür aber mit unheimlich viel Konstanz.

PSG: Einheit mit Individualisten

Natürlich, das Prunkstück der Mannschaft von Thomas Tuchel (46) ist und bleibt der Angriff um Neymar (28), Kylian Mbappé (21) und Ángel Di Maria (32). Aber sein wahrscheinlich größter Verdienst ist es, die Fähigkeiten von Spielern, die in der Vergangenheit auf dem Platz bisweilen wie elf Individualisten wirkten, zum Wohle eines Teamgefüges zu kanalisieren. Besonders gut lässt sich das eben an Neymar festmachen.

Im Sommer 2017 für die Weltrekordsumme von 222 Millionen Euro aus Barcelona geholt, begab er sich öfters in die Rolle des P.T. Barnum von Paris. Der ultimative Showfußballer mit Haken, Tricks und Dribblings im neureichen Fußballzirkus. Derselbe Spieler rieb sich beim Turnier in Lissabon für die Mannschaft auf, holte sich die Bälle im Mittelfeld ab und inszenierte in der Nachspielzeit gegen Atalanta beide Treffer.

(Wieso das CL-Finale für Neymar die große Reifeprüfung wird, könnt ihr hier lesen.)

(Photo by Manu Fernandez/Pool via Getty Images)

Für Pierre-Paul Bermingham könnte gerade das der Schlüssel im Finale gegen den FC Bayern sein: „Es wird alle Mann brauchen, um sowohl die Stärken der Bayern außer Kraft zu setzen, als auch ihre Defensive zu bestrafen. Aber der große Fortschritt, den PSG in dieser Europapokalsaison gemacht hat, ist ihr Zusammenhalt und ihre Fähigkeit, Leistungen im Kollektiv abzuliefern“.

Der Beweis dafür ist auch ihre Defensive. Erst ein Gegentor kassierte PSG in vier Spielen seit dem Restart. Und wenn sie nicht gerade verteidigen müssen, dann tritt die Pariser Hintermannschaft gerne offensiv in Erscheinung. So haben Juan Bernat (27) und Marquinhos (26) in der K.O.-Phase dieser Champions-League-Saison genauso viele Treffer auf dem Konto wie Neymar (jeweils zwei Tore).

Bermingham: Garcias Grundidee wird nützlich sein

Allerdings ist auch jeder Teamgeist vergebens, wenn man es verpasst, sich im entscheidenden Moment dafür zu belohnen. Im Finale am Sonntag könnte das Tempo der Pariser Schlüssel zum Erfolg sein. Olympique Lyon setzte gegen den FC Bayern auf ein 5-3-2 sowie rasantes Umschaltspiel nach Ballgewinnen. Man versuchte diese Attribute durch situatives Pressing im Mittelfeld zu forcieren.

„Thomas Tuchel wird nicht direkt Lyons Spielstil kopieren, nicht zuletzt auch aufgrund der unterschiedlichen Stärken im Kader von OL und PSG, aber die Grundidee von Rudi Garcia wird nützlich sein: Tief stehen, schnell kontern und in den Rücken der Bayern-Abwehr kommen. PSG hat raffiniertere Wege, um Räume zu finden und zu Chancen zu kommen. Das Zusammenspiel zwischen Mbappé, Neymar und Di Maria wird kontrollierter und geschickter sein, als viele Kontermannschaften zu leisten imstande sind. Lyon war auf seine Art und Weise geschickt, aber auch durch Gnabrys erstes Tor verunsichert. Ich erwarte nicht, dass PSG entmutigt ist, selbst, wenn sie das erste Tor kassieren sollten.“, so Berminghams Einschätzung.

Soweit die Theorie. In der Praxis könnte sich das – nicht zuletzt aufgrund der Personallage – schwieriger gestalten. Hinter dem Einsatz von Torhüter Keylor Navas (33) steht vor dem Finale ein Fragezeichen. Für ihn stünde Sergio Rico (26) bereit. National hat PSG bereits alle vier Titel abgeräumt. Nun sind sie bereit für mehr. Mbappé: „Ich habe gesagt, dass ich in meinem Land Geschichte schreiben möchte, morgen ist eine weitere Gelegenheit“.

FC Bayern: Mit breiter Brust und offenen Karten – zum Triple?

Geschichte kann allerdings auch der FC Bayern schreiben. Zum Beispiel in Form eines zweiten Triples. Oder dadurch, die erste Mannschaft zu sein, die sich durch eine komplette Champions-League-Saison siegt. Dazu brauchen sie nur noch drei Treffer, um den Rekord des FC Barcelona für die meisten Tore einer Königsklassensaison einzustellen, der bei 45 liegt. Und Robert Lewandowski könnte mit einem Doppelpack mit Cristiano Ronaldo (35) gleichziehen, der 2013/14 17 Mal traf.

(Photo by MANU FERNANDEZ/POOL/AFP via Getty Images)

Die Stimmung könnte vor dem Spiel bei den Münchenern kaum besser sein. Egal, wen man in den vergangenen Tagen und Wochen fragte, alle hatten ein Lächeln auf den Lippen und strotzten nur so vor Selbstvertrauen. Schon nach dem 4:1 im Achtelfinale gegen Chelsea antwortete Niklas Süle (24) auf die Frage, ob der FC Bayern die Champions League gewinnen wird, mit einem kurzen wie trockenen „Ja!“

Maßgeblich dafür ist Hansi Flick (55). Er hat nicht nur vielen Spielern den Glauben an die eigene Stärke zurückgebracht, sondern auch eine unnachgiebige Pressingmaschine geformt. Immer wieder wird der Gegner sehr hoch angelaufen und zu Fehlern gezwungen.

Der Vorteil: Bei erfolgreichem Ballgewinn sind die Wege zum Tor meistens extrem kurz. Gerade beim fulminanten 8:2 gegen den FC Barcelona funktionierte das fast bis zur Perfektion. Der Nachteil: Bei eigenen Ballverlusten offenbaren sich hinter der Viererkette enorm große Räume. So geschehen im Halbfinale gegen Lyon, als der FC Bayern von Glück reden konnte, nach 18 Minuten 1:0 zu führen statt 0:2 zurückzuliegen.

FC Bayern: Erst satt, wenn der Teller leer ist

Was den FC Bayern dieser Tage neben seinem bisweilen riskanten Spielstil auszeichnet, ist die Einstellung. Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke (61) brachte es auf den Punkt, als er sagte, die Gegner würden „nicht mehr geschlagen, sondern vernichtet“. 5:1 nach Hin- und Rückspiel gegen Chelsea? Komm, für zwei Stück ist noch Platz. 5:2 gegen Barcelona? Das reicht noch nicht, ist ja noch eine halbe Stunde auf der Uhr. Und auch ein 3:0 im Halbfinale gegen Lyon wird nicht etwa gefeiert, sondern lediglich professionell zur Kenntnis genommen. Gewonnen ist schließlich noch nichts. Dieser FC Bayern ist eben erst satt, wenn der Teller leer ist.

(Photo by Miguel A. Lopes/Pool via Getty Images)

Auf dem aber liegt noch ein letzter Happen, das es für die Münchener zu vertilgen gilt: Paris St.-Germain. Die Gefahr, sich daran zu verschlucken, ist durchaus gegeben. Dieses Risiko nimmt man aber offenbar willentlich in Kauf: „Gegen Leipzig hat man gesehen, wenn sich eine Mannschaft tief hinten rein stellt, haben Mbappé, Di Maria, Neymar auch auf kurzem Raum die Schnelligkeit und Antrittsgeschwindigkeit, dass sie in die Tiefe gehen können. Also, ich denke, die Bayern werden eigentlich wie zuletzt hoch stehen, werden früh pressen und werden versuchen, auf den ballführenden Spieler immer soviel Druck auszuüben, dass die Pässe in die Tiefe zu den drei schnellen Spitzen gar nicht erst gespielt werden können“, so Tobias Altschäffl.

FC Bayern: Flick läutet die neue Generation ein

Hansi Flick schlug auf der Pressekonferenz in dieselbe Kerbe, mit der Anmerkung, dieses Spielsystem sei „in den letzten 10 Monaten unsere Erfolgsgarantie“ gewesen.

Genauso wie die Tatsache, dass die Münchener von Verletzungen größtenteils verschont geblieben sind. Benjamin Pavard (24), der beim 3:0 gegen Lyon sein Comeback nach Knöchelverletzung gab, ist laut Altschäffl „auf einem guten Fitnesslevel“, aber wie auch der Spieler selbst und Flick unisono betonten, noch nicht bei 100 Prozent. Ein Startelfeinsatz im Finale dürfte also eher überraschend kommen. Nicht zuletzt auch, weil sein Gegenspieler Kylian Mbappé hieße. Bei Jérôme Boateng (31) hielt sich Flick auf der Pressekonferenz bedeckt.

(Photo by MIGUEL A. LOPES/POOL/AFP via Getty Images)

Allerdings haben die Münchener auch selbst ihre Waffen – und zwar auf den Außen. Serge Gnabry (25) entwickelt sich immer mehr zu einem Weltklasse-Spieler, genau wie Alphonso Davies (19). Und auch Lewandowski weicht während des Spiels ab und zu auf den Flügel aus, um Platz für die nachrückenden Thomas Müller (30) oder Leon Goretzka (25) zu schaffen. Sollten sie genau dieses Spiel forcieren können – gepaart mit geschicktem Defensivverhalten – steht einer perfekten Saison nicht mehr viel im Weg.

Prognose von Pierre-Paul Bermingham

Für mich ist Bayern der Favorit. Ich habe Angst vor einer Mannschaft, die einen Finaleinzug nicht einmal feiert. Und die Tatsache, dass das PSGs erstes Finale ist, spielt eine Rolle in den Erwartungen und dem Druck, der auf ihnen lastet, ob sie es zugeben oder nicht. Aber PSG hat ein sehr gutes Team im Moment und sollte nicht abgeschrieben werden. Wenn es kein Finale wäre, was einen Einfluss auf die mentale Herangehensweise hat, glaube ich, dass sie Favorit wären.

(Zur gesamten Bilanz zwischen PSG und dem FC Bayern gelangt ihr hier.)

Mögliche Aufstellungen

Paris Saint-Germain: Navas – Kehrer, Kimpembe, T. Silva, Bernat – Marquinhos, Verratti, Ander Herrera – Neymar, Di Maria, Mbappé

FC Bayern: Neuer – Kimmich, Boateng, Alaba, Davies – Thiago, Goretzka – Perisic, Müller, Gnabry – Lewandowski

(Photo by Srdjan Stevanovic/Getty Images)

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Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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