Champions League | Von Favoriten, Superstars und dem nächsten ganz großen Wurf

18. September 2018 | Vorschau | BY Nico Scheck

[nextpage title=Rückblick]Endlich ist es so weit! Heute fällt der Startschuss für die neue Champions-League-Saison und nach einem ereignisreichen Transfersommer stellen sich einige Fragen. Kann Real Madrid auch ohne Cristiano Ronaldo den vierten Triumph in Folge in Angriff nehmen? Wie gut ist Barça ohne seinen Strategen Iniesta, ist Pep’s City reif für den ganz großen Wurf und welche Rolle spielen die deutschen Vertreter in Europas Eliteklasse? Unsere Redakteure Manuel Behlert, Kilian Thullen und Christoph Albers gehen diesen und weiteren Fragen nach und wagen eine Prognose. 

 

Abgezocktes Real Madrid

90PLUS: In wenigen Tagen ist es endlich soweit! Die Champions League geht wieder los. Bevor wir einen Blick auf die kommende Runde wagen, ein kurzes Fazit zur letzten Europapokal-Saison: Real Madrid hat sich, mal wieder, die Krone gesichert und mit dem FC Liverpool stand eine Mannschaft im Finale, mit der vor der Saison nicht unbedingt zu rechnen war. Wie fällt euer Fazit für die letzte CL-Saison aus, wer hat euch überrascht, warum hatte Real den Titel verdient und hielt die Champions League das, was sie jedes Jahr aufs Neue verspricht? 

M. Behlert: Die Champions League bot sicher auch in der vergangenen Saison hervorragende Unterhaltung, wenngleich meiner Meinung nach zu sehen war, dass es keine besonderen Innovationen gab, die hervorzuheben wären. Real hatte den Titel verdient, weil sie in den entscheidenden Momenten in der Lage waren, ihre Treffer zu machen, die Fehler des Gegners eiskalt nutzten. Überrascht hat mich einerseits das Weiterkommen des FC Sevilla im Old Trafford, andererseits die sehr gute Saison der Roma, die ich so – gerade nach dem Hinspiel des Viertelfinals in Barcelona – nicht für möglich gehalten habe.

C. Albers: Ich denke, dass die abgelaufene Saison ziemlich viel zu bieten hatte. Mit Liverpool und der Roma sorgten zwei Teams für mächtig Furore, die man sonst nicht so auf dem Zettel hatte, was in der Champions League, in der ja sonst zumeist die immer gleichen Teams im Halbfinale stehen, eine angenehme Ausnahme ist. Allerdings muss man auch festhalten, dass das Niveau insgesamt eher beschaulich war. Selbst in den sehr späten Stadien des Turniers gab es krasse Aussetzer und erstaunlich viele Fehler, was für das Niveau eigentlich ungewöhnlich ist. Das hat sicherlich auch etwas damit zu tun, dass einige der ganz großen Teams etwas geschwächelt haben und, dass kein Team so richtig an seinem Zenit war. Einige waren etwas darüber hinaus, andere waren noch nicht angekommen. Daher gab es auch keinen so richtig hochverdienten Sieger, womit wir auch schon bei Real Madrid angekommen sind. Die Königlichen hatten zwar den schwierigsten Pfad und waren extrem abgeklärt und sehr stark in den entscheidenden Situationen, aber insgesamt waren auch sie nicht wirklich überzeugend. Gerade in den Duellen mit Juventus oder dem FC Bayern hatten sie sehr viel Glück und hätten auch ausscheiden können. Von daher kann hier nicht von einem grandiosen Triumph gesprochen werden, auch wenn die abermalige Titelverteidigung schon beeindruckend ist.

K. Thullen: Die abgelaufene CL-Saison lieferte wie gewohnt spannende Abende, viele packende Duelle und wie jedes Jahr auch einige Überraschungen. Zu den Überraschungen zählte definitiv Jürgen Klopps FC Liverpool, der es bis ins Finale schaffte. Aber auch einige andere Mannschaften, wie AS Rom (Halbfinale) oder der FC Sevilla übertrafen meine Erwartungen. Gerade das Team aus Südspanien spielte eine sehr starke CL-Saison und einen ansehnlichen Fußball unter dem damaligen Coach Vincenzo Montella. Real Madrid hatte den Titel definitiv verdient. Man merkte ihnen zu jeder Zeit ihre Erfahrung im internationalen Geschäft an und so bewahrten sie in den entscheidenden Momenten einfach einen kühlen Kopf und spielten extrem souverän. Dazu kam natürlich ein glänzend aufgelegter Cristiano Ronaldo, der zum sechsten Mal in Folge (!) Torschützenkönig der CL-Saison wurde. 

(Photo by GENYA SAVILOV/AFP/Getty Images)

 

90PLUS: Nun zurück zum Hier und Jetzt: Im Sommer hat sich bei dem einen oder anderen Spitzenklub in personeller Hinsicht einiges getan, Stichwort Cristiano Ronaldos Wechsel zu Juventus Turin. Zählt aufgrund dieses spektakulären Transfers für euch Juve nun zu einem absoluten Top-Favoriten auf den Titel, kann Real Madridauch ohne seine Tormaschine den vierten Triumph in Folge anpeilen und wer hat eurer Meinung nach den besten Transfersommer hingelegt? 

K. Thullen: Dass Juventus Turin in den letzten vier Jahren zweimal im Finale der Königsklasse stand, war für mich sehr überraschend. Meiner Meinung nach gehört der Kader der Bianconeri nicht zu den besten weltweit und daran ändert auch der Transfer von CR7 in diesem Transferfenster nichts. Ich glaube nicht, dass sie es dieses Jahr ins Halbfinale schaffen werden. Auf der anderen Seite muss man natürlich sagen, dass Real Madrid auch ohne ihren Superstar zu den Favoriten auf den vierten Titel in Folge gehört. Die Königlichen sind mit Spielern wie Luka Modric, Sergio Ramos, Toni Kroos und Gareth Bale weiterhin extrem gut besetzt. Außerdem zeigt sich Karim Benzema zu Beginn dieser Saison in bestechender Form und absolut in der Lage, die große Lücke, die CR7 hinterlässt, zumindest zum Teil zu schließen. Den besten Transfersommer hat der FC Liverpool diesen Sommer hingelegt. Spieler wie Naby Keita und Fabinho sind physisch extrem stark und passen deshalb perfekt in Klopps intensives Pressingsystem. Zudem konnte man die Torwartposition durch den Transfer des Brasilianers Alisson nun endlich adäquat besetzen und stellt so ein sehr starkes Team. Dies bestätigen die ersten Spieltage in der Premier League voll und ganz.

C. Albers: Juventus hat sich zwar gut verstärkt und Ronaldo ist natürlich ein Garant, vor allem in der Königsklasse, doch als großen Titelfavoriten sehe ich sie nicht. Auch Real hat diesen Status für mich etwas verloren. Sie sind zwar nach wie vor im Kreis der Top-5-Kandidaten, doch ich habe meine Zweifel daran, dass es ohne Ronaldo und die ganz große Verstärkung nochmal reichen könnte. Ein vierter Erfolg in Folge wäre auch des Guten etwas zu viel. Für mich sind Barcelona und Manchester City die Top-Anwärter. Beide haben wahnsinnig gute Mannschaften, haben großartige Saisons hinter sich und noch einiges offen in der Champions League. Zudem haben beide ihre Kader clever verstärkt, ohne zu viel zu machen. Das ist für mich auch eine Qualität. Den wohl besten Transfersommer sehe ich aber bei Atletico. Sie konnten Griezmann und Oblak halten, was schon eine große Leistung ist, und haben sich mit Arias, Rodri, Lemar, Gelson Martins und Kalinic sehr gut verstärkt. Vor allem, weil sie ihr Spiel damit wesentlich variabler gestalten können. Der Saisonstart war zwar schwierig, aber ihnen traue ich viel zu.

M. Behlert: Juventus Turin zählte in den letzten Jahren immer zu den Kandidaten, die den Triumph in der Königsklasse erreichen können. Doch immer fehlte der letzte Schritt, ein entscheidender Mosaikstein. Und diesen könnte man sich mit Cristiano Ronaldo ins Team geholt haben, ich sehe bei der „Alten Dame“ kaum eine Schwäche. Bei Real Madrid habe ich inzwischen aufgehört, irgendeine Möglichkeit auszuschließen. Für mich sind die „Königlichen“ kein haushoher Titelfavorit, aber die Mannschaft ist weiterhin fantastisch, trotz der Zurückhaltung auf dem Transfermarkt. Hier hat der FC Barcelona wichtige Planstellen schließen können, Juventus wurde bereits erwähnt, aber auch der FC Liverpool hat eine sehr gute Transferphase hinter sich.

[nextpage title=“Die Favoriten“]

Barça Topfavorit? PSG zu dünn besetzt!

90PLUS: Abgesehen von den beiden eben Genannten sollte natürlich auch der Abschied von Barça-Ikone Andres Iniesta oder der Trainer-Wechsel bei PSG nicht vergessen werden. Wie stark ist der FC Barcelona ohne seinen Mittelfeldstrategen, reicht es für den ganz großen Wurf und was ist den Parisern mit Thomas Tuchel zuzutrauen?

C. Albers: Wie schon angeteasert, sehe ich Barça sehr stark. Der Verlust von Iniesta wiegt zwar schwer, doch mit Coutinho, Arthur und Vidal kann man das wohl ganz gut auffangen. Wobei ich Vidal als Mentalitätsspieler gerade in der Champions League als wertvollen Faktor sehe. Darüber hinaus scheint auch Dembélé langsam angekommen zu sein und auch Malcom gefällt mir. Die Mannschaft ist damit deutlich weniger ausrechenbar. Für mich sind sie DER Top-Favorit. PSG ist mir zu wenig ausbalanciert. Die Offensive ist natürlich überragend, doch im Mittelfeld und in der Verteidigung fehlt mir einfach die Quantität. Nicht umsonst wollte Tuchel gerade da nochmal nachlegen. Ihm als Trainer traue ich unterdessen zwar eine Menge zu und ich bin sicher, dass er die Mannschaft nochmal deutlich verbessern kann, doch die Schwächen auf so wichtigen Positionen werden sich einfach rächen in der Champions League.

K. Thullen: Der Abgang von Barca-Legende Andrés Iniesta wiegt natürlich schwer. Jedoch saß er in der letzten Saison schon häufiger auf der Bank und wurde zudem durch die beiden Neuzugänge Arturo Vidal und den Brasilianer Arthur ersetzt. Außerdem wird Philippe Coutinho in dieser Saison häufig auf der linken Achterposition eingesetzt, die Iniesta zuvor bekleidete. Zu den beiden genannten Neuzugängen kommen zusätzlich der Innenverteidiger Clement Lenglet und das brasilianische Talent Malcom. Mit diesen Neuzugängen und einem Ousmane Dembélé, der diese Saison endlich zu seiner Bundesliga-Form zurückfinden konnte, wird der FC Barcelona diese Saison definitiv zu den Top-Favoriten gehören. Zu diesem Kreis gehört definitiv auch das neue Team von Thomas Tuchel, Paris Saint-Germain. Mit Neuzugängen wie dem Ex-Schalker Thilo Kehrer und Juan Bernat wurden nicht die schillerndsten Namen in die französische Hauptstadt gelotst. Man verfügt mit dem Angriffs-Trio bestehend aus Neymar, Cavani und dem Shootingstar Kylian Mbappé aber über die vermutlich gefährlichste Offensive der Welt. Diese Wucht im Angriffsspiel gepaart mit der schier unglaublichen Variabilität, die die Teams von Tuchel auszeichnen, machen PSG zu einem sehr gefährlichen Team. Ich denke jedoch, dass im Halbfinale spätestens Schluss sein wird.

M. Behlert: Zwar war Andres Iniesta zuletzt nicht mehr so dominant wie in seinen besten Zeiten, dennoch schwebte der Spielgestalter weiterhin wie magisch über den Platz und konnte die besonderen Momente kreieren. Der Kader des FC Barcelona ist aber in der Lage, den Abgang sportlich aufzufangen, hat sich ohnehin etwas flexibler aufgestellt und dürfte keinesfalls schwächer geworden sein. Bei Paris Saint-Germain bin ich etwas skeptischer, die Qualität ist hoch, Tuchel ist ein absoluter Fußballfachmann, doch die Einschränkungen hinsichtlich der Transferpolitik könnten ein entscheidender Punkt sein, der dafür sorgt, dass PSG weiterhin eine Nuance zum großen Coup fehlt. 

(Photo by Josef Bollwein – Sepa Media/Bongarts/Getty Images)

90PLUS: Die deutschen Vertreter haben allesamt mehr oder weniger machbare Gruppen zugelost bekommen. Dass das nichts heißen muss, hat die Vergangenheit gezeigt. Erreichen trotzdem alle deutschen Teams das Achtelfinale und wem, abgesehen vom FC Bayern, traut ihr das Viertelfinale oder sogar mehr zu? 

M. Behlert: Absolut, die Gruppenphase zu überstehen ist für jede Mannschaft das Ziel und ich bin zuversichtlich, dass zumindest drei Vertreter aus der Bundesliga auch im Achtelfinale stehen werden. Danach kommt es ohnehin auf das Losglück und die Tagesform an, grundsätzlich sehe ich neben dem FC Bayern vor allem Borussia Dortmund in der Lage auch ein europäisches Schwergewicht vor Probleme zu stellen und möglicherweise in das Viertelfinale einzuziehen.

K. Thullen: Dass ein deutsches Team, außer dem FC Bayern, das Viertelfinale übersteht, halte ich für eher unwahrscheinlich. Die Bundesliga hat in den letzten Jahren im Vergleich zu den anderen europäischen Ligen schlichtweg zu viel an Qualität eingebüßt. Dem BVB traue ich es am ehesten zu, bis ins Viertelfinale zu kommen. Der FC Schalke 04 hat die vermutlich leichteste Gruppe in diesem Jahr erwischt und wird dementsprechend mit recht hoher Wahrscheinlichkeit ins Achtelfinale einziehen, wo meiner Meinung nach aber auch Schluss ist. Die Gruppe von 1899 Hoffenheim ist zudem definitiv nicht zu unterschätzen. Schachtar Donezk hat in den letzten Jahren häufiger bewiesen, dass sie mit vielen starken Einzelspielern in der Offensive jeden Gegner vor Probleme stellen können. Außerdem wartet Pep Guardiolas Manchester City auf die Kraichgauer. Einen Achtelfinaleinzug halte ich deshalb für unwahrscheinlich.

C. Albers: Der FC Bayern sollte im Normalfall souverän Gruppensieger werden und den BVB sehe ich in seiner Gruppe auf Rang 2 hinter Atletico. Schalke hat nominell die leichteste Gruppe, doch das Weiterkommen ist für mich trotzdem alles andere als sicher. Für Hoffenheim sieht es meiner Meinung nach schlecht aus. Ihnen traue ich das Weiterkommen nicht zu. Ich denke sie werden einiges an Lehrgeld zahlen und womöglich eher um Platz 3 kämpfen. Dem BVB traue ich das Viertelfinale durchaus zu – wenn Favre funktioniert und auch mit ein wenig Losglück.

 

Fehlplanung beim FC Bayern – Wo sind die Alternativen?

90PLUS: Stichwort FC Bayern: Der deutsche Rekordmeister hat es in diesem Sommer auf dem Transfermarkt piano angehen lassen, Goretzka kam ablösefrei aus Schalke, Gnabry  und Sanches kehrten von ihren Leihstationen zurück. Wie bewertet ihr diese Zurückhaltung der Bayern auf dem Transfermarkt? Hätten die Vereinsbosse vielleicht lieber doch noch einen „großen“ Transfer“ tätigen müssen oder kann der FCB mit diesem Kader nach Europas Krone greifen? 

K. Thullen: Die Zurückhaltung der Bayern im diesjährigen Transferfenster ist für mich ein großer Fehler gewesen. Qualitativ hat der Rekordmeister nach wie vor einen, auch auf internationalem Niveau, hervorragenden Kader. Man hätte in diesem Sommer jedoch in die Breite investieren müssen. Gerade auf dem Flügel ist man mit zwei alternden Stars (Ribéry & Robben), einem verletzten Kingsley Coman und Serge Gnabry unzureichend besetzt. Mit den Verletzungen von Rafinha und Corentin Tolisso sind in den englischen Wochen die Möglichkeiten einer personellen Rotation damit sehr begrenzt.

M. Behlert: Man betont beim FC Bayern ja gebetsmühlenartig, dass man mit diesem Kader in der vergangenen Saison fast im Finale der Champions League gestanden hätte. Das mag zwar richtig sein, aber Spieler wie Ribery, Robben oder Rafinha werden nicht jünger und so zufrieden ich bisher auch mit der Entwicklung unter Kovac, den Neuzugängen und der Art und Weise, wie die Mannschaft sich präsentiert, bin, hätte ich 1-2 weitere Ergänzungen als sinnvoll erachtet. Einerseits hätte meiner Meinung nach ein Linksverteidiger verpflichtet werden müssen, der Juan Bernat ersetzt, andererseits hätte ein Spieler des „Robbery“-Duos vor der Saison verabschiedet und ein hochklassiger, jüngerer Ersatz hinzugeholt werden müssen.

C. Albers: Klare Antwort: Ja. Wie sich schon jetzt, angesichts der Ausfälle von Coman, Tolisso und Rafinha, zeigt, ist der Kader einfach zu dünn besetzt. Mit Rafinha als einzigen echten Backup für Alaba und Kimmich in die Saison zu gehen, ist für mich Wahnsinn. Und auch Ribéry UND Robben als Leistungsträger einzuplanen, halte ich für sehr gewagt. Hier hätte man etwas tun sollen. Für den Titel wird es so mit Sicherheit nicht reichen, weil entscheidende Spieler in den wichtigen Phasen der Saison entweder verletzt oder überspielt sein werden.

(Photo by Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Klopp oder Guardiola?

90PLUS: Die letzte Königsklassen-Saison hat gezeigt: Auch mit den englischen Vereinen ist wieder zu rechnen. Manchester City spielte bis zum Viertelfinal-Aus gegen den FC Liverpool groß auf, die „Reds“ zogen sogar bis in das Finale vor. Was ist den Teams von Pep Guardiola und Jürgen Klopp in diesem Jahr zuzutrauen? Bringt Pep City endlich den lang ersehnten Titel ins Etihad Stadium und kann „Kloppo“ mit Liverpool die Leistung aus der letzten Saison bestätigen? 

C. Albers: Manchester City gehört für mich zum engeren Favoritenkreis und wird, zumindest nach meinem Empfinden, eine größere Rolle spielen als noch in der letzten Spielzeit. Mit Mahrez haben sie noch eine neue Waffe dazu gewonnen und ansonsten lässt das Team ja auch wenig Wünsche offen. Zudem kommt die Mannschaft der Idee von Guardiola immer näher, was, zumindest in der Vergangenheit, meist in Erfolg mündet. Ob es zum Titel reicht, ist schwer zu beurteilen, aber das Halbfinale sollte das Minimum sein. Liverpool sehe ich, gerade nach den Verstärkungen des Sommers, die ebenfalls ziemlich bemerkenswert sind, nochmal stärker als in der abgelaufenen Saison. Sie werden also ebenfalls wieder sehr weit kommen. Da ich sie aber schwächer als Barcelona und City sehe, gehe ich davon aus, dass nicht mehr als das Halbfinale drin sein wird. Aber diese beiden Teams sind auf jeden Fall auf meinem Radar. Tottenham und Manchester United werden zudem wohl auch die Gruppenphase überstehen, mehr als das Viertelfinale wäre aber eine dicke Überraschung.

M. Behlert: Wenn man die letzten Jahre, die Art und Weise, wie Mannschaften von Pep Guardiola Fußball spielten und die endgültigen Resultate, betrachtet, dann wird sofort eines klar: Der Titel in der UEFA Champions League ist nicht planbar. Zu viele Faktoren, die man nicht oder nur schwer beeinflussen kann, spielen am Ende eine Rolle. Ja, Pep Guardiola kann den Titel nach Manchester holen, aber es wird zahlreiche Vereine geben, die etwas dagegen haben und sich mit aller Kraft wehren werden. Dazu zählt auch der FC Liverpool, der mit klugen Kaderanpassungen dafür gesorgt hat, dass auf höherem Niveau rotiert und angepasst werden kann. Beiden ist viel zuzutrauen, das zeigte schon der Saisonstart.

K. Thullen: Dass mit dem FC Liverpool unter Jürgen Klopp in dieser Saison zu rechnen ist, ist spätestens seit dem Finaleinzug in der letzten Saison klar. Außerdem hat man sich, wie oben bereits erwähnt, im Sommer nahezu perfekt verstärkt. Für mich gehören die Reds in diesem Jahr neben dem FC Barcelona zu den absoluten Top-Favoriten, zu denen auch Manchester City zählt. Nach einer Premier-League-Saison, in der man einen neuen Punkterekord erzielen konnte und die Liga nach Belieben dominiert hat, wird man in diesem Jahr einen besonderen Fokus auf die Champions League setzen. Die Königsklasse wird absolute Priorität für das Team von Pep Guardiola haben, das sich im Sommer mit Riyad Mahrez noch einmal auf dem Flügel verstärkt hat. 

 

90PLUS: Mit dem AS Rom stand 2017/18 ein Team im Champions-League-Halbfinale, mit dem wohl keiner ernsthaft gerechnet hatte. Neben den altbekannten Favoriten, wer könnte eurer Meinung nach in diesem Jahr für eine Überraschung sorgen? 

M. Behlert: Ich traue dem FC Valencia zu, sich in der Gruppe H vor Manchester United durchzusetzen und sehe auch Olympique Lyon, sofern der Klub die schwierige Gruppe übersteht, in der Lage, bis in das Viertelfinale vorzustoßen. Im Halbfinale werden aber in dieser Saison die „üblichen Verdächtigen“ stehen und keine Mannschaft, die eine ähnliche Entwicklung wie die Roma in der letzten Saison hinlegt. 

K. Thullen: Ich traue in diesem Jahr Ajax Amsterdam eine Überraschung zu. Die Mannschaft von Trainer Erik ten Hag weist eine gute Mischung aus erfahrenen, gestandenen Spielern wie Klaas-Jan Huntelaar und vielen jungen, hungrigen Spielern auf, von denen nicht wenige hochtalentiert sind. Außerdem glaube ich, dass das aggressive Pressing, das man in Amsterdam etabliert hat, viele Mannschaften vor Probleme stellen wird. In einer machbaren Gruppe ist der 2. Platz hinter dem deutschen Rekordmeister absolut realistisch. Mit ein wenig Losglück traue ich den Niederländern durchaus den Einzug ins Viertelfinale zu.

C. Albers: Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass es in diesem Jahr wieder so eine dicke Überraschung geben wird wie in der letzten Saison, zumal ein weiterer Halbfinaleinzug Liverpools keine Überraschung mehr wäre. Liverpool, Manchester City, Bayern, Barcelona, Real Madrid, Atletico, Juventus und mit Abstrichen PSG sind der Kreis der Teams, denen ich das Halbfinale zutrauen würde. Anderen Teams traue ich das nicht zu. Eine Überraschung sehe ich darin daher nicht.

(Photo by Clive Brunskill/Getty Images)

[nextpage title=“Prognosen“]

Wer holt den Henkelpott – Macht es Messi nochmal?

90PLUS: Von den Mannschaften zu den Spielern: Im letzten Jahr hießen die Protagonisten der CL Cristiano Ronaldo, Luka Modric, Mohamed Salah, aber auch Spieler wie De Bruyne oder Kimmich überzeugten auf der ganz großen Bühne. Wer wird in dieser Saison der Champions League seinen Stempel aufdrücken und welche jungen Talente sollte der Fußball-Fan besonders im Blick haben? 

K. Thullen: Ich bin mir sicher, dass Kylian Mbappé eine überragende Champions-League-Saison spielen wird. Der 19-jährige zeigt sich in der Ligue 1 in einer exzellenten Frühform (vier Tore in drei Spielen) und wird gemeinsam mit Neymar und Edinson Cavani für viel Furore sorgen. Außerdem denke ich, dass Naby Keïta unter Beweis stellen wird, dass er auch auf internationalem Top-Niveau glänzen kann. Der Neuzugang von RB Leipzig wird von Klopps Philosophie profitieren und eine starke Saison spielen. Wenn man über junge, aufstrebende Talente im europäischen Fußball spricht, kommt man in diesen Tagen nicht an dem Namen Frenkie de Jong vorbei. Der 21-jährige begeistert mit einer außergewöhnlichen Spielweise, die von seinen hervorragenden Dribblings und seinem Spielverständnis geprägt sind. Genau aus diesen Gründen jagen ihn europäische Topteams wie der FC Barcelona, Tottenham und Borussia Dortmund. Zudem sollte man definitiv ein Auge auf Gedson Fernandes von Benfica haben. Der erst 19-jährige zentrale Mittelfeldspieler durchlief alle Jugendmannschaften beim Vize-Meister und wurde erst vor der Saison mit einem Profivertrag ausgestattet. Aufgrund seiner starken Leistungen gehörte er jedoch von Beginn an zum Stammpersonal und feierte am 6. September gegen Kroatien sogar sein Debüt in der A-Nationalmannschaft Portugals. Man darf gespannt sein, wie er sich in der Königsklasse schlagen wird.

C. Albers: Ich denke, dass Ronaldos Einfluss etwas nachlassen wird. Messi ist für mich natürlich zu nennen, darüber hinaus vielleicht auch David Silva, Sadio Mane, auf den ich große Stücke halte, Gareth Bale und vielleicht auch wieder Antoine Griezmann. Also viele der üblichen Verdächtigen. Was die Talente anbetrifft, hätte ich Benficas Gedson Fernandes, Inters Lautaro Martinez, das Ajax-Duo de Ligt und de Jong, Barcas Arthur Melo, Dortmunds Bruun Larsen auf dem Zettel, um nur mal einige zu nennen. Gerade der junge Gedson beeindruckt mich sehr. Aber der Pool der großen Talente in der Champions League ist natürlich gewaltig.

M. Behlert: Ich rechne auch in dieser Saison wieder mit den üblichen Verdächtigen, sprich: Agüero, Neymar, Mbappé, Messi, Ronaldo, Lewandowski. Die Superstars werden diesen Wettbewerb bestimmen und schon in der Gruppenphase wird ein erbitterter Kampf um den Platz an der Sonne in der Torjägerliste geführt werden. Spannende Talente gibt es viele, Serge Gnabry könnte eine gute Rolle spielen, Rodrigo Hernandez ein elementares Puzzleteil bei Atletico Madrid werden, ich rechne auch mit vielen jungen Spielern, die bei Thomas Tuchel Einsatzchancen bekommen, darunter Christopher Nkunku.

(Photo by Aitor Alcalde/Getty Images)

90PLUSZum Abschluss wie immer kurz und knackig: Wer wird sich 2019 Europas Krone aufsetzen und warum? 

M. Behlert: Der FC Barcelona. Warum? Lionel Messi.

C. Albers: FC Barcelona.

K. Thullen: Champions-League-Sieger 2018/2019 wird Manchester City werden. Sie verfügen über einen extrem starken, ausgeglichenen Kader und den vermutlich besten Trainer der Welt. Dazu kommt, wie oben bereits gesagt, dass man sich nach der Rekord-Saison 2017/2018 in diesem Jahr besonders auf die Königsklasse konzentrieren wird. Wenn Pep es schafft, die defensiven Schwächen, die sich gelegentlich in den ersten Spielen zeigten, in den Griff zu bekommen, dann wird der englische Meister extrem schwer zu schlagen sein.

 

Vielen Dank!

Nico Scheck

Aufgewachsen mit Elber, verzaubert von Ronaldinho. Talent reichte nur für die Kreisliga, also ging es in den Journalismus. Seit 2017: 90PLUS. Manchmal: SEO. Immer: Fußball. Joga Bonito statt Catenaccio.


Ähnliche Artikel