Atalanta vs. Real Madrid: Offensivstarke Bergamaschi ohne Angst vor den Königlichen

24. Februar 2021 | Vorschau | BY Manuel Behlert

Vorschau | Atalanta empfängt Real Madrid zum Hinspiel im Achtelfinale der UEFA Champions League. Die Bergamaschi gehen zwar als Außenseiter in dieses Duell, haben aber die Mittel, um die Königlichen vor Probleme zu stellen und zu bezwingen. 

Anstoß der Partie ist am Mittwoch um 21 Uhr. Sky überträgt das Spiel in Deutschland live.

  • Atalanta: Mit Offensivwucht soll Real Madrid bezwungen werden
  • Real Madrid fehlt in dieser Saison die Konstanz
  • Die Bergamaschi müssen auf die Balance im Spiel achten

Vor dem Spiel haben wir uns mit Oliver Meiler, der als Italien-Korrespondent der Sueddeutschen Zeitung vor allem einen guten Überblick über die aktuelle Lage der Lombarden hat, über die anstehende Partie unterhalten.

Atalanta: Defensiv bestehen Probleme

Zum zweiten Mal in Folge steht Atalanta in der K.O.-Runde der UEFA Champions League. Alleine das ist für die Lombarden ein großer Erfolg. Die Ambitionen sind allerdings groß. Selbst gegen einen Gegner mit großem Namen und großer Qualität wie Real Madrid will sich Atalanta nicht verstecken. Und das kann diese Mannschaft auch gar nicht. Der Ansatz von Trainer Gian Piero Gasperini (63) ist es, mit viel Dynamik und Wucht nach vorne zu spielen und Torchance um Torchance zu kreieren. Das sorgt gleichzeitig auch für die größte Schwäche der Mannschaft, denn Gegentore sind an der Tagesordnung.

(Photo by MIGUEL MEDINA/AFP via Getty Images)

„Atalantas Abwehr ist deshalb besonders auffällig und einzigartig, weil sich die Defensivspieler ständig in die Offensive einschalten – wirklich: ständig. Gasperinis Fussball ist bekanntlich sehr offensiv, durchorchestriert, nach genauem Skript. Immer sieht es so aus, als wüsste jeder Spieler genau, wo seine Mitspieler stehen und gehen und laufen. In der Rückwärtsbewegung ist die Mannschaft jedoch oft sehr anfällig“, schätzt Experte Oliver Meiler die Lage in der Defensive der Bergamaschi ein. Häufig reicht es, ein Tor mehr zu schießen als der Gegner und die Dysbalance im Spiel so auszugleichen. Mit Real Madrid wartet nun aber eine abgezockte Mannschaft, zudem spielt der K.O.-Modus eine entscheidende Rolle.

Trainer Gasperini setzt auf die typischen Atalanta-Stärken

Charakteristisch für das Spiel von Atalanta ist der Aufbau über die Außenpositionen. Die Wingbackpositionen, die gegen Real Madrid aufgrund der Verletzung von Hans Hateboer (27) auf der rechten Seite von Joakim Maehle (23) und auf der linken Seite von Robin Gosens (26) besetzt werden, nehmen eine wichtige Rolle ein. Beide Außenspieler schalten sich permanent in das Offensivspiel ein, sind Zielspieler für Flanken von der anderen Seite und nehmen eine wichtige Rolle im Gegenpressing ein. Zudem sind sie ausschlaggebend für die Balance im Spiel und müssen nach eigenen Ballverlusten schnellstmöglich hinter den Ball kommen. Sind beide Wingbacks in Topform, ist Atalanta eine Klasse besser.

Generell haben die Bergamaschi unter Gasperini ein Selbstverständnis entwickelt, auf die eigenen Stärken zu setzen und sich nicht signifikant an den Gegner anzupassen. Das wird laut Oliver Meiler auch gegen die Königlichen der Fall sein: „Zu erwarten ist eine sehr offensive und aggressive Vorstellung der Bergamasken. Gasperini wird wohl mit Duvan Zapata (29) und Josip Ilicic (33) in der Offensive beginnen und Luis Muriel (29) im Verlaufe des Spieles einsetzen. Ein defensiveres Spiel ist nicht zu erwarten, das wäre nicht der Stil der Dea. Gasperini ist ohnehin nicht bekannt dafür, dass er seinen Spielstils und seine Formation groß am Gegner anpasst. Die Sturheit bringt ihm oft den Erfolg, manchmal geht er damit aber auch unter.“

Atalanta: Im Endstadium der Entwicklung unter Gasperini?

Am Wochenende schlug Atalanta die SSC Napoli in der Serie A mit 4:2, zeigte dabei in der zweiten Halbzeit wieder die wesentlichen Charakteristika unter Trainer Gasperini. Die Entwicklung befindet sich derzeit im Endstadium, die Kaderbreite konnte entscheidend verbessert und die Mannschaft noch flexibler zusammengestellt werden. Dennoch zeichnet sich der Spielstil durch zahlreiche wiedererkennbare Eigenschaften aus. „Der Trainer setzt rigoros auf eine Dreierabwehr, wobei die Formation je nach Gegner ein 3-4-1-2 oder ein 3-4-2-1 sein kann. Klar, das 3-4-2-1 stützt sich stark aufs Mittelfeld, es wirkt auch viel balancierter. Die Offensivaktionen Atalantas sind von starken, unerhört gut einstudierten Automatismen geprägt – schnell und präzise“, so Oliver Meiler.

Atalanta Muriel Goal

(Photo by Emilio Andreoli/Getty Images)

Und weiter: „Neben dem aggressiven und schnellen Spielstil verlässt sich die Mannschaft auch oft auf die individuelle Klasse technisch begabter Spieler, vor allem auf den fantasievollen Josip Ilicic, der nach den Problemen der vergangen Saison rund um Corona wieder zu alter Form gefunden hat. Ausserdem wurden Atalantas Spiele dieses Jahr oft von Luis Muriel entschieden, der meistens in der letzten halben Stunde eingewechselt wird und aufgrund seiner Schnelligkeit und seiner Technik Spiele komplett drehen kann.“ Beim angesprochenen Sieg gegen Napoli am Wochenende zeigte Muriel seine außerordentliche Klasse, insbesondere das Tor zum 3:1, als er Tempo aufnahm, einen Haken schlug und den Ball präzise und wuchtig in das obere kurze Eck schoss, war sinnbildlich. 

Generell ist Atalanta aus der Distanz sehr gefährlich. Sei es durch Zapata, Muriel, einen der offensiven Mittelfeldspieler oder durch einen nachrückenden Spieler. Distanzschüsse und vor allem zweite Bälle nach eben jenen sind eine Waffe. Gleiches gilt aber auch für Flanken und Kombinationen durch das Zentrum. Kurzum: Die Bergamaschi können auf verschiedene Arten zu großen Torchancen kommen, die Offensive komplett zu stoppen, ist kaum möglich. Das ist aber nur ein Teilaspekt, der in den Spielen gegen Real Madrid von großer Bedeutung ist, denn chancenlos ist Atalanta keinesfalls. Es braucht aber zwei Partien mit einer enorm guten Tagesform.

Real Madrid: Auf dem Weg der Besserung vor dem Atalanta-Spiel

Eine rundherum brillante Saison spielt Real Madrid nun wirklich nicht. In der Gruppenphase der Champions League gab es beispielsweise zwei peinliche Auftritt gegen Shakhtar Donezk, auch in der heimischen Liga reihten sich einige unnötige Patzer aneinander. Allerdings haben sich die Dinge in den letzten Wochen in die richtige Richtung bewegt. Real Madrid macht weniger Fehler, spielt defensiv auf einem höheren Niveau als über weite Strecken der ersten Saisonphase und das Mittelfeld kann wieder die Kontrolle auf dem Feld generieren. Das macht sich in den Resultaten bemerkbar, die Königlichen sind wieder im Rennen um den Titel in La Liga.

Real Madrid Zidane

(Photo by GABRIEL BOUYS/AFP via Getty Images)

Gegen Huesca, Getafe, Valencia und Valladolid feierte Real Madrid nun vier Siege in Folge, der Rückstand auf Atletico beträgt derzeit nur noch drei Punkte, auch wenn die Colchoneros noch ein Spiel in der Hinterhand haben. Dennoch gehen die Königlichen von Trainer Zinedine Zidane (48) nun mit Rückenwind in das Spiel in der Lombardei. Die gute Organisation der letzten Wochen könnte ein Schlüssel für das Weiterkommen sein. Das sieht auch Experte Oliver Meiler so:Man kann sagen, dass eine gut organisierte Mannschaft mit dem Offensivpotential von Real Madrid das Hochrisikospiel Atalantas durchkreuzen und die Defensive einem grösseren Stresstest aussetzen kann. Außerdem haben viele Spieler Atalantas wenig oder gar keine europäische K.O.-Phasen-Erfahrung – und das ist ein beträchtliches Manko.“

Die Königlichen müssen gegen Atalanta den Personalproblemen trotzen

Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem viele wichtige Spiele anstehen, kann Trainer Zidane kaum rotieren. Real reist mit einem kleinen Kader nach Italien, zahlreiche Spieler fallen derzeit aus. Zwar ist die Elf, die auf dem Platz steht, relativ stabil, dennoch hätten die Königlichen gerne mehr Möglichkeiten. Die Elf stellt sich angesichts der Ausfälle von Eder Militao (23), Sergio Ramos (34), Marcelo (32), Dani Carvajal (29), Alvaro Odriozola (25), Federico Valverde (22), Eden Hazard (30), Rodrygo (20) und Karim Benzema (33) quasi von alleine auf. Da die verbleibenden Offensivspieler derzeit nicht gerade glänzen und für Spektakel stehen, könnte Trainer Zidane wieder vermehrt auf Kompaktheit setzen. Kontrolle im Mittelfeld und eine gute Absicherung sind das A und O. 

Möglicherweise ist genau das ein wichtiger Aspekt, der den Erfolg mit sich bringen kann. Denn: „Es fällt auf, dass die Mannschaft aus Bergamo dann besonders viele Schwierigkeiten hat, wenn sie gegen so genannt „kleine“ Mannschaften spielt, weil diese gegen Atalanta defensiv auftreten und die üblichen Offensivaktionen mit doppelten, dreifachen Abwehrreihen abblocken. Gegen Mannschaften der oberen Tabellenplätzen hingegen ist Atalanta oft dominant (3:0 gegen Milan, 4:1 gegen die Roma, 3:1 und 4:2 gegen Napoli) , da haben sie den gewünschten Platz für ihre Offensivaktionen.“

In jedem Fall benötigt Real Madrid gegen Atalanta ein hohes Maß an Konzentration. Einem Gegner mit dieser Mischung aus Wucht, Dynamik und Selbstvertrauen standen die Königlichen selten gegenüber. Die individuelle Qualität ist trotz einiger Ausfälle weiter sehr hoch, der Trend der letzten Spiele zeigt in die richtige Richtung. Ob sich dieser Trend bestätigt, bleibt allerdings abzuwarten. Mit einer konzentrierten Leistung, der nötigen Kompaktheit und Entlastung im Spiel nach vorne sollte ein gutes Ergebnis jedoch möglich sein.

Atalanta vs. Real Madrid: Prognose von Oliver Meiler

Es treffen zwei Mannschaften aufeinander, die diese Saison nach anfänglichen Problemen ihre Form wiedergefunden zu haben scheinen. Gut möglich, dass es viele Tore geben wird, da beide Teams dieses Jahr bisher defensiv recht instabil waren und so ihre Schwäche kompensieren. Außerdem fehlt Real Sergio Ramos. Eine Prognose? Atalanta ist unerhört unberechenbar, unterschätzen darf man La Dea nie. Doch Real ist Favorit und wird sich wahrscheinlich durchsetzen – allerdings wohl eher knapp. 

Mögliche Aufstellungen:

Atalanta BC: Gollini – Djimsiti, Toloi, Caldara – Maehle, de Roon, Freuler, Gosens – Ilicic, Pessina (Malinovskyi) – Zapata

Real Madrid: Courtois – Vazquez, Varane, Nacho, Mendy – Casemiro, Kroos, Modric – Asensio, Vinicius Jr., Mariano

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(Photo by Valerio Pennicino/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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