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Weißt du noch? | 12. Mai 2012: Der BVB erledigt die Bayern und erklimmt den Fußballgipfel

11. Mai 2020 | Spotlight | BY 90PLUS Redaktion

Spotlight | Wir werfen einen Blick auf das DFB-Pokalfinale der Saison 2011/2012 zwischen Borussia Dortmund und Bayern München. Beide Teams befanden sich zu dieser Zeit auf dem Zenit ihrer Leistungsfähigkeit, Dortmund konnte eine Woche vor dem Endspiel die Deutsche Meisterschaft verteidigen, während die Bayern erwartungsvoll auf das Champions-League Finale dahoam blickten. Im Berliner Olympiastadion duellierten sich am 12. Mai 2012 die Platzhirsche des deutschen Fußballs und boten den Zuschauern ein torreiches Spektakel.

Wiederholungstäter: Klopp coacht Jupp aus

Dortmunds Trainer Jürgen Klopp schickte seine Mannschaft im damals gewohnten 4-2-3-1 System auf den Rasen. Ilkay Gündogan und Kapitän Sebastian Kehl bewachten im defensiven Mittelfeld die Viererkette um Lukasz Piszczek, Neven Subotic, Mats Hummels und Marcel Schmelzer, offensiv sollten Jakub „Kuba“ Blaszczykowski, Shinji Kagawa, Kevin Großkreutz und Robert Lewandowski für die nötige Torgefahr sorgen.

Klopps Gegenüber Jupp Heynckes wählte auf dem Papier die gleiche Formation, die sich im Spielverlauf durch Rochaden der Mittelfeldspieler flexibel zeigte. Philipp Lahm, Jerome Boateng, Holger Badstuber und David Alaba bildeten die Abwehrreihe, vor der sich die zentralen Mittelfeldakteuren Bastian Schweinsteiger, Luiz Gustavo und Toni Kroos aufbauten. Die gefürchtete Flügelzange um Franck Ribery und Arjen Robben sollte Stoßstürmer Mario Gomez in Szene setzen.

Wilder Beginn

Die erste halbe Stunde der Partie hatte von Beginn an einiges zu bieten. Zwei Tore, ein Elfmeter und ein verletzter Torwart (Roman Weidenfeller) sorgten für Spannung und Dramatik. Kagawa konnte seine Farben nach einem kapitalen Fehler im Münchener Defensivverbund bereits nach drei Minuten in Führung bringen, Robben sorgte jedoch gut zwanzig Zeigerumdrehungen später für den Ausgleich. Weidenfeller hatte Gomez kurz zuvor elfmeterwürdig im Strafraum zu Fall gebracht, den anschließenden Strafstoß verwandelte der Niederländer sicher.

Nach diesen aufreibenden dreißig Minuten beruhigte sich das Geschehen auf dem Rasen und Bayern übernahm weiter das Zepter. Dortmund zeigte sich gegen den Ball abwartend und zurückhaltend, überließ den Bayern ihren Spielaufbau nahezu ungestört und erwartete den Rekordmeister mit einem kompakten Pressing auf Höhe der Spielfeldmitte:

Dortmund formierte sich dabei in einem 4-4-2 bzw. 4-4-1-1 mit Kagawa und Lewandowski in vorderster Front. Beide versuchten dabei in erster Linie Pässe der Bayern ins Zentrum zu blockieren und vermieden es Badstuber und Boateng aggressiv anzulaufen. Bayern antwortete hierauf häufig mit einem abkippenden Schweinsteiger, der sich zwischen seine Innenverteidiger oder seitlich versetzt zum Defensivzentrum fallen ließ und mithalf, eine Lücke im Dortmunder Bollwerk zu finden. Der BVB machte den Bayern in dieser Phase die Offensivbemühungen und damit das Leben relativ schwer, mit zwei engen Viererketten verdichteten sie geschickt das Zentrum und machten das Pokalfinale zeitweise zu einem Geduldsspiel.

Kroos und Gustavo ließen sich in der Folge ebenfalls zurückfallen und forcierten Anspiele in der Spielfeldmitte. Nahm ein Akteur der Bayern den Ball dann mit Blickrichtung zum eigenen Tor an, war dies ein klares Signal für Kehl bzw. Gündogan, konsequent aufzuschieben und den Ballempfänger unter Druck zu setzen.

BVB: Bilderbuchhaftes Konterspiel

Durch diese Stabilität präsentierte sich der BVB defensiv im „feinsten Sonntagsanzug“. Ein weiteres und zugleich elementares Stilmittel waren die Doppelungen der Offensivspieler von Bayern München auf den Außenbahnen. Dies waren sozusagen die auf Hochglanz polierten Lackschuhe, die Dortmund besonders gerne aus dem Schrank hervorholte, wenn aufseiten des Gegners Ribery und Robben aufliefen. Die Laufstärke und Disziplin von Großkreutz und Blaszczykowski sorgten immer wieder für Verdruss bei Bayern, fast schon automatisiert fühlten sich die Vorgänge auf den Dortmunder Außenbahnen an, wenn Ribery oder Robben an den Ball kamen.

Doch die beste Defensive ist nichts ohne entsprechende Stärken im Angriff. Basistaktisch war Dortmund seinerzeit weniger auf Ballbesitz als mehr auf rasantes Umschaltspiel ausgelegt. Grundlegend für gefährliches Konterspiel ist naturgemäß eine hohe Spielgeschwindigkeit. Dies erfordert, dass sowohl der Ball im höchsten Tempo in die Angriffszone gebracht wird, als auch, dass die Spieler mutig und zielstrebig aufrücken. Vor dem 3:1 Führungstreffer zum Ende der ersten Hälfte benötigte der BVB lediglich handgestoppte 12-13 Sekunden und nur eine Handvoll Ballkontakte bis Lewandowski den Ball einschieben konnte.

(Photo by Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Hier sind klare Abläufe und Mechanismen von Nöten, um eine nahezu perfekte Kontermaschine, wie sie Dortmund zu dieser Zeit vorhalten konnte, auf den Rasen zu bringen. Dreh- und Angelpunkt war dabei in vielen Fällen Kagawa. Der Japaner hielt sich in Phasen ohne Ball anspielbereit, um nach einer Balleroberung als Zielspieler direkt bereit zu sein, den Angriff vorzutragen. Das 4:1 war dann eine Demonstration der Klopp’schen Paradedisziplin: Ballgewinn, Spielvortrag mit wenigen Kontakten und Abschluss in Tornähe. Kagawa wieder als zentrales Element im Umschaltmoment des BVB, der den Angriff in höchstem Tempo nach vorne trägt, Großkreutz in Szene setzt, der anschließend mit seinem finalen Pass auf Lewandowski einen Assist einheimste.

Alles in allem sorgte der BVB an diesem Abend mit seinen Umschaltangriffen für viel Torgefahr und hatte letztlich den Schlüssel zum Sieg in der Hand. Für Bayern bedeutete dies im Umkehrschluss eine verzwickte Lage. Waren sie im Ballbesitz, lauerte der schwarz-gelbe Kontrahent diszipliniert und gab über weite Strecken nur wenige Räume preis.

Im Falle des Ballverlusts war man den schnellen Gegenangriffen der Dortmunder ausgesetzt und musste daher stets die richtige Balance zwischen Offensive und Defensive bzw. Konterabsicherung finden. Wie es hätte klappen können, zeigten der eigentliche Favorit in Spielminute 33: Nach einer Balleroberung in eigener Hälfte, spielten die Bayern ebenfalls rasch nach vorne und gaben dem BVB damit keine Zeit sich zu formieren. Kroos konnte sich im Zwischenlinienraum zwischen den beiden Dortmunder Viererketten anspielbar postieren und per Doppelpass mit Lahm einen Angriff initiieren.

Fazit

Alles in allem war es ein Pokalfinale der besonderen Note. Das 5:2 fiel in letzter Konsequenz ein bis zwei Tore zu hoch aus, Bayern war über weite Strecken die spielerisch dominantere Mannschaft, konnte dieses Übergewicht aber nicht in Tore ummünzen. Dortmund hingegen zeigte seinen Highspeed-Fußball „par excellence“ und hatte zudem das Spielglück auf seiner Seite, um die Tore in den richtigen Augenblicken zu erzielen.

Doch für die Bayern war diese vernichtende Pokalniederlage der Beginn einer neuen Ära. Seit 2012 gewannen die Bayern fortan sieben Deutsche Meisterschaften in Folge und konnten ein Jahr später sogar das Triple holen.

Von Olaf (Footballyse)

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(Photo by INA FASSBENDER/AFP/GettyImages)


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