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Weißt du noch? | 22. Oktober 1997: Als der FC Bayern PSG mit 5:1 deklassierte

23. August 2020 | Spotlight | BY Marius Merck

Spotlight | Heute Abend bestreiten der FC Bayern und PSG das Champions-League-Finale für die Saison 2019/20. Schon in der Spielzeit 1997/98 duellierten sich beide Vereine in der Königsklasse. Damals schoss der Rekordmeister die Franzosen mit einer Packung aus dem Olympiastadion. Wir blicken zurück.

(Zur gesamten Bilanz zwischen PSG und dem FC Bayern gelangt ihr hier.)

FCB vs PSG vor 23 Jahren – unterschiedliche Voraussetzungen

Zwar konnte man bereits 1997 die beiden Klubs zu den besten ihres jeweiligen Landes zählen, die Gegebenheiten stellten sich dennoch anders dar: Der FC Bayern war schon zu diesem Zeitpunkt Rekordmeister, doch zum absoluten Inventar der damals noch jungen Champions League gehörten die Münchener nicht. Bis auf eine Halbfinal-Teilnahme 1995 konnte der FCB in dem 1992 eingeführten Nachfolgewettbewerb des Europapokals der Landesmeister sonst keine weitere Errungenschaft vorzeigen. Die letzte Gewinn darin datierte zu jenem Zeitpunkt von 1976. Überhaupt mussten sich die Bayern Mitte 1990er Jahre eher darum bemühen, den Status als Primus des deutschen Fußballes zu erhalten, gewann doch der BVB die Meisterschaften 1995 und 1996 sowie 1997 die Champions League.

(Photo by Bongarts/Getty Images)

Dagegen wirkten die Münchener Siege in der Bundesliga 1997 und im UEFA Cup 1996 fast schon mickrig. Durch die Unterbrechung der Dortmunder Meisterserie konnten die Bayern immerhin nach drei Jahren Abwesenheit 1997/98 wieder an der Königsklasse teilnehmen. Paris Saint-Germain, 1996 Gewinner und 1997 Finalist im Europapokal der Pokalsieger, gewann im gleichen Jahr nicht die nationale Meisterschaft, profitierte aber von einer Regel-Änderung: Ab der besagten Spielzeit waren durch eine Team-Aufstockung nicht nur die jeweiligen Champions der Ligen für den Wettbewerb qualifiziert, sondern auch die Vizemeister (nach erfolgreichen Qualifikationsspiele).

(Photo by Bongarts/Getty Images)

PSG hatte in der Saison 1996/97 in der Ligue 1 gegenüber der AS Monaco das Nachsehen gehabt und musste daher in die Qualifikation. Dort setzten sich die Pariser in einem Kraftakt gegen Steaua Bukarest durch: Eine 0:3-Niederlage im Hinspiel konnte man im Prinzenpark noch durch ein 5:0 drehen. Somit landete PSG mit dem FC Bayern, Besiktas und IFK Göteborg in der Gruppe E. Während die Bayern die ersten beiden Spiele souverän gewannen, patzten die Franzosen schon am zweiten Spieltag in Istanbul, weswegen man am dritten Spieltag in München bereits unter Druck stand.

Bayern & PSG im Sommer 1997: Viele Veränderungen in beiden Kadern

In ihren nationalen Wettbewerben war bei beiden Vereinen zu jenem Zeitpunkt alles in Lot. Die Bayern als Bundesliga-Titelverteidiger waren nach einem holprigen Start wieder in der Spitzengruppe vertreten. Es schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis der Abstand zu Aufsteiger Kaiserslautern an der Spitze aufgeholt war. Auch Paris konnte im Herbst 1997 zufrieden sein, führte man die Tabelle der Ligue 1 über große Teile der Vorrunde an.

Bei beiden Klubs hatte sich im Sommer im Bereich der Personalpolitik einiges getan: Die Bayern verpflichteten damals unter anderem Giovane Elber (VfB Stuttgart) oder Bixente Lizarazu (Athletic Bilbao), hatten aber auf der anderen Seite den Abgang von Jürgen Klinsmann (Sampdoria) zu verkraften. In der französischen Hauptstadt wogen die Wechsel des brasilianischen Weltmeisters Leonardo (AC Milan) sowie des französischen Nationaltorhüters Bernard Lama (West Ham) noch schwerer, auch wenn mit Marco Simone (AC Milan), Florian Maurice oder Franck Gava (beide Lyon) keine unbekannten Namen den Weg nach Paris fanden.

Zum Spiel: Bayern-Sturmduo erlegt PSG

Die Aufstellungen:

FC Bayern: Kahn – Kuffour, Helmer, Babbel – Hamann (71./Fink), Nerlinger – Basler (73./Zickler), Scholl, Tarnat – Elber, Jancker (75./Rizzitelli)

Trainer: Giovanni Trapattoni

PSG: Revault – N´Gotty (53./Rabesandratana), Roche, Domi (46./Llacer) – Le Guen, Rai – Fournier (60./Algerino), Leroy, Gava – Maurice, Simone

Trainer: Ricardo Gomes

Tore1:0 Elber (4./Jancker), 2:0 Jancker (20.), 3:0 Jancker (47./Elber), 3:1 Simone (48./Gava), 4:0 Helmer (50./Tarnat), 5:1 Elber (73./Fink)

Gelbe Karten: Basler – Roche, Fournier, Gava

Schiedsrichter: Manuel Diaz Vega

Zuschauer: 45.000 (n. ausverkauft)


Erste Halbzeit: Bayern überrollt PSG

Eigentlich wurden in dieser Begegnung zwei Teams auf Augenhöhe erwartet, wobei die Gäste wegen der tabellarischen Situation in der Gruppe den etwas größeren Druck hatten. Doch von dieser These wollten die Gastgeber recht wenig wissen. Schon nach vier Minuten spielte Mario Basler einen Ball durch eine Lücke in der Pariser Abwehr. Carsten Jancker, welcher in den Vorwochen zuvor Ruggerio Rizzitelli aus der Startelf verdrängt hatte, tauchte alleine vor Torwart Christophe Revault auf, doch im letzten Moment grätschte noch Laurent Fournier dazwischen. Der Ball prallte allerdings direkt zu Giovane Elber, welcher das Leder herrlich über den herausgeeilten Keeper ins Netz hob.

Revault sollte auch beim zweiten Bayern-Treffer im Mittelpunkt stehen: Nach zwanzig Minuten spielte Alain Roche einen unsauberen Rückpass zurück zu dem Torwart. Der Ball war hart getreten und prallte mehrfach auf. Man konnte schon während des Passweges durchaus erahnen, dass die Verarbeitung nicht einfach werden würde. Den gleichen Gedanken hatte offenbar Jancker: Als Revault den Ball annehmen wollte, prallte dieser unkontrolliert von seinem Fuß auf Brusthöhe ab. Der Keeper sah daraufhin 1,95m geballte Sturmpower aus Mecklenburg-Vorpommern auf sich zufliegen. Mit der Hacke, aber ohne Foulspiel, erzielte Jancker nach diesem kapitalen Fehler das 2:0. So ging es dann auch zum Pausentee.

(Photo by Bongarts/Getty Images)

Zweite Halbzeit: Bayern geben die perfekte Antwort auf PSG-Gegenwehr

PSG-Trainer Ricardo Gomes dürfte aufgrund der Unzulänglichkeiten in der Kabine getobt haben. Als wirkungsvoll entpuppten sich seine Maßnahmen aber keineswegs, denn der dritte Bayern-Treffer fiel kurz nach Wiederanpfiff, wieder mit großer Beteiligung von Revault: Der Torhüter erlebte seinen nächsten schwarzen Moment, als er einen Abwurf direkt Elber vor die Füße legte. Der Brasilianer schaltete schnell und steckte auf den freien Jancker durch, welcher den Ball gefühlvoll über den anstürmenden Revault hob. Die Vorentscheidung?

Nicht ganz, den nach diesen Treffer nahm sich die Bayern-Abwehr eine Auszeit. Franck Gava brachte nur eine Minute später den Ball flach in den Strafraum, wo Marco Simone seinem Bewacher Markus Babbel entschwand und Oliver Kahn keine Chance ließ. Der gleiche Tiefschlaf ereilte dann aber auch die französische Abwehr, denn nur wiederum eine Minute später war der alte Abstand wiederhergestellt: Einen langen Freistoß konnte Verteidiger Thomas Helmer ungestört im Gäste-Strafraum annehmen und vollenden, ausnahmsweise traf Revault dieses Mal keine Schuld.

Photo: Imago

Die Bayern ließen nun Ball und Gegner laufen, Trainer Giovanni Trapattoni vollzog außerdem innerhalb von fünf Minuten alle drei möglichen Auswechslungen. Den Schlusspunkt setzte eine Viertelstunde vor Abpfiff dann erneut Elber, welcher nach einem herrlichen Pass von Thorsten Fink keine Probleme vor Revault hatte. Als Schiedsrichter Manuel Diaz Vega nach 90 Minuten das Spiel beendete, verließen völlig gedemütigte Gäste das Münchener Olympiastadion. Die deutsche Presse feierte dagegen die Bayern und vor allem das Sturmduo Elber und Jancker.

Nachschau: Eine Saison zum Vergessen und der Weg zurück an die Spitze

Die Franzosen sollten die Schmach von München allerdings erstaunlich gut verkraften und entschieden das Rückspiel in Paris (3:1) sowie alle weiteren Gruppenspiele für sich. Die Bayern ließen die Zügel dagegen ein wenig schleifen und verloren außerdem noch zuhause gegen Göteborg. Am Ende hatten beide Vereine jeweils zwölf Punkte gesammelt, nur die Bayern kamen allerdings als Gruppenerster weiter, da PSG nicht zu den beiden besten Gruppenzweiten aus den insgesamt sechs Gruppen gehörte, welche das Viertelfinale komplettierten. Dort war dann für die Münchener bereits Endstation, ausgerechnet gegen Borussia Dortmund (0:0, 0:1 n. V.).

(Photo by Gunnar Berning/Bongarts/Getty Images)

Auch in der Bundesliga gelang die als sicher erachtete Aufgabe, den Rückstand auf Aufsteiger Kaiserslautern zu egalisieren, nicht. Die Pfälzer feierten sensationell den Gewinn der Meisterschaft, den Bayern blieb als Trostpreis lediglich der DFB-Pokal. Trapattoni musste gehen, Ottmar Hitzfeld übernahm im Sommer 1998 – und sollte die Champions League in den kommenden Jahren zu dem Lieblingswettbewerb des Klubs machen.

Noch schlimmer erging es den Franzosen: PSG verspielte eine starke Vorrunde mit einer katastrophalen Rückrunde, an deren Ende nur ein enttäuschender achter Platz (!) stand. Von da an wurden die Auftritte der Pariser in der Champions League seltener, auch wenn man in diesen sportlich tristen Jahren immerhin Zuschauer-Magneten wie Ronaldinho oder Jay-Jay Okocha in den Prinzenpark lotsen konnte. Erst mit der katarischen Übernahme im Sommer 2011 sollte sukzessive die Rückkehr auf die ganz große Bühne gelingen.

Die Krönung dieses (vielfach kritisierten) Weges könnte heute Abend, am 23. August 2020, in Lissabon erfolgen – gegen einen alten Rivalen, welcher mittlerweile (wieder) ein richtiges europäisches Schwergewicht ist.

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Photo: Imago

Marius Merck

Eine Autogrammstunde von Fritz Walter weckte die Leidenschaft für diese Sportart, die über eine (“herausragende”) Amateurkarriere bis zur Gründung von 90PLUS führte. Bei seinem erklärten Ziel, endlich ein “Erfolgsfan” zu werden, weiter erfolglos.


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