FC Porto vs Juventus – Stolpert man erneut gegen einen Außenseiter?

17. Februar 2021 | Champions League | BY Marius Merck

Vorschau | Der italienische Rekordmeister konnte den Wettbewerb seit 1996 nicht mehr gewinnen und hegt daher eine große Sehnsucht nach einem Triumph in der Champions League. In den letzten beiden Jahren scheiterte Juventus überraschend an Außenseitern. Erweist sich mit dem FC Porto erneut ein Underdog als Stolperstein?

Anpfiff der Partie ist am Mittwoch, 21:00 Uhr, die Highlights gibt es bei DAZN ab 23.30 auf Abruf (Registriere dich jetzt auf DAZN und erhalte einen Gratismonat).

  • FC Porto: Nationaler Titel-Hattrick in weiter Ferne
  • Juventus: Champions-League-Titel als große Sehnsucht
  • Außenseiter-Komplex bei den Italienern?

Vor der Partie zwischen dem FC Porto und Juventus haben wir uns außerdem die Einschätzung von Italien-Experte Marius Soyke, Redakteur bei transfermarkt.de und Moderator des Podcasts SERIEAMORE bei FUMS, eingeholt.

FC Porto: Bedenkliche Form – Titelverteidigung adé?

Die Drachen gehören zum ständigen Inventar der Königsklasse und sind auch in dieser Saison in der K.O.-Runde vertreten. Der FC Porto konnte den Wettbewerb bereits zwei Mal gewinnen. Dabei dürfte den meisten Beobachtern noch der sensationelle Triumph aus dem Jahr 2004 unter José Mourinho (58) in Erinnerung sein. Doch auch der Sieg 1987 gegen den damals haushohen Favoriten FC Bayern birgt reichlich Sensation in sich. Von solchen Sphären sind Außenseiter anno 2021 aufgrund der finanziellen Unausgeglichenheit im europäischen Fußball weit entfernt. Der Champions-League-Sieg von 2004 ist bis heute der letzte Sieg eines wirklichen Außenseiters in dem finanziell lukrativsten Wettbewerb dieser Sportart. Um den Briefkopf in kontinentaler Weise zu erweitern, dient heutzutage vornehmlich die Europa League. Eben diesen Wettbewerb gewann Porto im Jahr 2011 und krönte damit eine Dekade der absoluten Dominanz (alleine sieben Meisterschaften von 2003-2011).

(Photo by MIGUEL RIOPA/AFP via Getty Images)

Danach riss die Vorherrschaft der Dragoes in Portugal ein wenig ab. So sah man beispielsweise von 2014 bis 2019 gleich fünf Mal dem Rekordmeister Benfica in der Primeira Liga triumphieren. Mit den Double-Gewinnen 2018 und 2020 meldete sich Porto unter Trainer- und Vereinslegende Sergio Conceicao (46) in den letzten Jahren zurück. Mit der Titelverteidigung wird es allerdings wahrscheinlich wie schon vor zwei Jahren nichts werden. Denn der Meister liegt aktuell nach 19 Spielen mit 41 Punkten bereits zehn Punkte hinter dem Dauerrivalen aus Lissabon. Und die letzten Ergebnisse machen aktuell nicht viel Hoffnung, dass dieser Rückstand noch aufgeholt werden kann. In den letzten drei Partien teilte man sich in der Primeira Liga die Punkte. Dies kann angesichts der durchaus mangelnden Wettbewerbsfähigkeit einiger Teams fast schon als ellenlange Durststrecke qualifiziert werden.

Kann Porto Juventus tatsächlich gefährden?

In dem von Conceicao bevorzugten 4-4-2 fehlt in diesem Jahr definitiv die defensive Stabilität. Mit 21 Gegentreffern hat der Titelverteidiger bereits mehr als doppelt so viele Tore wie Benfica kassiert. „Offense wins games, defence wins championships“ – dieses Kredo trifft 2020/21 bisher vollends auf Porto zu. Denn mit 43 Treffern stellt man wiederum den besten Angriff der Primeira Liga. Dabei sticht Neuzugang und Stürmer Mehdi Taremi (28) heraus, der mit neun Toren und sieben Vorlagen diese beiden Kategorien mannschaftsintern anführt. In der Mittelfeldzentrale ist der überragende Spieler in diesem Jahr fraglos Sergio Oliveira (28/neun Treffer, vier Assists), der ebenfalls statistisch auf sich aufmerksam macht. Neben ihm brilliert der junge Fabio Vieira (20), der nach den Gesetzen des Marktes wohl nicht mehr lange in der Hafenstadt spielen dürfte.

Gleiches dürfte für Leistungsträger Jesus Corona (27) gelten, welcher wahrscheinlich nur wegen einem Jahrhundertereignis mit dem gleichen Namen noch für den Verein spielt. Neben den vielen Youngstern beinhaltet der Kader auch einen ordentlichen Schuss Erfahrenheit. Torhüter Agustin Marchesin (32), Ivan Marcano (33) oder der vielfache Champions-League-Sieger sowie Raubein Pepe (37) dürften nicht mehr allzu viele glorreiche Abende in der Königsklasse vor sich haben. Vor allem der portugiesische Europameister wird gegen seinen Kumpel CR7 besonders gefordert sein.

(Photo by MIGUEL RIOPA/AFP via Getty Images)

Die fraglos vorhandene Qualität brachte Porto vor allem in der Gruppenphase auf den Platz. In einer Gruppe mit Manchester City, Olympiakos Piräus sowie Olympique Marseille erreichte man ziemlich ungefährdet den zweiten Platz. Dabei erkämpften sich die Portugiesen mit viel Disziplin und Leidenschaft ein torloses Remis gegen die favorisierten Engländer. Die gleiche Marschroute dürfte Porto auch heute verfolgen. Denn laut Soyke hat Juventus „bisher vor allem Probleme gehabt, wenn Gegner sie förmlich niedergekämpft haben.“ Wenn das Pressing bei Porto gut funktioniere, „kann man der ersten Angriffswelle im Pirlo-System vielleicht ein wenig den Zahn ziehen.“ Durch ein „schnelles direktes Spiel in die Spitze“ bestünde zudem die Möglichkeit, „die Recken in der Verteidigung“ des Favoriten in Bedrängnis zu bringen.

 

Juventus: 25 Jahre Sehnsucht

1997, 1998, 2003, 2015 & 2017 – Juventus scheiterte seit dem letzten Sieg in der Champions League 1996 in gleich fünf Endspielen! In der Serie A hat man mittlerweile seit neun Jahren ein Dauer-Abonnement auf den Meistertitel. Umso mehr lechzt die Alte Dame nach einem Sieg in der Königsklasse. Zuletzt stand der italienische Rekordmeister 2017 im Endspiel gegen Real Madrid. Die 1:4-Pleite kann man vor allem an Cristiano Ronaldo (36) mit einem Doppelpack festmachen. Nachdem der Portugiese Juventus auch ein Jahr später aus dem Wettbewerb schoss, verpflichtete man im Sommer 2018 eben diesen.

Wenn man schon mehrere Dekaden auf den großen Wurf in diesem Wettbewerb wartet, so macht es durchaus Sinn, den besten Champions-League-Torschützen aller Zeiten zu verpflichten. Insofern munkelt man spätestens seit dem Ronaldo-Transfer, was für die Vecchia Signora (inoffiziell) Priorität besitzt. Diese These möchte auch Soyke so nicht von der Hand weisen. „Man konnte fast ein wenig den Eindruck gewinnen, aber ich denke nicht, dass bei Juventus jemand offen zugeben würde, dass sie die Liga der Champions League wirklich unterordnen würden.“ Die Verpflichtung von Ronaldo sei in diesem Kontext natürlich „speziell“, aber Juve besitze sowieso den Anspruch, „alles zu gewinnen.“ Der mehrfache Weltfußballer liefert seit seiner Ankunft konstant und (über)erfüllt auch im gesetzten Alter die Erwartungen.

Allerdings blamierte sich Juventus auf europäischer Bühne gleich zwei Mal mit CR7. So schied Juventus 2019 gegen Ajax und 2020 gegen Lyon aus. Den Trainern Max Allegri (53) und Maurizio Sarri (61) wurde dieses Scheitern zum Verhängnis. „Nach Jahren der Kontinuität war Juventus mit Allegri auf einem hohen Niveau ein wenig „festgefahren“, ohne sich merklich weiterzuentwickeln. Den Schritt mit einem neuen Trainer zu versuchen, konnte ich damals verstehen“, blickt Soyke zurück. Allerdings habe Sarri „als Typ“ nicht nach Turin gepasst und „die Mannschaft mit der Zeit immer weiter verloren und es nie geschafft, sein spezielles System zu implementieren.“ Aus diesen Gründen sei das Projekt auch „krachend“ gescheitert. Deshalb steht seit dem vergangenen Sommer mit Andrea Pirlo (41) ein Trainer an der Seitenlinie, dessen Verpflichtung als Spieler 2011 die bis heute anhaltende nationale Dominanz einleitete.

Juventus: Unter Pirlo noch auf der Suche

Ob diese Vorherrschaft weiter Bestand hat, darf bei acht Punkten Rückstand auf den Tabellenführer Inter in der Serie A bezweifelt werden. Für Soyke sollte man dennoch nicht vorschnell die falschen Schlüsse ziehen. „Es war von vornherein klar, dass man ihm Zeit geben muss. Pirlo ist ein sensationeller Spieler gewesen, das muss man wohl nicht mehr groß darlegen. Er scheint auch als Trainer in der Lage zu sein, die richtigen Schlüsse aus bestimmten Entwicklungen zu ziehen.“ Gerade in den letzten Spielen wäre dies deutlich bemerkbar gewesen. „Anfangs holperte es gerade defensiv extrem. Das konnte er zuletzt abstellen, ohne an der Gefährlichkeit von CR7 einzubüßen. Juventus ist aktuell wieder auf dem Weg zu einer dominanten Form, die man von dem Klub kennt. Die Coppa-Spiele gegen Inter oder in der Liga gegen die Roma haben das gezeigt.“

Für diese Entwicklung „musste Juve den einen oder anderen Punkt liegen lassen. Mittlerweile scheint, auch wenn es sicher in diesem Jahr immer mal wieder stottern wird, eine gewisse Routine drin zu sein. Die Mannschaft hat verstanden, worum es ihm geht.“ Zudem wäre der Rückstand auf die Mailänder Tabellenspitze „trotz der anfänglichen Schwächephase“ mit zusätzlich einem Spiel in der Hinterhand überschaubar. Das von Soyke angesprochene Stottern machte sich aber gerade erst am Wochenende bemerkbar, als die jüngste Serie durch eine 0:1-Pleite in Neapel riss. Die letzten Wochen können vom Anhang dennoch positiv betracht werden, denn Pirlo scheint mit dem 4-4-2 seine bevorzugte Formation gefunden zu haben.

(Photo by Claudio Villa/Getty Images)

Dabei hebt Soyke besonders die Neuzugänge Weston McKennie (22), Federico Chiesa (23) und Arthur (24) hervor. „McKennie ist mit seiner Dynamik und seiner Kraft ein Riesengewinn. Arthur kommt mit seiner Ballsicherheit immer besser zurecht. Chiesa bringt mit Schnelligkeit und Kampf auf den Außen sicher eine weitere Komponente, die es vorher noch nicht so gegeben hat.“ Dadurch habe Juventus vor allem „die Präsenz im Mittelfeld“ gestärkt. Auch in der Defensive sieht Soyke den Rekordmeister durch die jungen Matthijs de Ligt (21) und Merih Demiral (22) langfristig gut aufgestellt. Etwas bedauerlich betrachtet er dagegen die anhaltenden Verletzungsprobleme von Paulo Dybala (27). „Bis zu seiner Verletzung hatte auch er sich aber positiv entwickelt und wieder mehr Spielfreude an den Tag gelegt. Er könnte das Geniale bringen, das der derzeit recht seriösen und geradlinigen Spielweise etwas abgeht“, so Soyke zu dem Argentinier.

Juventus: Endlich der große Wurf?

Ob für Juventus trotz dieser positiven Entwicklung der ersehnte Triumph möglich ist, bezweifelt Soyke durchaus. An einem guten Tag könne man zwar „jeden schlagen.“ Dies tat man zum Beispiel eindrucksvoll in der Gruppenphase gegen beim FC Barcelona (3:1). Allerdings wären Kaliber wie „Bayern und Man City sicher etwas favorisiert.“ Auch Mannschaften wie PSG sieht Soyke „aktuell noch eine Kategorie weiter oben.“ Jedoch müsse auch bedacht werden, dass in dieser speziellen Saison mit dem Corona-Hintergrund bisher kein Team „so richtig“ heraussteche.

 

Prognose

Trotz der Enttäuschung vom Wochenende dürfte Juventus mit einer besseren Form als Porto in die Begegnung gehen. Für die Gastgeber gilt es, die bestehenden Probleme in der Defensive in den Griff zu kriegen. Dies dürfte gegen CR7 & Co. eher ein hoffnungsloses Unterfangen werden. Daran ändern auch die jüngsten Probleme der Italiener mit vermeintlichen Underdogs nichts.

 

Mögliche Aufstellungen

FC Porto: Marchesin – Manafa, Mbemba, Pepe, Sarr – Corona, Oliviera, Uribe, Diaz – Marega, Taremi

Juventus: Szczesny – Danilo, Bonucci, De Ligt, Alex Sandro – Chiesa, Bentancur, Rabiot, McKennie – Ronaldo, Morata

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(Photo by MIGUEL MEDINA/AFP via Getty Images)

 

 

Marius Merck

Eine Autogrammstunde von Fritz Walter weckte die Leidenschaft für diese Sportart, die über eine (“herausragende”) Amateurkarriere bis zur Gründung von 90PLUS führte. Bei seinem erklärten Ziel, endlich ein “Erfolgsfan” zu werden, weiter erfolglos.


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