Premier League Vorschau Teil 4: ManCity, Southampton, Everton, Leeds

10. September 2020 | Saisonvorschauen | BY 90PLUS Redaktion

In wenigen Tagen rollt der Ball in der Premier League wieder! In Teil vier unserer 90PLUS-Saisonvorschau beschäftigen wir uns mit Manchester City, dem FC Southampton, dem FC Everton und Leeds United.

  • Manchester City will den Titel gewinnen
  • Everton: Ambitionierte Toffees
  • Leeds United und Bielsa wollen begeistern

Teil 1: Tottenham, Wolverhampton, Burnley, Crystal Palace

Teil 2: Chelsea, Arsenal, Leicester, Fulham

Teil 3: Man. United, Sheffield, West Brom, Newcastle United

Manchester City

Letzte Saison: 2. Platz

Pep Guardiola (49) und seine Mannschaft erlebten in der letzten Saison eine insgesamt enttäuschende Spielzeit. In der Premier League kam man nicht an Liverpool vorbei, der FA Cup wurde gegen Arsenal verspielt und in der Champions League war Olympique Lyon der Endgegner. Nach und nach kommt Kritik am Cheftrainer hervor, der sich, so die Experten, gegen Lyon maßlos „vercoachte“.

Der ehrgeizige Spanier steht jedoch zu seinen Fehlern und ist motiviert, die kommende Spielzeit mit so vielen Titeln wie möglich zu beenden. Gerade in der englischen Beletage hat man mit Liverpool noch ein Wort zu bereden, weshalb man mit voll-motivierten „Cityzens“ rechnen darf.

(Photo by Laurence Griffiths/Getty Images)

ManCity: Verstärkungen für die Defensive

Obwohl man sich die meisten Chancen der Liga herausspielte, enteilte Liverpool um 18 Punkte. Eine Ursachenanalyse ist schnell getan. Man ließ die gewohnte Effizienz vermissen, spielte zu inkonstant und machte in der Defensive schlichtweg zu viele Fehler.

Nachdem sich Aymeric Laporte (26) zu Beginn der Saison früh verletzte, ahnten die ersten Fans aus Manchester bereits Böses. Mit Nicolas Otamendi (32) erhielt ein Unsicherheitsfaktor seine Einsätze, zudem musste Fernandinho (35) auf die Innenverteidiger-Position ausweichen. Der talentierte, aber unerfahrene Eric Garcia (19) musste oftmals ran, John Stones (26) konnte sein Potenzial nie konstant unter Beweis stellen. Der Entschluss, Vincent Kompany (34) im Sommer 2019 nicht zu ersetzen, holte die Verantwortlichen ein.

Mit Nathan Aké (25) sicherte man sich nun endlich die Dienste eines Innenverteidigers, der für 45 Millionen Euro von Absteiger Bournemouth kommt. Der Niederländer ist ein guter Zweikämpfer, robust und für einen Defensivspieler überraschend schnell. Aké entwickelte sich nach seinem Abschied vom FC Chelsea zu einem der vielversprechendsten Abwehrspieler der Liga, kämpfte in den letzten Jahren in einer schwachen Defensive allerdings mit Formschwankungen.

Nichtsdestotrotz steht Guardiola nun ein gestandener Verteidiger zur Verfügung, glaubt man den Gerüchten, könnte mit Kalidou Koulibaly (29, Napoli) ein weiterer kommen. Die anfällige Defensive wäre auf dem Papier saniert, wenngleich hinten links ein Konkurrent für Benjamin Mendy (26) wünschenswert ist.

(Photo by Steve Bardens/Getty Images)

Torres ersetzt Sane – Qualität im Mittelfeld

Vor der Champions-League-Endrunde hatten die „Skyblues“ in der Personalie Leroy Sane (24) auch endlich Gewissheit, als klar wurde, dass der deutsche Nationalspieler zum FC Bayern in die Bundesliga wechseln wird. Mit dem 24-Jährigen verliert City zwar nicht einen absoluten Stammspieler, aber Qualität für die Außenbahnen. Der hoch-talentierte Ferran Torres (20) soll diese Lücke füllen. Der Spanier kommt für 20 Millionen Euro vom krisengebeutelten FC Valencia. Torres (20 hat mit Bernardo Silva (26), Riyad Mahrez (29) und Raheem Sterling (25) eine Vielzahl an Konkurrenten, agiert allerdings deutlich zielorientierter, was bei der mangelnden Effizienz des Vorjahrs für Einsätze sprechen könnte.

Man darf auch in der kommenden Saison weitestgehend ein 4-4-3 erwarten, indem die Mannen von Guardiola auf Ballbesitz und schnelle Balleroberungen gehen werden. Den Takt vorgebe

Mit Rodri (24) und Ilkay Gündogan (29) duellieren sich zwei ausgewiesene Star-Spieler um die Position als etwas abkippenden, spielaufbauenden Mittelfeldspieler. Der Deutsche erhielt in der letzten Spielzeit meist den Vorzug, da Rodri noch nicht richtig angekommen schien. Auch wenn beide unterschiedliche Stärken/Schwächen mitbringen, ist in den meisten Spielen nur für einen der beiden Platz in der ersten Elf. An ihrer Seite fand sich bereits letzte Saison immer seltener David Silva (34), der den Verein nach zehn Jahren verlässt. Der geniale Spielmacher sucht bei Real Sociedad eine neue Herausforderung und hinterlässt, auch als Führungsspieler, große Fußstapfen. Englands Nachwuchshoffnung Phil Foden (20) soll sein Nachfolger werden.

Davor wird wieder einmal alles über Kevin de Bruyne (29) gehen. Der Belgier spielt konstant auf Weltklasse-Niveau und wird gefragt sein, wenn es in die wichtigen Spiele gegen andere Top-Mannschaften geht. Ein De Bruyne in Topform ist ein legitimer Anwärter für den Ballon d’Or. Sein Abnehmer im Sturm wird erneut Serigo Agüero (32) sein: Einer der besten Stürmer in der Geschichte der Premier League, allerdings in fortgeschrittenem Alter und verletzungsanfälliger. Gabriel Jesus (23) könnte gefragt sein, einen weiteren Schritt nach vorne zu machen.

(Photo by Jan Kruger/Getty Images)

Im Fokus: Phil Foden

Durch den Abgang von David Silva hat Phil Foden (20) die große Möglichkeit, sich in der ersten Elf und im bevorzugten Zentrum fest zu spielen.

Der 20-Jährige scheint sich einiges bei Silva abgeschaut zu haben. Foden brilliert mit seiner Übersicht, Passgenauigkeit, seinem Dribbling und – anders als sein Mentor – mit einem eiskalten Abschluss.

Pep Guardiola nannte den quirligen Mittelfeldmann einst das größte Talent, mit dem er jemals gearbeitet hat und dieser trainierte bekanntlich einen gewissen Lionel Messi. 2020/2021 könnte Fodens Stern endgültig aufgehen.

(Photo by Anthony Devlin / AFP)

Prognose

Einige Schwachstellen der Skyblues wurden und werden adressiert, sodass Manchester City 2020/2021 einen deutlich ernsteren Konkurrent zum FC Liverpool darstellen sollte. Gelingt es Guardiola, Effizienz und Konstanz wieder auf das allerhöchste Level zu heben, und den Verlust eines weiteren Führungsspielers zu kompensieren, ist sein Team wohl sogar der Favorit auf den Titel.

Hendrik Wiese

FC Southampton

Letzte Saison: 11. Platz

Nachdem Ralph Hasenhüttl den FC Southampton 2018/2019 vor dem Abstieg bewahrte, sollte es an der Südküste Englands trotz eines eher durchwachsenen Transferfensters 2019/2020 deutlich ruhiger werden. Nach zehn Spieltagen schien das Gegenteil einzutreten. Die Saints verloren zu Hause mit 0:9 gegen Leicester City: Die höchste Niederlage der Vereinsgeschichte und der Tiefpunkt für den Österreicher in der Premier League. Southampton war erneut im Keller angelangt.

Doch die Vereinsführung erkannte, dass Hasenhüttl eine Vision hatte, hielt an ihm fest und wurde dafür belohnt. Die Saints kehrten zu ihren spielerischen Prinzipien zurück und stabilisierten sich auch dank der 22 Saisontore von Danny Ings (28). Am Ende stand Rang elf zu Buche, ganz ohne Abstiegsangst.

(Photo by Mike Hewitt/Getty Images)

Southampton: Zurück zum Ausbilderverein?

Als Virgil Van Dijk (29) den FC Southampton im Januar 2018 für 85 Millionen Euro für den FC Liverpool verließ, entstand im Abwehrzentrum eine Lücke, die bis heute nicht geschlossen wurde.

Ein 21-Jähriger soll nun allmählich in die Fußstapfen des Niederländers treten und dabei helfen, die sechstschwächste Defensive der Vorsaison wieder zu stabilisieren: Mohammed Salisu (21), der für zwölf Millionen Euro von Real Valladolid an Land gezogen wurde. Nur ein Jahr nachdem der Innenverteidiger sein Profi-Debüt gab. Neben Rechtsverteidiger Kyle Walker-Peters (23), der nach seiner eindrucksvollen Leihe für 13 Millionen Euro von Tottenham verpflichtet wurde, ist Salisu bislang die einzige nennenswerte Verpflichtung des Sommers.

Die großen Transfers waren ohnehin nie geplant. Southampton will wieder „back to the roots“ und seinem Ruf als einer der besten Ausbildungsvereine der Insel treu sein. Es gilt den nächsten Theo Walcott, Alex Oxlade-Chamberlain, Adama Lallana oder Gareth Bale zu entdecken. Mit Mittelfeldspieler Will Smallbone (20), Jake Vokins (29) und Alex Jankewitz (18) stehen gleich mehrere hoffnungsvolle Spieler in den Startlöchern.

(Photo by Neil Hall/Pool via Getty Images)

Bis zum Transferschluss dürfte Southampton dennoch aktiv werden, zumal mit dem ehemaligen Leitwolf Pierre-Emile Höjbjerg (25) im zentralen Mittelfeld eine wichtige Komponenten für knapp 17 Millionen Euro an Tottenham verloren wurde. Die spektakulären Neuverpflichtungen wird es aber nicht geben. Es gilt, sich perspektivisch und sinnvoll zu verstärken, mit Spielern, die ins Anforderungsprofil des Trainers passen. Denn Ralph Hasenhüttl ist der Hoffnungsträger, ihm gebührt grenzenloses Vertrauen, er legt die Blaupause für die Zukunft. Das zeigt alleine die Vertragsverlängerung bis 2024.

Southampton: Ralph Hasenhüttl als Hoffnungsträger

Im Zentrum der Planungen ist Hasenhüttls klare Spielphilosophie: Viel Energie, viel Laufarbeit, giftig im Zweikampf, aggressives und schonungsloses Pressen. Nach dem Tief zum Saisonbeginn kehrten die Saints zu diesen Prinzipien zurück. Zum Saisonende hatte der FC Southampton (auch während des Spiels) zwar verschiedene Formationen, aber eine in Stein gemeißelte Identität. Die siebtmeisten Punkte seit dem 0:9-Debakel und die drittmeisten seit dem Restart sprechen eine klare Sprache.

Die Ausrichtung schont zwar die wackelige Innenverteidigung um Jan Bednarek (24) und Jack Stephens (26). Um 2020/2021 allerdings den nächsten Schritt zu machen, muss die Mannschaft nicht nur konstanter sondern vor allem facettenreicher werden. Es fehlt Kreativität im Mittelfeld, gerade gegen Teams, die auf Ballbesitz verzichten und somit Southamptons größte Stärke neutralisieren: Das offensive Umschaltspiel.

(Photo by Neil Hall/Pool via Getty Images)

Der Verlust von Höjbjerg tut zwar weh, gibt den Saints nun aber die Gelegenheit, die Rolle mit einem Spieler zu besetzen, der spielstärker ist und die Kreativität ankurbeln kann. Die Verschiebung des neuen Kapitäns James Ward-Prowse (25) oder Stuart Armstrong (28) vom Flügel in die Zentrale zeigte dabei erste Früchte. Eine weitere Verstärkung für das Zentrum wäre allerdings hilfreich. Darüber hinaus bedarf es mehr Produktivität der offensiveren Spieler: Nathan Redmond (26, vier Tore & vier Assists), Stuart Armstrong (28, fünf Tore & drei Assists) und vor allem von den letztjährigen Top-Neuzugängen Moussa Djenepo (22, zwei Tore, zwei Assists) und Che Adams (24, vier Tore & drei Assists).

Danny Ings ist trotz seiner besten Ausbeute von 22 Saisontoren keine Eintagsfliege. Hasenhüttl währe dennoch gut beraten, die Treffer und deren Entstehung breiter zu verteilen, zumal der Engländer in der Vergangenheit des Öfteren von Verletzungen heimgesucht wurde.

Im Fokus: Danny Ings

An dieser Stelle führt kein Weg an Danny Ings vorbei. Keine Mannschaft war 2019/2020 so abhängig von den Toren eines Spielers wie Southampton. 22 der insgesamt 51 Saisontore gingen auf das Konto von Ings, stolze 43,1 Prozent.

Ob nach einem schnellen Gegenangriff, einer Einzelaktion oder nach einem Standard. Der 28-Jährige strotzt nur so vor Torgefahr und hat einen tödlichen Abschluss. Doch Ings, der nach verletzungsgeplagten Jahren bei Liverpool endgültig aufgeblüht ist, kann mehr, als „nur“ Tore schießen. Er ist die Speerspitze des Pressings, beackert die gegnerischen Abwehrspieler unermüdlich und hilft dabei, Fehler zu erzwingen.

Bleibt Ings von Verletzungen verschont, sollte er erneut ein Wörtchen bei der Vergabe der Torjägerkanone mitreden, der Schlüsselspieler seiner Mannschaft sein und womöglich auf den EM-Zug der englischen Nationalmannschaft aufspringen können.

(Photo by ADAM DAVY/POOL/AFP via Getty Images)

Prognose

Der FC Southampton hat dank Ralph Hasenhüttl eine klare Philosophie. Allein das wird dafür sorgen, dass den Saints ein erneuter Flirt mit der Abstiegszone erspart bleiben wird. Der Verein ist auf dem richtigen Weg, die verbleibenden Wochen auf dem Transfermarkt werden aber entscheiden, wie schnell dieser in die obere Tabellenhälfte führen wird.

Chris McCarthy

FC Everton

Letzte Saison: 12. Platz

Die „Toffees“ blicken auf eine Spielzeit zurück, die dann doch unter den Erwartungen und Hoffnungen des letzten Sommers blieb. Marco Silva (43) ging in seine zweite Saison als Everton-Cheftrainer und man versprach sich eine fortschreitende Entwicklung unter dem portugiesischen Coach. Doch diese blieb aus. Vor Beginn der Spielzeit galt das blaue Team Liverpools für manche als Geheimfavorit auf einen Platz unter den ersten Sieben, doch diese Einschätzung sollte sich recht schnell erledigen.

Man trat oft uninspiriert auf, spielerisch waren unter Silva eher Rück- als Fortschritte zu sehen. Folgerichtig endete die Zusammenarbeit mit dem Coach dann auch vorzeitig und anders als erhofft. Am 22.12.2019 trat ein neuer Trainer sein Amt an: Carlo Ancelotti (61). Ein großer Name, der auch mit der Hoffnung verbunden war und ist, dass Everton sich nicht nur stabilisiert, sondern tatsächlich ernstzunehmender Konkurrent im oberen Tabellendrittel wird. Doch dafür muss sich vieles ändern.

(Photo by FRANCK FIFE/AFP/Getty Image

Everton: Ambitionierte Transfers

Man kann Everton in den letzten Jahren vieles vorwerfen, Ambitionslosigkeit zählt allerdings nicht zu den Sachen, an denen es an der Merseyside mangelt. Nach einem guten Start unter Ancelotti, wurde spätestens nach dem Restart deutlich, dass man diese Ambitionen nicht erfüllen kann, wenn man nur den Trainer ersetzt.

Der Italiener wirkte teilweise selbst überrascht, wie kraftlos seine Mannschaft auftrat. Es war recht schnell klar, dass der Coach ein Transferfenster benötigt, indem ihm genau das Spielermaterial zur Verfügung gestellt wird, welches er für sein bevorzugtes 4-4-2-System benötigt. Und Everton scheint bereit, die benötigten Investitionen zu tätigen.

Schon drei namhafte Transfers wurden am Goodison Park in diesem Sommer getätigt, alle für das Mittelfeld: Es ist kein Zufall, dass Ancelotti gerade diesen Teil des Feldes verstärken möchte. Die statischen Auftritte der Toffees nach dem Restart waren vor allem aufgrund der mangelnden Kreativität der Mannschaft schwer zu beobachten.

Mit Abdoulaye Doucoure (27) kommt ein Wunschspieler Evertons endlich in den Verein, der Abstieg Watfords scheint den Transfer final möglich gemacht zu haben. Der Franzose ist Premier League erfahren und bringt neben körperlicher Robustheit einen besonderen Drang ins vordere Drittel mit. Eine ähnliche Typ-Beschreibung trifft auch auf den zweiten Neuzugang zu, es ist ein alter Bekannter des Coaches.

(Photo by PIERRE-PHILIPPE MARCOU/AFP via Getty Images)

Nach seiner Zeit in Neapel wird Ancelotti erneut die Möglichkeit haben, mit Allan (29) zusammenzuarbeiten. Der Brasilianer erarbeitet sich in der Serie A einen ausgezeichneten Ruf und ist einer der Spieler, die man im Gesamtpaket schon immer gerne in der englischen Liga begutachtet hätte.

Zusätzlich zu diesen beiden Transfers, die sicherlich nicht nur für den feinen Ball, sondern auch für ihre Ausstrahlung und Robustheit verpflichtet wurde, folgte die Kür: Den Mangel an Kreativität soll einer von Ancelottis absoluten Lieblingsspielern beheben – James Rodriguez (29). Nach Episoden bei Real Madrid und dem FC Bayern München arbeiten die Trainer und Spieler nun zum dritten Mal zusammen und der Kolumbianer könnte tatsächlich zum Schlüssel im Offensivspiel Ancelottis werden.

Zu wenig Tore, zu wenig Motivation

Einerseits liegt dies an der unbestrittenen Qualität von James Rodriguez, andererseits an der nüchternen Erkenntnis, dass die Qualität des Offensivspiels bis jetzt auch einfach nicht ausreichend war. Alex Iwobi (24), teurer Neuzugang des letzten Sommers, steuerte lediglich ein Tor bei. Bernard (28) war mit drei Toren der drittbeste Torschütze (!) der Toffees. Der mit Spannung erwartete Moise Kean (20) lief nur sechs Mal auf und traf mickrige zwei Mal. E

verton braucht schlichtweg mehr Gefahr vor dem Tor. Ancelotti hat von Beginn an seinen Fokus auf die Defensivarbeit gelegt, doch ohne ein deutlich verbessertes Offensivspiel wird diese Episode seiner Trainerkarriere nicht gut ausgehen. Ein James Rodriguez könnte der Schlüssel zu einer Belebung des Angriffspiels sein.

(Photo by PAUL ELLIS/AFP via Getty Images)

Die schlechte Nachricht für alle Anhänger des Teams von der Merseyside: Nicht nur in der Offensive muss eine Steigerung her. Denn auch wenn Ancelotti die Basis seiner Arbeit in einem defensivstarken 4-4-2 sieht, brach die Mannschaft in der letzten Saison teilweise regelrecht ein und enttäuschte auch, was die die Verteidigung angeht.

Das muss nicht unbedingt Ausdruck spielerischer Mängel sein, die Mannschaft wirkt einfach undiszipliniert und motivationslos. Dies sprach Ancelotti nach dem letzten Saisonspiel genauso an, wie sein Kapitän Seamus Coleman (31). Auch hier scheint die Verpflichtung gestandener Spieler eine bewusste Entscheidung zu sein, um den Mangel an Führung und Mentalität der letzten Spielzeit aufzufangen.

Wäre die echte Welt ein Fußballmanager-Spiel, würde Ancelotti also wohl bei Weitem nicht mit drei Neuverpflichtungen aufhören, um sich das Team wirklich nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Nach Investitionen in Höhe von rund 75 Millionen Euro wird in der Realität allerdings abzuwarten sein, ob die „Toffees“ noch weitere, signifikante Deals verkünden werden. Ancelotti hat Spieler bekommen, die er wollte. Dennoch liegt vor dem Italiener eine ganze Menge Arbeit.

Im Fokus: Richarlison

Logischerweise steht an dieser Stelle Richarlison (23). Warum logischerweise? Der Brasilianer ist mit Abstand der beste Torschütze Evertons, erzielte immerhin 13 Treffer in der Saison 2019/2020 und wiederholte damit seinen Wert aus der Vorsaison. Doch auch diese Zahlen sind nicht ausschlaggebend dafür, dass der Brasilianer eine entscheidende Rolle bei Everton zu spielen hat. Es ist die simple Tatsache, dass Richarlison der wohl bei Weitem beste Spieler der Offensive im Goodison Park ist. Pfeilschnell, ballsicher und intelligent präsentiert sich der Stürmer.

(Photo by Jan Kruger/Getty Images)

Nach zwei Jahren auf gutem Niveau scheint zudem die Zeit gekommen, auch in seiner Entwicklung den nächsten Schritt zu beobachten. Mit einem deutlich verstärkten Mittelfeld im Rücken, sollte der Angreifer mehr denn je von seiner Geschwindigkeit und Bewegung im Raum profitieren können. Einzig bei der Chancenverwertung wirkt Richarlison noch nicht immer sicher. Genau hier muss der 23-Jährige nun auch zulegen, dann sollten die Chancen gut stehen, die 13 Tore der letzten beiden Jahre zu überbieten. Und wie weiter oben beschrieben: Everton braucht Tore.

Prognose

Everton hat auch mit neuem Mittelfeld weiterhin einen weiten Weg vor sich, um die eigenen Ambitionen zu erfüllen. Sollte alles wie geplant ineinander greifen, könnte die Mannschaft von Ancelotti schon in diesem Jahr eine Teams von Oben ärgern. Sich selbst dazu zu zählen – dafür wird es noch mehr Zeit sowie weitere und vor allem sinnvolle Transfers brauchen. Am Ende dürften die Toffees die Platzierung des letzten Jahres verbessern und zwischen Platz 10-8 rangieren.

Julius Eid

Leeds United

Letzte Saison: Aufstieg

Für die Anhänger der Whites ist die 16 Jahre andauernde Leidenszeit endlich vorbei: Leeds United ist in die Premier League aufgestiegen! Nachdem der Traditionsklub zwischenzeitlich sogar in die drittklassige Ligue One abstieg, darf man sich nun wieder mit der Elite des Landes messen. Hauptverantwortlich dafür ist Trainerlegende Marcelo Bielsa (65). 

Nach 46 Spieltagen hatte Leeds United 93 und damit zehn Punkte mehr als Vizemeister West Bromwich Albion auf dem Konto. Die Mannschaft des ambitionierten Argentiniers hat die komplizierte Aufgabe nach der herben Enttäuschung der vorherigen Saison souverän gemeistert. Auch die Coronapause brachte sie nicht mehr aus dem Rhythmus. Eine herausragende Saison der Whites.

Leeds unter Bielsa: Attraktiv und diszipliniert

Zu Bielsa könnte man viele Geschichten erzählen. Er hat eine ganze Generation an Trainern geprägt, die seine Ideen in ihren Teams implementierten. Auch das Original ist für den modernen Fußball geeignet. Am liebsten lässt er seine Elf in einem 4-1-4-1 auflaufen, aber seine Mannen haben auch das 4-2-3-1 und diverse Ausrichtungen mit einer Dreierkette gut verinnerlicht.

Leeds ist taktisch flexibel, aber die Grundattribute der Mannschaft bleiben gleich: Das Team rund um Kapitän Liam Cooper (29) legt ein hohes und aggressives Pressing an den Tag, zeigt im Ballbesitz viele Positionswechsel und präsentiert dabei höchst fluide Abläufe. Ergebnis: (Zweitliga-)Meistertitel, beste Defensive und zweitbeste Offensive.

(Photo by Michael Regan/Getty Images)

Eines der taktischen Lieblingsmittel der Whites ist das Überladen. So erhöhen sie in bestimmten Situationen die Anzahl ihrer Spieler in Ballnähe, zeigen dort schnelle Kombinationen und suchen dann auch gerne mal Anspielstationen, die sich dann heimlich der überladenen Zone und damit auch den Gegenspielern entzogen haben. Das Spiel der Bielsa-Elf ist darauf angewiesen, dass sich das Team als disziplinierte Einheit präsentiert. Und das ist in der vergangenen Spielzeit mehr als gut gelungen. 

Leeds: Gerüst (fast) beisammengehalten

Der bereits erwähnte Cooper ist als Innenverteidiger gesetzt und geht als Führungsspieler mit guten Leistungen voran. An ihm gibt es keinen Weg vorbei. Dies gilt genauso für Kalvin Phillips (24) auf der „Sechs“, er ist das Metronom der Whites. Dass sie ihn halten konnten, war extrem wichtig. Er hält der Offensive den Rücken frei und ist die erste Station im Spielaufbau. Mittlerweile ist er auch Nationalspieler Englands.

Im offensiven Mittelfeld befindet sich das spielerische Herz des Aufsteigers. Routinier Pablo Hernandez (35) dirigiert die Angriffe der Bielsa-Elf und ist vermutlich der prägendste Akteur der Mannschaft. Er strahlt eine hohe Kreativität aus und verleiht dem Spiel das gewisse Extra. Ohne ihn ist Leeds deutlich vorhersehbarer. Als Mittelstürmer agiert Patrick Bamford (27), der 16 Tore in der Liga erzielte und viel für die Mannschaft arbeitet. Seine Defensivarbeit ist nicht zu unterschätzen, auch wenn er als Stürmer vor dem Tor noch deutlich effizienter sein könnte. 

(Photo by George Wood/Getty Images)

Jack Harrison (23), der auf dem linken Flügel spielte, konnte erneut von Manchester City ausgeliehen werden und Helder Costa (26), der über die rechte Seite stürmte, wurde nach seiner Leihe für über 17 Millionen Euro fest von Wolverhampton verpflichtet. Somit konnte Leeds das Gerüst fast komplett beisammenhalten. Einen schmerzhaften Abgang gab es dennoch: Ben White (22) kehrte nach seiner Leihe zurück zu Brighon & Hove Albion und verlängerte dort seinen Vertrag. Für Leeds spielte der Innenverteidiger eine herausragende Saison. Ihn wird man schmerzlich vermissen. 

Leeds United nimmt Geld in die Hand

Der Ersatz für Ben White kommt aus der Bundesliga. Leeds hat rund 13 Millionen Euro für Robin Koch (24) vom SC Freiburg überwiesen. Der deutsche Nationalspieler ist allerdings bei weitem nicht der spektakulärste Neuzugang. Um in der Premier League einen abgezockteren Stürmer als Bamford vorzuweisen, hat Leeds den vereinsinternen Rekordneuzgang präsentiert: Für 30 Millionen Euro kommt der spanische Nationalspieler Rodrigo Moreno (29) vom FC Valencia. Ein deutliches Zeichen an die Konkurrenz. Mit diesem Einkauf hätte vor wenigen Wochen noch niemand gerechnet.

Illan Meslier (20), der zum Ende der vergangenen Saison bereits der Stammkeeper des Aufsteigers war, wurde für 6,5 Millionen Euro fest von Lorient verpflichtet und mit Cody Drameh (18, Rechtsverteidiger von Fulham) sowie Joe Gelhardt (18, Mittelstürmer von Wigan Athletic) verstärkten noch zwei Talente für insgesamt 1,5 Millionen Euro den Kader. Ebenso ist Sam Greenwood (18) zu erwähnen, für den Leeds ca. 1,7 Millionen Euro an Arsenal überwies. Ob der agile Stürmer bereits im Profikader zum Einsatz kommen wird, bleibt abzuwarten. 

Es könnten noch weitere Neuzugänge folgen. Insbesondere in der Defensive will Bielsa noch nachlegen und es gibt Gerüchte rund um Josko Gvardiol (18) von Dinamo Zagreb. Ebenfalls bei Leeds im Gespräch ist Udineses Spielmacher Rodrigo de Paul (26). Er könnte die Rekordsumme von Valencias Rodrigo sogar noch übertreffen und vor allem Hernandez die nötige Entlastung verschaffen. 

Im Fokus: Pablo Hernandez

Der Spanier wird Leeds mit seiner Erfahrung helfen und dürfte in der Premier League noch viel Aufsehen erregen. Er verfügt mit seinen 35 Jahren vielleicht nicht mehr über das höchste Tempo, aber ansonsten hat er alle Fähigkeiten, um auch eine Offensive in der Premier League zu führen. Hernandez ist ein Spieler, dem man sehr gerne bei seiner Arbeit zuguckt. 

Prognose

Generell macht Leeds United auch neutralen Zuschauern Spaß. Natürlich ist die Premier League noch einmal ein anderes Niveau, aber die Mannschaft hat alles, um die Klasse zu halten. Die Qualität im Kader stimmt, auch wenn es ihm ein wenig an Breite fehlt. Trotzdem sollte für die Bielsa-Elf ein Platz im unteren Mittelfeld drin sein. 

Damian Ozako

Weitere Vorschauen auf die neue Saison findet ihr hier

(Photo by FRANCK FIFE/POOL/AFP via Getty Images)


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