Mourinhos Kryptonit, Solskjaers Überlebensversicherung und Bilic ist der Sündenbock

18. Dezember 2020 | Premier League Awards | BY Chris McCarthy

7 Awards – Premier League | Er kann ihn auswärts einfach nicht bezwingen: José Mourinho musste sich am 13. Spieltag mit Tottenham beim FC Liverpool geschlagen geben. Das und mehr:

„Mourinhos Kryptonit“-Award: Jürgen Klopp

Es war das Topspiel des Spieltags. Liverpool gegen Tottenham, Zweiter gegen Erster und natürlich Jürgen Klopp gegen José Mourinho. Es war auch das Spiel, das alle erwarteten. Die Reds bestimmten das Geschehen, hatten insgesamt 76 Prozent Ballbesitz, während die Spurs in typischer Mourinho-Manier tief standen und auf gefährliche Konter lauerten.

90 Minuten prägte das ein unterhaltsames Spiel an der Anfield Road. Liverpool ging in Durchgang eins hochverdient durch Mohamed Salah in Führung, ehe Tottenham mit dem ersten Gäste-Angriff des Spiels nach 33 Minuten durch Heung-Min Son eiskalt ausglich. Die Spurs blieben durch Konter gefährlich, wären trotz der limitierten Spielanteile beinahe sogar in Führung gegangen. In der 90. Minute aber köpfte Roberto Firmino die Reds verdient zum Sieg (und zur Tabellenführung).

Mourinho blieb also auch im sechsten Anlauf auswärts gegen eine Klopp-Mannschaft ohne Dreier – die größte Durststrecke seiner Trainerkarriere, Vielleicht gab es auch deswegen eine hitzige Diskussion zwischen den beiden Trainern nach dem Spiel. „José sagte mir, die bessere Mannschaft hätte verloren, ich dachte er scherzte, tat er aber nicht“, lachte Klopp im Gespräch mit der der BBC.

„Überlebensversicherung“-Award: Marcus Rashford

Gefühlt alle paar Monate wird Ole Gunnar Solskjaer angezählt. Immer wieder stabilisiert sich Manchester United im Anschluss. In dieser Saison überstand der 47-Jährige ein 1:6 gegen Tottenham und das Aus in der Champions League, denn in der Liga sicherten sich die Red Devils am Donnerstagabend den sechsten Sieg im siebten Spiel. Bei Sheffield United gab es ein 3:2.

Marcus Rashford war mit seinem Doppelpack der Mann des Spiels und zementierte abermals seinen Status als Solskjaers Überlebensversicherung. Denn egal ob das Offensivspiel mal wieder strauchelt, Rashford braucht wenig Chancen und ist gerade bei Kontersituationen ungemein effizient. Insgesamt 42 Tore hat der 23-Jährige bislang unter der Regie des Norwegers erzielt, kein Spieler erzielte seit dem Rücktritt von Sir Alex Ferguson 2013 mehr Tore für einen ManUtd-Trainer.

„Zu elft würde helfen“-Award: FC Arsenal

Der FC Arsenal durchlebt gerade den schlechtesten Saisonstart seit 46 Jahren. Ein Grund dafür ist, dass sich die Gunners das Leben immer wieder selbst schwer machen. Auch am Mittwoch gegen den Tabellenvierten aus Southampton war das der Fall.

Ex-Gunner Theo Walcott brachte die Gäste in der ersten Halbzeit in Führung, ein weiterer Dämpfer für Arsenals Selbstbewusstsein. Doch die Mannschaft von Mikel Arteta kämpfte sich zurück. Pierre-Emerick Aubameyang glich nach der Pause aus und Arsenal schien sogar auf die Führung zu drücken. Doch wie schon gegen Burnley wurde die Euphorie im Keim erstickt. Innenverteidiger Gabriel ließ sich in seiner jugendlichen Naivität zu einem Halten gegen Walcott hinreißen und erhielt seine zweite Gelbe Karte der Partie. Zum zweiten Mal in drei Tagen und zum dritten Mal in fünf Spielen mussten die Gunners einen Großteil der Partie in Unterzahl auskommen und sich daher mit einem Punkt begnügen. Gegen ein formstarkes Team wie Southampton und in dieser Situation ist das eigentlich kein schlechtes Ergebnis, aber dennoch das sechste sieglose Spiel in Serie.

Was bleibt, ist daher Frust. Seit Artetas Ankunft vor genau einem Jahr haben die Londoner bereits sieben Platzverweise erhalten, mehr als jede andere Mannschaft der Premier League. Ein Spiel zu elft zu absolvieren, würde vielleicht helfen, um wieder in die Spur zu kommen.

„Sündenbock“-Award: Slaven Bilic

Als West Bromwich Albion im Sommer 2020 in die Premier League zurückkehrte, war Slaven Bilic der Star der Mannschaft. Der Aufstieg kam relativ überraschend, der Kader hatte kaum Außergewöhnliches. Es war der Kroate, der ein homogenes Kollektiv formte, das sehr viel Aufwand betrieb und nach der Corona-Pause gerade so zurück ins Fußballoberhaus humpelte.

Die Erwartungen für die Saison 2020/2021 waren in den West Midlands folglich verhalten, ebenso wie das Budget. Große Neuzugänge blieben aus, das Transferfenster führte intern zu Reibungen zwischen Trainer und Klubspitze. Was den Kader angeht, war WBA bereits vor dem ersten Saisonspiel ein Top-Favorit auf den Abstieg. Die Hoffnungen der Fans ruhten folglich abermals auf Bilic, doch in der Premier League führt an individueller Qualität nunmal kein Weg vorbei. Nach zwölf Spieltagen hatte West Bromwich einen einzigen Sieg und die schlechteste Defensive der Liga vorzuweisen.

Ausgerechnet bei der Staroffensive von Manchester City zeigte WBA am Dienstagabend ein Lebenszeichen. Die Gäste hatten zwar nur 23 Prozent Ballbesitz und kaum Offensivaktionen, verteidigten allerdings heldenhaft. Auch nach dem 1:0 durch Ilkay Gündogan warfen sich die Baggies in jeden Zweikampf, jeden Schuss und erzwangen sogar durch ein Eigentor von Rúben Dias den Ausgleich (43.). Ein Hoffnungsschimmer.

Trotzdem: Ein Tag später wurde Bilic von der Klubführung entlassen. West Brom riss unter der Leitung des Trainers sicherlich keine Bäume aus. Doch betrachtet man die Umstände des Aufstiegs, den Transfersommer, die Qualität des Kaders und vor allem das Timing der Trennung, so wird man das Gefühl nicht los, dass der Aufstiegstrainer zum Sündenbock gemacht wird.

„Folgenschwere Heimschwäche“-Award: Leicester City

Vergangene Saison war Leicester City eine der großen Überraschungsmannschaften, klebte dem späteren Meister FC Liverpool lange an den Fersen, ehe dem kleinen Kader die Puste ausging. Am Ende wurde sogar die Champions League, die zwar nicht eingeplant aber dennoch so nah war, knapp verpasst.

2020/2021 deuten die Foxes an, dass das Vorjahr kein Zufall war. Die Mannschaft von Brendan Rodgers steht mit vier Punkten weniger als die Reds auf Rang vier. Und dennoch droht ein ähnliches Schicksal. Grund dafür ist die neuentwickelte Heimschwäche.

Zu Hause gegen den FC Everton setzte es am Mittwoch eine 0:2-Pleite, Richarlison und Mason Holgate trafen für die formstarken Toffees. Für Leicester City war es bereits die vierte Heimniederlage im siebten Spiel – so viel wie 2019/2020 über die gesamte Saison. Der Kader der Foxes wurde im Sommer nicht unbedingt breiter, das Defizit in den eigenen vier Wänden könnte sich also als folgenschwer erweisen.

„International Wolves“-Award: Wolverhampton Wanderers

Die portugiesische Connection bei den Wolverhampton Wanderers ist längst kein Geheimnis mehr. Star-Berater Jorge Mendes führte neben Trainer Nuno Espirito Santo bereits einige vielversprechende Landsmänner zum ambitionierten Aufsteiger von 2018.

Auch am Dienstagabend gegen den FC Chelsea standen die Portugiesen wieder im Vordergrund. Olivier Giroud brachte die Blues nach 49 Minuten in Führung, doch wie schon beim 0:1 gegen Everton wirkten sie in der Folge etwas zu behäbig und strahlten kaum noch Torgefahr aus. Das nutzten die Wolves aus. Daniel Podence markierte den Ausgleich, ehe Pedro Neto nach einem blitzschnellen Gegenangriff in der fünften Minute der Nachspielzeit sogar noch das 2:1 erzielte.

Der FC Chelsea verlor das zweite Spiel in Folge und Wolverhampton setzte eine unfassbare Serie fort. Die letzten 83 Tore in der Premier League wurden allesamt durch nicht-britische Spieler erzielt, der längste Lauf seit Arsenal zwischen 2005 und 2008 (171). Ob Portugieisen, Franzosen oder Mexikaner: Die Wolves machen es international.

„Endlich belohnt“-Award: Leeds United

Aufsteiger Leeds United hat die Premier League in dieser Saison schon oft durch mutigen Offensivfußball verzückt. Belohnt hatte sich die Mannschaft von Marcelo Bielsa trotz dominanten Torschuss- und Ballbesitzwerten dafür aber deutlich zu selten. In den letzten sechs Spielen gab es nur einen Dreier. Am Mittwoch drohte Leeds zu Hause gegen Newcastle wieder der Sieg zu entweichen, die Gäste glichen trotz lediglich 29% Ballbesitz in der 65. Minute aus.

In der Schlussivertelstunde drehten die Whites letztendlich auf: Stuart Dallas besorgte die Führung (77.), ehe Ezgjan Alioski (85.) und Jack Harrison (88.) alles klar machten (5:2). „Sie spielten nach dem Ausgleich ruhig und organisiert weiter und schafften es letztendlich wieder in Führung zu gehen, dann, als wir es brauchten“, sagte Bielsa, nachdem sich seine Mannschaft endlich wieder belohnte.

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(Photo by CLIVE ROSE/POOL/AFP via Getty Images)

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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