Premier League | Müde Spurs, Mr. Unverzichtbar und Sarri-Ball

18. September 2018 | Premier League Awards | BY Chris McCarthy

Die Länderspielpause ist vorbei und der Liga-Alltag zurück. Dabei meldete sich die Premier League mit einem Kracher zurück, Tottenham empfing Liverpool zum Spitzenspiel. Doch auch die anderen Begegnungen lieferten reichlich Gesprächsstoff. Unsere 7 Awards…

 

„Müde“ – Award: Tottenham

Es war die beste Saisonleistung des FC Liverpool. Das lag allerdings nicht an der unwiderstehlichen Offensivpower der Reds, sondern viel mehr an der unermüdlichen Arbeit des Angriffsgespanns ohne den Ball. Klopp ließ die müden Spurs nicht atmen und permanent unter Druck setzen. Dabei sprang der fünfte Sieg im fünften Spiel heraus (1:2).

Ohne die Leistung Liverpools schmälern zu wollen, Tottenham lieferte dabei die unkonzentrierteste und fahrlässigste Leistung seit einer gefühlten Ewigkeit ab. Zuverlässige und gestandene Leistungsträger wie Christian Eriksen, Toby Alderweireld oder Moussa Dembélé brachten ihre Mitspieler ein ums andere Mal mit schlampigen Abspielen in die Bredouille, sodass die Gäste in der ersten Halbzeit ein Leichtes hatten, Chancen zu kreieren. Ohne zu früh irgendwelche Schlüsse ziehen zu wollen, wir erinnerten uns natürlich direkt an die Zweifel hinsichtlich der Kadertiefe in unseren Vorschauen zur Liga und der Königsklasse. Die Spurs stellten von allen Premier-League-Klubs die meisten Minuten bei der WM und verfügen, anders als die Konkurrenz in den Top-6, nicht über den Luxus, Schlüsselspieler schonen zu können. Das Resultat sind übermüdete Leistungsträger und zwei schwache Auftritte, die Energie und Konzentration vermissen ließen.

Die Reds dagegen spielten clever, setzten die verunsicherten Hausherren mit schonungslosem Pressing unter Druck und waren nach unzähligen Ballgewinnen in Kombinationslaune. Die größte Kritik an der Leistung der Klopp-Elf ist wohl deren Fahrlässigkeit in der Chancenverwertung. Als Erik Lamela in der dritten Minute der Nachspielzeit auf 1:2 verkürzte, hätte es gut und gerne bereits 0:5 stehen können. So musste Liverpool noch einmal zittern und hätte wenige Minuten später nach einer tollpatschigen Grätsche Manés an Son sogar noch einen Elfmeter kassieren müssen.

Tottenham dagegen hat ganz andere Probleme, wirkt nach der intensiven WM vieler Leistungsträger ausgelaugt, unkonzentriert und einfach müde.

(Photo by Catherine Ivill/Getty Images)

 

„Falscher Stolz“ – Award: FC Fulham

Prinzipiell gebührt Aufsteiger Fulham natürlich Respekt, dass man wie in der zweiten Liga auch beim amtierenden Meister mutig und offensiv mitspielen wollte. Passiert dies allerdings auf Kosten der defensiven Disziplin, ist dies gegen ein Team dieser Qualität eher fahrlässig, besser gesagt, falscher Stolz.

Fulham wählte in der Anfangsphase eine recht offensive Herangehensweise und verteidigte bei den so präzisen und konterstarken Cityzens mit einer extrem hohen Linie, was die Mannschaft von Pep Guardiola nach nur zwei Minuten eiskalt bestrafte. Seri, der seine Mittelfeldposition zu Beginn zu angriffslustig interpretierte, spielte den Ball in die Füße von Fernandinho, der im Gegenangriff den wiedererstarkten Leroy Sané mustergültig bediente.

Spätestens aber nach dem 2:0 durch David Silva in der 21. Minute war das Spiel gelaufen. Fulham wurde für den falschen Stolz der Anfangsphase eiskalt bestraft und konnte von Glück reden, dass man nicht endgültig unter die Räder geriet (3:0).

 

 

„Wann spielt er endlich von Anfang an“ – Award: Lucas Torreira

Im Sommer verpflichtete der FC Arsenal für 30 Millionen Euro Mittelfeldspieler Lucas Torreira von Sampdoria Genua. Bei den Gunners sollte der Nationalspieler Uruguays für mehr Struktur, defensive Disziplin und Balance im Mittelfeld sorgen.

Zu einem Startelfeinsatz kam der WM-Teilnehmer nach verkürzer Vorbereitung nicht. Das dürfte sich bald ändern. Wie schon gegen Cardiff, als seine Einwechslung nicht nur zur erheblichen Verbesserung der bisher mangelhaften Defensivarbeit führte, leitete seine Direktheit und Zielstrebigkeit im Passspiel nun auch gegen Newcastle die Wende ein.

Es ist kein Zufall, dass Arsenal in der zweiten Hälfte wie ausgewechselt wirkte, als Torreira ins Spiel kam, das Heft in die Hand nahm und ganz nebenbei, den für den Spielaufbau weiterhin so wichtigen Granit Xhaka defensiv entlastete. Die Schaltzentrale, mit dem Schweizer und dem talentierten, allerdings etwas wackeligen Mattéo Guendouzi, wurde vom Unsicherheitsfaktor zur Stärke.

Gegen Everton nächste Woche sollte Torreira dann endlich in die Startelf rücken.

(Photo by Marco Rosi/Getty Images)

 

„Sarri-Ball“ – Award: FC Chelsea

Sicher, es war „nur“ Cardiff City, doch beim relativ ungefährdeten 4:1 Erfolg der Blues über die überforderten Waliser demonstrierten die Blues, was uns unter Maurizio Sarri wohl noch so bevorsteht.

Unbeirrt vom frühen Rückstand, spielte Chelsea munter weiter und meldete sich durch sehenswerte Kombinationen zurück. Dabei stets im Fokus: Olivier Giroud und vor allem: Eden Hazard. Alleine diese Kombination, bei der der Belgier zwei Mal erfolgreich abschloss, war für Cardiff kaum zu bremsen. Hazard setzte in Form eines Elfmeters noch ein drittes Tor nach, ehe Willian durch einen tollen Weitschuss auf 4:1 erhöhte.

Wie gesagt, es war „nur“ Cardiff, doch nur wenige Monate nach seiner Ankunft in England durften wir einen weiteren erheblichen Schritt in Richtung „Sarri-Ball“ erleben.

 

„Nicht zu bremsen“ – Award: Wilfried Zaha

„Ich habe das Gefühl, ich muss mir das Bein brechen, damit der Gegner eine Rote Karte erhält“, betonte ein sichtlich aufgebrachter Wilfied Zaha nach dem 1:0 seiner Eagles über Huddersfield gegenüber der BBC. Wieder war der Torschützte nur selten mit fairen Mitteln zu bremsen. „Warum werde ich anders behandelt, als andere Spieler?“, fügte der Ivorer an.

Dabei hat Zaha nicht unrecht, wie eine Statistik der BBC belegt. Bis auf Eden Hazard, der seit 2013 470 Mal gefoult wurde, musste keiner in den letzten fünf Jahren mehr einstecken als Zaha:

Am meisten gefoult worden seit 2013

[lt id=“221″]

 

„Mister Unverzichtbar“ – Award: Marko Arnautovic

Eigentlich müsste nach dem 3:1 Auswärtssiegs West Ham Uniteds beim FC Everton die Tatsache, dass der offensiv-orientierte Mauricio Pellegrini endlich ein kompakteres Mittelfeld aufstellte, die Schlagzeilen erobern. Mit den defensiven Obiang und Rice hinter Noble, statt einer offensiven Schaltzentrale mit Noble und Wilshere (verletzt), standen die so defensiv-schwachen Hammers ausnahmsweise recht solide da.

Die Schlagzeilen eroberte allerdings ein anderer. Mit weniger Offensivaktionen war es umso wichtiger, dass einmal mehr Marko Arnautovic für West Ham den Unterschied machte. Der Österreicher ließ sich oft fallen, nahm am Kombinationsspiel teil und bot dennoch den Adressaten für kluge Zuspiele in die Spitze.

Nach einem langen Sprint legte er zunächst extrem uneigennützig und geistesgegenwertig zum 1:0 auf Andriy Yarmolenko vor. Nachdem der Neuzugang von Borussia Dortmund auf 2:0 erhöhte und Everton zwischenzeitlich auf 1:2 verkürzte, besorgte Arnautovic höchstpersönlich den 1:3 Endstand. Damit ist der Angreifer seit Anfang 2018 in der Premier League an 16 Toren direkt beteiligt gewesen – nur Mohamed Salah hat mit 23 einen besseren Wert vorzuweisen. Arnautovic ist für West Ham unverzichtbar.

(Photo b Lynne Cameron/Getty Images)

 

„What a difference a few pounds make“ – Award: Ryan Fraser

Gerade einmal 1,60m groß, zeigte Ryan Fraser bei Aberdeen interessante Ansätze, nahm es mit der Ernährung allerdings nicht ganz so ernst. Pizza und Eis standen täglich auf dem Speiseplan, wie der Schotte selbst bestätigt. Doch Trainer Eddie Howe verhalf ihm zur Transformation zum Vollprofi und der Lebenswandel erntet nun Früchte.

15 Kilogramm leichter und schlichtweg fitter als vor fünf Jahren befindet sich Ryan Fraser sprichwörtlich in der Form seines Lebens. Gegen Leicester war der 24-Jährige einmal mehr nicht zu bremsen. Insbesondere in der ersten Halbzeit fanden die Foxes kein Mittel gegen seine pure Energie, Schnelligkeit, neu gefundene Laufstärke und Quirligkeit. Seine zwei Tore leiteten Bournemouth auf die Siegerstraße, sein hart erkämpfter Assist zum 4:0 gegen defensiv anfällige Gäste aus Leicester besiegelte den Sieg.

Die Cherries sind eine der Überraschungen der noch jungen Saison. Einen großen Anteil daran hat Ryan Fraser mit seinen drei Toren und zwei Vorlagen. Welch Unterschied ein paar Kilo machen…

 

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


Ähnliche Artikel