Meisterschafts-Dreikampf? Mourinhos Selbstzerstörungsmodus & Kane > Huddersfield?

2. Oktober 2018 | Premier League Awards | BY Chris McCarthy

Nach sieben Spieltagen in der Premier League bleiben mal wieder einige Erkenntnisse hängen, darunter die Hoffnung auf einen spannenden Meisterschafts-Dreikampf. Das und viel mehr greifen wir anhand unserer sieben Awards auf…

 

„Meisterschafts-Dreikampf“ – Award: Premier League

Das unglaublich temporeiche und leistungsgerechte 1:1 zwischen Chelsea und Liverpool war natürlich der absolute Höhepunkt des Spieltags, wahrscheinlich sogar der bisherigen Saison. Das Spiel analysierten wir bereits als „90PLUS Topspiel der Woche“ in unserem Podcast.

Wir könnten jetzt darüber schreiben, wie schnell die Blues das Sarri-System adaptiert und erfolgreich umgesetzt haben. Wir könnten ausarbeiten, wie Liverpool auch in Spielen, in denen sie nicht in Bestform sind, dennoch wichtige Punkte mitnehmen. Wir könnten auf Manchester City blicken, das ebenfalls ungeschlagen, aber noch lange nicht warm gelaufen ist.

Genau das ist auch das Spannende daran. Alle drei Teams hebt etwas vom Rest der Premier League ab. Alle drei Teams sind ungeschlagen. Es ist noch früh, aber nach sieben Spieltagen bahnt sich auf der Insel erst mal ein intensiver Dreikampf um den Titel an.

(Photo PAUL ELLIS/AFP/Getty Images)

 

„Selbstzerstörungsmodus“ – Award: José Mourinho

Eigentlich schien sich Manchester United nach kleinerer Krise wieder gefangen zu haben. Dann folgte ein 1:1 gegen Wolverhampton. Eigentlich kein Beinbruch, immerhin sind die Wolves kein typischer Aufsteiger, rangen auch Manchester City einen Punkt ab.

Um so verwunderlicher, dass Mourinho nach dem schwachen Auftritt den Charakter und die Einstellung seiner Mannschaft öffentlich in Frage stellte. Damit entfachte der Portugiese ohne Grund erneut Unruhe, und das, nachdem das Team in den Spielen zuvor zwar nicht glänzte, aber mit viel Kampf und Leidenschaft immerhin die Punkte einfuhr. Darüber hinaus fanden die anhaltenden Differenzen zwischen Mourinho und Pogba ihren Höhepunkt. Nachdem der Franzose die taktische Ausrichtung des portugiesischen Trainers anzweifelte, entzog dieser ihm das Amt des Vizekapitäns. Im Old Trafford begann es also wieder mächtig zu brodeln.

Nach dem völlig verdienten 1:3 bei West Ham dürfte sich das nicht all zu bald ändern. Mit Pogba, dafür ohne das nächste Problemkind, Alexis Sanchez (nicht mal im Kader), agierte Manchester United gegen die Hammers wieder viel zu passiv, nach dem öffentlichen Rüffel des Trainers fast schon lethargisch und lustlos. Wie von Pogba bemängelt, raubte die zurückhaltende Ausrichtung der personell hochwertig besetzten Offensive einmal mehr jegliche Durchschlagskraft. Die schwache Defensive der Londoner wurde somit kaum unter Druck gesetzt. Trotz des defensiven Vorgehens stimmten aber auch in der Hintermannschaft weder die Abstände noch die Absprache. Der junge Scott McTominay agierte in einer Fünferkette als eine Art Libero und war damit total überfordert. Die Red Devils waren in allen Belangen unterlegen. Vom Einsatz und dem Willen der Spiele zuvor war keine Spur.

Stimmten zwischenzeitlich wieder die Ergebnisse, haben sich die Geschehnisse hinter den Kulissen und vor allem vor den Mikrophonen der Presse wieder auf die Resultate auf den Platz ausgewirkt. Den größten Anteil daran hat José Mourinho, dessen kontroverser Führungsstil, aggressives Spielermanagement und zweifelhafte taktische Maßnahmen derzeit an Selbstzerstörung grenzen. Für den polarisierenden Trainer wird die Luft immer dünner…

(Photo by Michael Regan/Getty Images)

 

„Was nicht passt, wird passend gemacht“ – Award: Unai Emery

Getreu dem Motto „was nicht passt, wird passend gemacht“ versuchte Unai Emery zuletzt auf Biegen und Brechen, Spieler in sein bevorzugtes 4-2-3-1 zu „quetschen“. Ob Aaron Ramsey auf der „Zehn“ oder Mesut Özil und Pierre-Emerick Aubameyang auf den ungeliebten Flügeln. Zu viele Leistungsträger mussten von ihren eigentlichen Lieblingspositionen weichen, obwohl sie eben dort am effektivsten sind.

Dank der individuellen Klasse fielen die Tore bisher trotzdem, sogar 2,4 pro Spiel. Doch sobald ein Team mit der Leidenschaft und Intensität verteidigt wie Watford am Samstag, genügt nicht nur die individuelle Klasse. Es bedarf Balance, Timing und Systemkompatibilität.

Als sich die Gunners über weite Strecken der Partie die Zähne ausbissen, wurden die Hornets in der zweiten Halbzeit stärker, hätten eigentlich sogar in Führung gehen müssen. Dann kam Alex Iwobi für Aaron Ramsey. Der Nigerianer rückte naturgemäß auf den Flügel und Özil auf die Zehn. Kein Wunder, dass genau dann der FC Arsenal flüssiger kombinierte, als im gesamten Spiel zu vor. Die Nordlondoner machten binnen drei Minuten zwei Tore und entschieden das Spiel für sich.

Emery wäre trotz der eindrucksvollen sieben Siege in Serie gut beraten, seine Spielausrichtung an die vorhanden Spieler anzupassen und nicht umgekehrt.

(Photo CHARLY TRIBALLEAU/AFP/Getty Images)

 

„Fühl dich wie zuhause“ – Award: Harry Kane

Beim nächsten trostlosen Auftritt Huddersfields, eine 0:2 Heim-Niederlage gegen Tottenham, untermauerte eine Statistik, was nach wie vor das ganz große Problem der harmlosen Terrier ist.

Harry Kane erzielte im John Smith’s Stadium einen Doppelpack, genauso wie im Vorjahr. Eigentlich nichts besonderes. Doch in den bisher 23 Heimspielen in der Premier League gelangen keinem Spieler Huddersfields mehr als vier Tore. Vier Tore, für die Kane eben nur zwei Partien benötigte.

Damit ist der englische Nationalstürmer nach gerade einmal zwei Spielen der erfolgreichste Torschütze in der jungen Premier-League-Geschichte des Stadions.

(Photo MARCO BERTORELLO/AFP/Getty Images)

 

„Eindrucksvolle Argumente“ – Award: Raheem Sterling

Es war ein Sieg nach Vorschrift für Manchester City. Brighton fuhr ins Ethiad, um zu verteidigen und nicht unter die Räder zu geraten. Das funktionierte dank eines beherzten Auftritts und viel Kampf auch recht gut. Die Niederlage war dank der schier unbändigen Offensivpower der Cityzens dennoch nicht zu verhindern.

Ständig im Mittelpunkt standen dabei Raheem Sterling und Sergio Agüero. War der Engländer beim 1:0 noch der Vollender eines von Sergio Agüero initiierten Konters, drehte Sterling beim 2:0 durch den Argentinier den Spieß um.

Seit Saisonbeginn 2017/2018 ist Sterling nun an 34 Toren direkt beteiligt gewesen. Nur Harry Kane und Mohamed Salah haben in dieser Zeitspanne eine bessere Ausbeute vorzuweisen. Sterling liefert damit eindrucksvolle Argumente, um endlich die lang anvisierte Vertragsverlängerung zu erhalten.

 

„England calling“ – Award: James Maddison

Viele staunten nicht schlecht, als Leicester City im Sommer 25 Millionen Euro für einen Zweitligaspieler ausgab. Bereits nach sieben Spieltagen ist zu erkennen, wieso. Die Rede ist von James Maddison. In der ersten Premier-League-Saison seiner Karriere steht der offensive Mittelfeldspieler nach sieben Spielen bereits bei drei Saisontoren und nach seiner Vorlage beim 2:0 über Newcastle bei zwei Assists.

Beeindruckender als die Ausbeute ist allerdings, wie Maddison die Umstellung auf Englands Fußballoberhaus scheinbar problemlos meistert. Der Engländer begeistert mit seiner Kreativität und herausragenden Technik, sodass derzeit kaum einer im King Power Stadium den abgewanderten Riyad Mahrez vermisst.

Ganz nebenbei entsprechen Maddisons Stärken genau den Eigenschaften, die Gareth Southgate bei seinen Three Lions noch fehlt. Nach den hervorragenden Auftritten in der Liga könnte der 21-jährige womöglich schon am Donnerstag erstmals für die englische Nationalmannschaft nominiert werden.

 

„Coolness“ – Award: Gylfie Sigurdsson

Im Sommer 2017 wechselte Gylfie Sigurdsson für die stolze und etwas überteuerte Ablösesumme von 50 Millionen Euro von Swansea zu Everton. Nach einer durchwachsenen Debüt-Spielzeit, oftmals auf dem ungeliebten Flügel, waren viele Kritiker bereit, ihn als teuren Flop abzuschreiben. Doch der Isländer blieb cool.

Ebenso wie beim 3:0 über Fulham, als Sigurdsson beim Stand von 0:0 einen Elfmeter vergab. Wieder ließ er sich nichts anmerken. Im Gegenteil, der 29-Jährige nahm das Spiel endgültig in die Hand, brillierte auf der Zehn und leitete beinahe jeden Angriff ein. Wenige Minuten nach dem verschossenen Elfmeter brachte Sigurdsson die Toffees mit einem sehenswerten Schlenzer sogar auf die Siegerstraße (1:0), ehe er mit seinem zweiten Treffer den 3:0 Sieg besiegelte.

50 Millionen Euro waren vielleicht etwas viel. Doch das kann man dem Spieler selbst kaum vorwerfen. Sigurdsson lässt sich jedenfalls scheinbar durch nichts aus der Ruhe bringen und wird dank seiner Nervenstärke und Coolness allmählich zum elementaren Regisseur im Offensivspiel von Trainer Marco Silva.

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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