Befreiungsschlag für Arsenal? Big Sam schlägt wieder in Liverpool zu, Mourinho stößt auf seine Grenzen

28. Dezember 2020 | Premier League | BY Chris McCarthy

7 Awards – Premier League | Der 15. Spieltag der Premier League stand im Zeichen des traditionellen Boxing Day. Für Arsenal war es ein fröhliches Weihnachtsfest, Sam Allardyce gab beim FC Liverpool dagegen den Grinch.

„Befreiungsschlag“-Award: Arsenal

Die Stimmung im roten Teil Nordlondons hatte zur Weihnachtszeit den absoluten Tiefpunkt erreicht: Sieben sieglose Spiele in Serie, der schlechteste Saisonstart seit 46 Jahren, Platz 15. Die Mannschaft des FC Arsenal wirkte in der Folge lethargisch und ideenlos. Zu allem Überfluss fehlte auch das Quäntchen Glück: In wichtigen Phasen der Spiele gab es Platzverweise, verpasste Chancen und mehr. Der einstige Hoffnungsträger Mikel Arteta (38) musste bei seiner ersten Trainerstation bereits um seinen Job fürchten.

Ausgerechnet am Boxing Day stand nun das London-Derby gegen den fünftplatzierten FC Chelsea an. Mit einer Reihe von jungen Spielern in der Startelf, wie Gabriel Martinelli (19), Bukayo Saka (19) oder Emile Smith Rowe (20), präsentierte sich die Mannschaft deutlich lebendiger, kreativer und disziplinierter als in den Spielen zuletzt. Doch auch die vielkritisierten Granit Xhaka oder Alexandre Laczatte zeigte ihre besten und engagiertesten Leistungen seit Wochen.

Arsenal erzwang einen Elfmeter und erzielte das 1:0 durch Lacazette – die erste Führung seit sieben Spielen. Allmählich kehrte das Selbstbewusstsein zurück und Dinge gelangen, die in den letzten Partien wohl nicht funktioniert hätten. Xhaka erzielte durch einen herrlichen Freistoß das 2:0 (44.), Bukayo Saka erhöhte durch eine Mischung aus Flanke und Lupfer sogar auf 3:0. Bis zur 83. Minute hatten die Gunners 6:0 Schüsse aufs Tor vorzuweisen – der zweitbeste Wert der Arteta-Ära. Arsenal musste nach dem Anschluss von Tammy Abraham dennoch zittern (85.), denn in der 90. Minute erhielten die Gäste einen Elfmeter. Doch an diesem Tag gelang wie gesagt fast alles, Bernd Leno parierte gegen Jorginho und hielt das 3:1 fest.

Es war nur ein Sieg, aber fast zwei Monate nach dem letzten Dreier definitiv ein Befreiungsschlag. Darüber hinaus war die Art der Leistung ein wichtiges Zeichen dafür, dass die Spieler ihrem in die Kritik geratenen Trainer noch vertrauen. Nun müssen weitere Resultate folgen.

„Samfield Road“-Award: Sam Allardyce

Die letzten Jahre waren für Sam Allardyce wahrlich nicht die glanzvollsten. Viel Abstiegskampf und ein 68 Tage dauerndes Intermezzo als Englands Nationaltrainer. Nun soll er West Bromwich Albion vor dem Abstieg bewahren. Nach dem 0:3 gegen Aston Villa in der Vorwoche ging es am Sonntag zum FC Liverpool.

Der Kaugummi kauende Engländer hatte seine Mannschaft perfekt vorbereitet. Auch nach dem frühen Rückstand durch Sadio Mané hielten die Baggies am Matchplan fest. Sie überließen den Reds komplett das Spiel, errichteten ein leidenschaftlich und diszipliniert verteidigendes Abwehrbollwerk. Die zunehmend frustrierte Mannschaft von Jürgen Klopp feuerte zwar 17 Mal ab, oftmals aber aus Verzweiflung, denn der Aufsteiger ließ insgesamt nur zwei Schüsse auf den Kasten zu. Und so gelang sogar noch der Lucky-Punch: Semi Ajayi köpfte in der 83. Minute zum 1:1 ein, was auch der Endstand blieb.

Der FC Liverpool verpasste eine goldene Gelegenheit, die Tabellenführung auf fünf Zähler auszubauen. Allardyce dagegen holte seinen ersten Punkt als Trainer von West Brom, verkürzte den Rückstand auf das rettende Ufer auf fünf Punkte und setzte seine kuriose Serie fort: Seit Jürgen Klopp beim FC Liverpool im Amt ist, hat Big Sam in der Premier League nicht an der Anfield Road verloren, in vier Spielen und das mit vier Teams: Sunderland, Crystal Palace, Everton und nun West Brom.

„Mourinhos Grenzen“-Award: José Mourinho

Vor drei Wochen wurde Tottenham von einigen Experten noch als Titelanwärter gehandelt. Seitdem hat die Mannschaft von José Mourinho allerdings vier Spiele in Serie nicht gewinnen können. Die letzte Partie war ein 1:1 bei den Wolverhampton Wanderers am Sonntagabend. Ein Spiel, das bei der Ursachenanalyse des Absturzes auf Platz fünf einen großen Anhaltspunkt gab.

Die Spurs gingen durch Tanguy Ndombélé bereits nach einer Minute in Führung und taten das, was eine Mourinho-Mannschaft in dieser Situation nunmal tut: Tief stehen, den Gegner das Spiel machen lassen und sich auf Gegenangriffe konzentrieren. Der Plan ging nicht auf – Romain Saïss köpfte nach einer Ecke vier Minuten vor Schluss zum Ausgleich ein.

So gut die Spurs mit ihrer passiven und beinahe schon übereffizienten Spielweise fuhren, das Mourinho-System stößt mittlerweile auf seine Grenzen. Spielt man zu passiv, erhält der Gegner mehr Gelegenheiten und die perfekte Kontersituation zur Vorentscheidung tut sich auch nicht immer auf. In den letzten drei Wochen hat Tottenham drei Führungen hergegeben. Darüber hinaus wurden über die gesamte Saison betrachtet ligaweit die meisten Punkte (9) ab der 80. Minute verspielt.

„Auswärts ist es am schönsten“-Award: Manchester United

Man kann lange darüber diskutieren, ob es ohne Zuschauer in den Stadien tatsächlich einen Heimvorteil gibt oder nicht. Fakt ist, dass sich Manchester United 2020/2021 auswärts deutlich wohler fühlt als zuhause.

Auch am Boxing Day setzte die Mannschaft von Ole Gunnar Solskjaer diesen Trend fort, bot die nächste gute Leistung in der Fremde. Gut genügte gegen ein diszipliniertes und widerstandsfähiger Leicester allerdings nicht. Die Foxes glichen nach Marcus Rashfords (23.) sowie Bruno Fernandes (79.) Führungstreffern jeweils aus. Harvey Barnes (31.) markierte das 1:1, United-Verteidiger Axel Tuanzebe lenkte einen Schuss von Jamie Vardy in der 85. Minute zum 2:2-Endstand ins eigene Netz.

Ein nicht unverdienter Punkt, mit dem Leicester City Tabellenplatz drei vor Manchester United (vier) zementiert. Doch immerhin setzten die Red Devils die starke Auswärtsform fort: Seit 14 Spielen sind sie nun in der Fremde ungeschlagen, die längste Serie seit 2011.

„Guardiolas Musterschüler“-Award: Raheem Sterling

Es war ein sehr bequemer Heimsieg für Manchester City über Newcastle United, ein 2:0-Erfolg, der noch deutlicher hätte ausfallen müssen. Eingeleitet wurde der Sieg durch eine Vorlage von Raheem Sterling auf Ilkay Gündogan (14.).

Für Sterling war es laut Opta die 150. Torbeteiligung (96 Tore, 54 Assists) seit der Ankunft von Pep Guardiola, keinem ManCity-Spieler gelangen unter dem spanischen Trainer mehr. Es ist ein Wert mit viel Symbolkraft, denn kaum einer hat sich unter Guardiola so kontinuierlich weiterentwickelt wie Sterling. Bei Liverpool noch als Chancentod verschrien, machte der 26-Jährige Jahr für Jahr deutliche Fortschritte im letzten Drittel, optimierte seine Entscheidungsfindung, seinen Abschluss und auch den finalen Pass.

 

„Gewinner der Statistik“-Award: Brighton & Hove Albion

Kenner der Premier League schwärmen bereits seit letzter Saison vom Fußball Brighton & Hove Albions. So attraktiv lässt die Mannschaft von Graham Potter mittlerweile den Ball laufen. Würde man rein nach der Tabelle gehen, könnte man sich fragen: Wieso eigentlich? Am Sonntag wurde auch das sechste Spiel in Serie nicht gewonnen; Tabellenplatz 16 ist die Konsequenz.

Das 2:2 gegen West Ham United zeigte wieso. Brighton dominierte die erste Halbzeit, hatte aber nur eine 1:0-Führung vorzuweisen. In Durchgang zwei wurden die Hammers stärker, erzielten nach einer defensiven Unachtsamkeit folglich den Ausgleich. Die Seagulls aber meldeten sich zurück, gingen erneut durch Lewis Dunk (70.) in Front. Wieder konnte die Führung nicht verwaltet werden. Tomas Soucek köpfte freistehend nach einem Eckball zum 2:2 ein. Für Brighton das vierte Unentschieden in Serie und eines von vielen Spielen, das sie eigentlich hätten gewinnen müssen.

Es ist die Geschichte der Saison 2020/2021, denn statistisch betrachtet, müsste Brighton sogar auf Rang fünf stehen! Laut „expected Goals“ müssten die Seagulls elf Punkte mehr auf dem Konto haben – die größte Diskrepanz der Premier League. Doch das ist Theorie. Die Chancen müssen verwandelt, Fehler vermieden werden, sonst bleibt der Abstiegskampf Realität.

„Revival“-Award: Gylfi Sigurdsson

Lange Zeit galt Gylfi Sigurdsson als Aushängeschild der gescheiterten Investitionen des FC Everton auf dem Transfermarkt. 50 Millionen Euro überwiesen die Toffees 2017 für den ehemaligen Hoffenheimer an Swansea. Eine Summe, der der Isländer – bei allem Respekt – realistisch betrachtet, nie gerecht werden konnte. Dabei gehörte Sigurdsson in den letzten Jahren zu den heimlichen Konstanten des FC Everton.

Seit der Ankunft von Carlo Ancelotti, besonders aber von James Rodriguez, musste der Spielmacher immer häufiger mit der Bank Vorlieb nehmen. Seitdem der Kolumbianer allerdings von einer Wadenverletzung gebremst wurde, erhielt Sigurdsson eine neue Chance. Er nutzte sie.

In den letzten vier Spielen erlebte der 31-Jährige nun ein kleines Revival. Beim 1:0-Erfolg über Sheffield United erzielte Sigurdsson das Tor des Tages. Damit hat er nach nur 18 Pflichtspielen 2020/2021 bereits seine Torbeteiligungen aus dem Vorjahr (drei Treffer, vier Vorlagen) getoppt. Mehr noch: Er half seiner Mannschaft dabei, die vier Spiele ohne Rodriguez allesamt zu gewinnen.

 

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(Photo by PAUL ELLIS/AFP/Getty Images)

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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