Slomka und Gisdol | Hannover 96 und die Ratlosigkeit

21. Januar 2019 | Nachspielzeit | BY Manuel Behlert

Nach einer guten Saison 2017/18 gibt Hannover 96 in der laufenden Spielzeit kein gutes Bild ab. Das zeichnete sich bereits im Sommer ab, die Situation nach dem 18. Spieltag ist aber schlechter als man es erwarten konnte. Andre Breitenreiter steht vor der Entlassung – und gehandelt werden wieder einmal die üblichen Verdächtigen. Warum eigentlich? 

Breitenreiter-Aus so gut wie beschlossen

Zwar muss der Aufsichtsrat der Entlassung von Andre Breitenreiter, die mit einer siebenstelligen Abfindungssumme einhergeht, noch zustimmen, aber übereinstimmenden Medienberichten zufolge ist das Aus von Andre Breitenreiter beschlossene Sache. Darauf einigten sich die Verantwortlichen von Hannover 96 bei einer Krisensitzung am Sonntag. Noch zum Ende der Hinrunde verteidigte Martin Kind Trainer Breitenreiter, teilte mit, dass man mit ihm in das neue Jahr gehen werde.

Das stimmte zwar, allerdings wird nun nach nur einem Spiel die Reißleine gezogen, obwohl man Breitenreiter die gesamte Vorbereitung leiten ließ. Ein neuer Trainer hat nun nicht viel Zeit um seine Ideen einzubringen, ein neues Spielsystem zu implementieren. Doch welche Schuld trifft Breitenreiter überhaupt? Sicher, er ist der Trainer der Mannschaft und natürlich auch für dessen Zustand verantwortlich. Und gegen Werder zeigte sich Hannover nicht zum ersten Mal extrem verunsichert und nervös. 

(Photo by Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Allerdings sprach Breitenreiter schon im Sommer die Probleme im Kader an. Salif Sané und Martin Harnik, zwei absolute Schlüsselspieler, wurden für weniger als 10 Millionen Euro abgegeben, Rekordtransfer Jonathas nach Brasilien verliehen, der ganz große Spielraum bestand nicht. Die 6 Millionen Euro für Walace stellten sich noch als sinnvolle Investition heraus, die restlichen Transfers konnten nicht überzeugen. Breitenreiter forderte weitere Spieler, erkannte die Schwächen im Kader, aber der Handlungsspielraum war offenbar zu klein, manche Entscheidungen dürften kritisch hinterfragt werden. Beispielsweise die Verpflichtung von Kevin Wimmer, die nach einer bestimmten Anzahl an Pflichtspielen eine Kaufpflicht beinhaltet, die den bisher nicht überzeugenden Innenverteidiger zum Rekordtransfer macht. 

Wintertransferfenster als Beweis für die Ratlosigkeit

Nach lediglich 11 Punkten aus der Hinrunde forderte Andre Breitenreiter erneut Spieler, diesmal im Wintertransferfenster. Doch erneut gestaltete sich die Suche schwierig, neben den Leihverpflichtungen von Nicolai Müller (Frankfurt) und Kevin Akpoguma (Hoffenheim) wurde der bisherige Rekordtransfer Jonathas von seiner Leihe zurückgeholt und gegen Bremen eingesetzt, ohne überhaupt gesichert zu wissen in welchem körperlichen Zustand sich der Spieler befindet. Natürlich sind auch Verletzungen, wie die von Niclas Füllkrug, ein großes Problem für die 96er, aber der Kader gibt für Schlüsselspieler keinen gleichwertigen Ersatz her, beherbergt zu viel Durchschnitt.

(Photo by Oliver Hardt/Bongarts/Getty Images)

Auch die Aussage, dass Jonathas definitiv der letzte Neuzugang im Winter ist, spricht für die Ratlosigkeit der Vereinsführung. Natürlich ist finanziell nicht viel möglich, ausschließen sollte man eine weitere Verpflichtung, gerade nachdem der Trainer sich weiter für Neuzugänge aussprach, zumindest öffentlich nicht. Dass der Klub dabei kein gutes Bild abgibt, steht außer Frage. 

Gisdol, Slomka – Warum eigentlich?

Wie der „Kicker“ bereits gestern Abend berichtete werden Mirko Slomka und Markus Gisdol als Kandidaten gehandelt. Ein häufig auftretendes Phänomen in der Bundesliga ist, dass Trainer, die bei ihren letzten Stationen keinen oder nur kurzfristigen Erfolg hatten, immer wieder als Kandidaten bei anderen Vereinen, die in der Krise stecken, gehandelt werden. Und häufig eben auch einen neuen Job bekommen. Doch warum eigentlich? Weil diese Trainer sofort zusagen? Weil sie jede Chance, die sich ihnen bietet ergreifen? Das ist eine mögliche Erklärung, jedoch keine, die den Klub in einem guten Licht darstellt.

Markus Gisdol war bei der TSG Hoffenheim 2 1/2 Jahre tätig. Dort leistete er zunächst solide Arbeit, schaffte es aber später nicht das Team entscheidend weiterzuentwickeln, konnte die Probleme nicht beheben und wurde entlassen. Seine 2. Cheftrainerstation dauerte nur etwas mehr als 1 Jahr, diesmal beim Hamburger SV. Dort gelang ihm zunächst in der Saison 2016/17 der Klassenerhalt, in der darauffolgenden Saison wurde Gisdol aber nach der Winterpause entlassen, denn auch hier konnte er die offensichtlichen Probleme nicht beheben, einen langfristigen Effekt einer stetigen, positiven Entwicklung suchte man vergebens. 

(Photo by Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Während Gisdol zumindest zu Beginn seiner letzten beiden Trainerstationen noch ordentliche Resultate einfahren konnte, waren die letzten Engagements von Mirko Slomka eher eine Katastrophe. Slomka arbeitete zunächst mehr als 2 Jahre auf Schalke, ehe er bei Hannover 96 eine erfolgreiche Amtszeit erlebte, den Klub zweimal in die Europa League führte. Nach der Entlassung in Hannover, die im Dezember 2013 erfolgte, kam Slomka nicht wieder auf die Beine. Zwar unterschrieb er kurze Zeit später in Hamburg, doch bereits nach knapp 7 Monaten war mit einem Punkteschnitt von 0,89 Schluss. Nach einer mehr als zweijährigen Pause übernahm Slomka zur Winterpause 2016/17 beim Karlsruher SC, hier wurde er bereits nach 10 Ligaspielen mit einem Punkteschnitt von 0,8 entlassen. 


Die Vereinsführung muss stärker hinterfragt werden

Martin Kind wird ein gutes Verhältnis zu Mirko Slomka nachgesagt. Doch nur weil Slomka schon einmal in Hannover funktioniert hat, muss er dies nicht noch einmal tun. Zumal er zuletzt zweimal Vereine in einer prekären Situation übernommen hat – und keine Lösungen fand. Für die Verantwortlichen der 96er sind Trainer wie Slomka natürlich eine einfache Lösung. Doch wie nachhaltig kann eine solche Entscheidung, so sie denn getroffen werden sollte, sein? Sollte man einen Trainer wie Slomka als „Feuerwehrmann“ holen? Und womit begründet man eine solche Entscheidung? Was denkt die Mannschaft von einer solchen Maßnahme, wenn der Trainer zuletzt jeweils schnell wegen ausbleibendem Erfolg entlassen wurde?

Es stellen sich derzeit viele Fragen rund um Hannover 96.  Wenn offensichtlich klar war, dass Andre Breitenreiter nicht das Vertrauen der Vereinsführung genießt, warum handelt man erst nach der Winterpause? Warum werden, nachdem diese Entscheidung nach dem ersten Rückrundenspiel so schnell getroffen wurde, eben jene Kandidaten gehandelt? Hätte man nicht vielmehr Maßnahmen ergreifen können, um möglicherweise eine kreativere, nachhaltige Lösung auf der Trainerposition zu finden?

Klar ist: Wenn der neue Trainer, wer auch immer im Endeffekt installiert wird, keinen Erfolg hat, muss sich die Vereinsführung noch stärker kritisch hinterfragen. Die Außendarstellung in der laufenden Saison war bereits suboptimal, die Kaderzusammenstellung trotz mehrfacher Hinweise des Trainers mangelhaft. Daraus ergibt sich eine Ausgangsposition, die es jedem neuen Trainer schwer macht, langfristig Erfolg zu haben und mehr zu bewirken als einen kurzfristigen Motivationsschub.

Und wer weiß, vielleicht hat man in Hannover sogar an einer kreativen Lösung auf der Trainerposition gearbeitet und die Außendarstellung, die Fehler der Vereinsführung waren dafür verantwortlich, dass eben jene Lösung abgesagt hat.  Eine Überraschung wäre das nicht. Nach einer Zeit der Kontinuität unter Andre Breitenreiter drohen 96 jedenfalls wieder chaotische Zeiten, wie zwischen 2015 und 2017, als man in 2 Jahren mit Tayfun Korkut, Michael Frontzeck, Thomas Schaaf und Daniel Stendel gleich vier Trainer entlassen hat. 

 (Photo by Cathrin Mueller/Bongarts/Getty Images)


Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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