Spotlight

Nachspielzeit: Badstuber und der VfB – ein kalkulierbares Risiko?

2. August 2017 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Nach einigen Profijahren beim FC Bayern mit zahlreichen Verletzungen und Rückschlägen, aber einem unbändigen Kampfgeist und einer Leihe zum FC Schalke 04, ist Holger Badstuber nun vereinslos. Dem Vernehmen nach ändert sich das aber in den kommenden Tagen, denn der VfB Stuttgart soll mit Badstuber verhandeln und ihn in Kürze unter Vertrag nehmen. Der „Kicker“ meldete den Wechsel bereits fix, die „Bild“ berichtet, dass noch finale Details zu klären sind.

Doch inwiefern lohnt sich der Wechsel für den VfB Stuttgart? Wie gut ist Badstuber noch? Welche Risiken bestehen aufgrund seiner Verletzungshistorie? Diese Fragen werden sich die Verantwortlichen der Schwaben gestellt haben – und wir auch.

Keine Ablöse, viel Gehalt

Natürlich kostet Holger Badstuber keine Ablöse als vereinsloser Spieler. Das ist für den VfB Stuttgart, der als Aufsteiger finanziell nicht gerade auf Rosen gebettet ist ein nicht unerheblicher Aspekt. Zuvor waren die Schwaben offenbar unter anderem an Diego Reyes vom FC Porto interessiert. Der Mexikaner würde aber eine zu hohe Ablösesumme verschlingen, zudem plant Porto offenbar mit ihm – auch weil Bruno Martins Indi und Ivan Marcano noch gehen könnten.

(Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Natürlich sind die Gehaltsverhandlungen ein entscheidender Punkt. Holger Badstuber verdiente beim FC Bayern wohl circa 4,5 Millionen Euro im Jahr und wird in den Gesprächen zumindest seine Möglichkeiten ausloten. Aber: Der VfB Stuttgart wird ihm kein Vertragsangebot unterbreiten, das man sich nicht leisten kann. Ein leistungsbezogener Vertrag, der das Gehalt womöglich mittels Einsatzprämien variabel anhebt, könnte für beide Parteien eine gute Lösung sein. Wenn Badstuber viel spielt und eine wichtige Rolle einnimmt, kassiert er mehr Geld, was wiederum für die Stuttgarter kein Problem ist, wenn er als Stammspieler fungiert.

Badstubers Alternativen

Der Spieler selbst teilte vor wenigen Wochen mit, dass er davon ausgeht, dass bald alles klar ist und dass die möglichen neuen Vereine international vertreten sind. Gut möglich, dass sich an dieser Situation durch die Dauer der Verhandlungen und von den Interessenten getätigten Transfers geändert hat. Badstuber wird Optionen gehabt haben, die sich im internationalen Geschäft befinden, aber der VfB Stuttgart scheint nun die für ihn beste und lukrativste Option zu sein, womöglich auch weil der in Memmingen geborene Badstuber hier nahe an der Heimat ist.

Konkrete Verhandlungen mit anderen Klubs wurden nicht bestätigt. Spanische Medien meldeten, dass Badstuber mit dem FC Sevilla verhandelt habe, aber das ist keine gesicherte Information. Sevilla hat sich nach dem Abgang von Adil Rami für Simon Kjaer entschieden, den man von Fenerbahce loseisen konnte. In den Medien wurde natürlich sofort das nächste Gerücht gestreut und Badstuber wurde mit Fenerbahce in Verbindung gebracht, die ja neuerdings Bedarf haben. Auch das scheint im Endeffekt eher nicht der Fall gewesen zu sein.

Die Verletzungen als Risiko

Mit einem Kreuzbandriss und einer darauffolgenden Reruptur begann die Verletzungsmisere bei Holger Badstuber. Es folgten ein Sehnenriss, Muskelrisse, ein Sprunggelenksbruch, weitere muskuläre Probleme und kleinere Blessuren. Es scheint, als würde sein Körper den Anforderungen im Profifußball nicht mehr in seiner vollen Intensität gewachsen sein. Das ist natürlich das Risiko bei einer Badstuber-Verpflichtung. Natürlich kann jeden anderen Profi im Kader ebenfalls eine langfristige Verletzung ereilen, das Risiko bei Badstuber ist größer. Und der Körper lädierter. Er benötigt auch im normalen Spielbetrieb eher eine Pause, ist aber gleichermaßen aufgrund der Erfahrung nicht unbedingt auf den Rhythmus angewiesen – zumindest nicht individuell.

(Photo by Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

Dafür ist ein Spieler, der regelmäßig spielt, für die grundsätzliche Abstimmung in der Defensivreihe unerlässlich. Beim FC Schalke 04 absolvierte er 10 Bundesligaspiele in der Rückrunde, blieb von größeren Verletzungen verschont. Hier spielte er grundsolide, konnte die Abwehr nach einer kurzen Eingewöhnungsphase in einer ohnehin nicht einfachen Saison aber nicht signifikant verstärken. Dennoch zeigte er seine Bundesligatauglichkeit und spielte über einen längeren Zeitraum und konnte sich Selbstvertrauen holen. Auch in der Sommerpause wird der Spieler an seinem körperlichen Zustand gearbeitet und weitere Stabilisierungen der Bänder und der Muskulatur vorgenommen haben.

Das gibt Badstuber Stuttgart

Bei allen Punkten, die eine gewisse Skepsis hervorrufen, muss man auch die Punkte beachten, die für eine Verpflichtung sprechen. Hannes Wolf ist ein innovativer, junger, spannender Trainer mit einer klaren Vorstellung von Fußball. Wenn er Holger Badstuber als Option sieht, muss man davon ausgehen, dass diese Wahl durchdacht ist. Badstuber kann als zentrales Glied einer Dreierkette für den Spielaufbau sorgen und sowohl in der Dreier- als auch in der Viererkette mit seiner Erfahrung und seinem ausgeprägten Stellungsspiel, seiner immens guten Antizipation die Schnelligkeits- und Antrittsdefizite, die mittlerweile zumindest zeitweise auffallen, kaschieren.

Die Innenverteidigung des VfB Stuttgart besteht mit Baumgartl (21), Pavard (21), Onguene (19) und Kaminski (25) weitgehend aus sehr jungen Spielern. Badstuber könnte diese Abwehr führen, ihr mit seiner Erfahrung den nötigen Rückhalt geben und den jungen Spielern, selbst wenn er nicht auf dem Platz steht, einiges beibringen. Ein solcher erfahrener Spieler würde auch im Mannschaftsgefüge eine wichtige Rolle spielen, könnte neben Kapitän Gentner und Zieler, Terodde oder Ginczek ein wichtiger Ansprechpartner sein. Fußballerisch kann diese Verpflichtung definitiv ein Gewinn für den VfB sein, menschlich wird sie es wahrscheinlich sein.

Im Endeffekt muss man abwarten, welche Rolle Badstuber beim VfB spielen kann. Sollten die Verhandlungen erfolgreich sein, wird man in Stuttgart einen potenziell immer noch sehr guten Verteidiger verpflichten und kein erhebliches finanzielles Risiko eingehen. Ein Vertrag, der zunächst nur ein oder zwei Jahre gültig ist – mit entsprechender Option – könnte eine gute Herangehensweise sein. Badstuber weiß selbst, dass er die Qualität hat, um sich bei den Schwaben zu einem wichtigen Mosaikstein im Kampf um den Klassenerhalt und eine spätere Etablierung in der Bundesliga zu entwickeln. Wenn nicht, wird dieses „Projekt“ zeitnah wieder beendet. Eine großartige Wahl scheinen die Stuttgarter aufgrund der offenbar mangelnden Alternativen nicht zu haben.

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


Ähnliche Artikel