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Lille, PSG, Monaco, Lyon – Der Meisterschaftskampf in Frankreich

22. April 2021 | Spotlight | BY Lukas Heigl

Spotlight ǀ Am Sonntag empfängt Olympique Lyon zum vorletzten Topspiel der Ligue 1 den LOSC Lille. Beide Mannschaften sind mittendrin im spannenden Vierkampf um die französische Meisterschaft. In der Folge geben wir einen kurzen Überblick darüber, was die vier Meisterschaftskandidaten ausmacht und geben eine Prognose über den Ausgang ab.

Die Ausgangslage im Meisterschaftskampf in Frankreich:

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Wichtig zu wissen ist zunächst, dass die französische Liga als fünftbeste Liga in der Fünf-Jahres-Wertung nicht vier Startplätze für die Champions League erhält, sondern nur zwei direkte sowie einen Qualifikationsplatz. Der Tabellenvierte muss in der kommenden Saison Europa League spielen.

Vor allem für Lille, Monaco und Lyon geht es daher nicht in erster Linie um die Meisterschaft, sondern vor allem um einen finanziell sehr wichtigen Platz in der Königsklasse. Neben den fehlenden Zuschauereinnahmen aufgrund der Corona-Pandemie sowie der Insolvenz des Haupt-TV-Partners Téléfoot Chaine gibt es noch weitere Gründe für die finanziellen Nöte der Mannschaften:

Monaco und Lyon konnten sich letzte Saison nicht für das internationale Geschäft qualifizieren und hatte somit in dieser Saison noch einmal weniger Einnahmen, Lille stand aufgrund finanzieller Probleme des ehemaligen Besitzers Gerard Lopez (49) im Dezember 2020 sogar kurz vor der Insolvenz. Nur durch einen Verkauf der Anteile konnte diese abgewendet werden.

LOSC Lille

Starkes Führungsduo neben dem Platz

Die Nordfranzosen haben sich wieder zu einer echten Spitzenmannschaft in Frankreich entwickelt. Der Grund für den Erfolg sind zwei Namen: Luis Campos (56) und Christophe Galtier (54). Beide kamen 2017 in den Verein, Campos als Sportdirektor und Galtier als Trainer. Vor allem der Portugiese Campos wird von vielen Experten in ganz Europa als einer der Besten seines Fachs gefeiert. Im vergangenen Sommer zeigte er sein ganzes Können.

Der Kern der Mannschaft konnte zusammengehalten werden, der Kader wurde punktuell verstärkt und nebenbei wurde ein Transferplus von fast 60 Millionen Euro erzielt. Gerade der Verkauf von Victor Osimhen (22) nach Neapel war ein Meisterstück von Campos. Der Nigerianer brachte Lille nach nur einem Jahr im Verein einen Gewinn von fast 50 Millionen Euro ein. Den Nachfolger Osimhens, namentlich Jonathan David (21), bekam man für über 40 Millionen Euro weniger.

Tiefe, Qualität und Mischung im Kader sind sehr stark

Insgesamt stimmt die Mischung zwischen Alt und Jung im Kader. Lille hat einige hochtalentierte Spieler wie etwa Jonathan Ikone (22) oder den ehemaligen Bayern-Spieler Renato Sanches (23), aber auch erfahrene Haudegen wie Abwehrchef Jose Fonte (37) und Mittelstürmer Burak Yilmaz (35).

Federico Pestellini / Imago

Der Kader ist insgesamt sehr breit aufgestellt, kaum ein Spieler ist unersetzlich. Das zeigt sich zum einen an den Torschützen. David und Yilmaz sind mit je zehn Toren die Toptorjäger, insgesamt acht Spieler stehen bei mindestens drei Treffern. Zum anderen zeigt es sich bei den Einsatzzeiten. Außer in der Innenverteidigung und im Tor rotiert Galtier regelmäßig, Ausfälle etwa von Sanches oder Yusuf Yazici (24) konnten ohne Qualitätsverlust aufgefangen werden.

Starke Defensive als Fluch und Segen

Taktisch agiert die Mannschaft aus einem kompakten 4-4-2 heraus. Man spielt sehr bedacht und geht kein unnötiges Risiko. Durch diese Spielweise und das sich perfekt ergänzende Innenverteidiger-Duo Fonte und Sven Botman (21) stellt Lille mit erst 20 Gegentoren in 33 Spielen die mit Abstand beste Abwehr der Liga.

Die Spielweise führt dazu, dass Lille in den Topspielen für gewöhnlich sehr stark performt, dafür gegen kleinere Mannschaften unnötige Punktverluste hinnehmen muss. So setzte es alle drei Saisonniederlagen gegen Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte, während die Doggen gleichzeitig gegen Lyon, Paris und Monaco bei neun Punkten in fünf Spielen stehen. Neben den Niederlagen tun auch die zahlreichen Unentschieden weh, bereits zehnmal teilte Lille sich mit dem Gegner die Punkte.

PSG

Verletzungspech während der ganzen Saison

Dass PSG auf dem Papier die qualitativ stärkste Mannschaft in Frankreich hat, dürfte jedem bewusst sein. Der Hauptgrund, warum der Serienmeister in dieser Saison dennoch Probleme hat, ist, dass viele Schlüsselspieler zu häufig verletzt fehlen. Von den 33 Ligaspielen stand Kylian Mbappe (22) mit 28 Einsätzen am öftesten auf dem Feld, in Spielminuten gerechnet musste jeder Stammspieler bereits neunmal aussetzen. Im Schnitt fehlten pro Spiel also drei Spieler aus der Startformation.

Besonders hart traf es die Offensive. Mauro Icardi (28) steht erst bei 16 Einsätzen, Superstar Neymar (29) gar bei 13. Die großen Ausfallzeiten der Kaderstützen fallen schwer ins Gewicht. Ganz extrem war das ganze zu Saisonbeginn. Nur 18 Tage nach dem verlorenen Champions-League-Finale stand der Liga-Auftakt an. Einige Spieler fehlten verletzt, andere bekamen ein paar Tage Pause, und so verlor Paris mit einer hauptsächlich aus Ersatzspielern bestehenden Mannschaft die ersten beiden Partien.

Probleme nach internationalen Spielen und in Topspielen

Neben den Verletzungen hat die Mannschaft nach internationalen Spielen regelmäßig ein Motivationsproblem in der Liga. Nach beiden Spielen im Achtelfinale der Champions League gegen den FC Barcelona (4:1, 1:1) setzte es am Wochenende eine Niederlage, genauso nach dem letzten Gruppenspiel. Das Erreichen des Halbfinals in der Königsklasse könnte sich für die Meisterschaftschancen durchaus negativ auswirken. Im Spiel am Wochenende wäre es beinahe erneut zu Punktverlusten gekommen, Icardi rettete in der fünften Minute der Nachspielzeit den Sieg (3:2 gegen Saint-Etienne).

In den Topspielen gegen die direkten Konkurrenten agierte Paris die ganze Saison über schwach. Nur ein Sieg und vier Punkte aus sechs Spielen sprechen eine deutliche Sprache. Vor allem Superstar Mbappe taucht regelmäßig ab, in nur zwei der sechs Spiele konnte der Franzose Torbeteiligungen beisteuern. Ein Vorteil für Paris im Saisonendspurt ist also sicherlich, dass der beste verbleibende Gegner der Tabellenfünfte RC Lens ist.

Trainereffekt verpufft

Auch nach dem Trainerwechsel von Thomas Tuchel (47) hin zu Mauricio Pochettino (49) verbesserten sich die Leistungen nicht wirklich. Tuchel musste Ende Dezember gehen. Grund war nicht in erster Linie die sportliche Leistung, sondern vielmehr, dass der Deutsche den interenen Kampf gegen Sportdirektor Leonardo (51) verloren hat. Unter Tuchel hatte die Mannschaft in dieser Saison einen Punkteschnitt von 2,06, unter Neu-Trainer Pochettino einen von 2,13. Auch spielerisch ist kaum ein Fortschritt zu erkennen.

Während Tuchel sehr flexibel war und seine Taktik dem zur Verfügung stehenden Spielermaterial anpasste, hält Pochettino sehr starr an seinem 4-2-3-1 fest. So kam es bereits mehrfach vor, dass Spieler positionsfremd eingesetzt wurden. Marco Verratti (28) beispielsweise spielte bereits auf der Zehn, Innenverteidiger Abdou Diallo (24) hilft regelmäßig als Linksverteidiger aus. Von der vom Argentinier Anfang Januar angekündigten offensiven Spielweise ist ebenfalls noch nicht viel zu sehen. Vielmehr verlässt sich Pochettino sehr auf die individuelle Qualität von Neymar, Mbappe und Co.

Monaco

Entwicklung der Talente sorgt für Aufschwung

Die Mannschaft aus dem Fürstentum hat sich im Laufe der Saison extrem gesteigert. Nach dem 15. Spieltag stand die Mannschaft von Trainer Niko Kovac (49) mit bereits sechs Niederlagen auf Rang acht. Seitdem kam in 18 Spielen nur noch eine Niederlage dazu. Im Kalenderjahr 2021 ist Monaco die mit Abstand beste Mannschaft der Liga, 41 Punkte aus 16 Spielen sind fünf bis zehn Punkte mehr als die Konkurrenz.

Grund für den starken Lauf ist vor allem die Entwicklung der eigenen Talente. In der Stammelf befinden sich inzwischen sechs Spieler im Alter von 23 Jahren und jünger, mit Aurelien Tchouameni (21), Youssouf Fofana (22) und Benoit Badiashile (20) gehören die drei Spieler mit den meisten Einsatzminuten zu dieser Gruppe. Man kann die Entwicklung der Spieler von Woche zu Woche erkennen. Da diese drei Spieler allesamt Defensivspieler sind, hat sich vor allem die Defensive im Laufe der Saison stark verbessert. In den letzten neun Spielen kassierte die Mannschaft nur einen Gegentreffer.

Das perfekte Sturmduo und ein interner Neuzugang

Offensiv läuft es hingegen schon die ganze Saison hervorragend. Mit 70 Treffern stellt man die zweitbeste Offensive der Liga. Vor allem das Sturmduo Kevin Volland (28) und Wissam Ben Yedder (30) agiert auf höchstem Niveau. Gemeinsam kommen die beiden bereits auf 32 Tore. Die Spielweisen der beiden passen perfekt zusammen. Volland agiert als hängende Spitze, der viel am Spiel teilnimmt. Ben Yedder hingegen ist ein klassischer Strafraumstürmer. Der französische Nationalspieler geht dabei nicht ausschließlich auf den eigenen Abschluss, sondern sucht und findet auch immer wieder seine Nebenleute.

Wie gut das Zusammenspiel ist sieht man daran, dass die Beiden sich bereits neun Treffer gegenseitig aufgelegt haben. Zu den beiden Topstürmern hat sich in der Rückrunde auch noch Aleksandr Golovin (24) gesellt. Der russische Kreativspieler fiel nahezu die komplette Hinrunde aus und kann daher als eine Art „interner Neuzugang“ gesehen werden. Seit seiner Rückkehr – die zeitlich zum Aufschwung der Mannschaft passte – ist das Angriffsspiel der Monegassen noch unberechenbarer. Golovin steht in 17 Einsätzen bei starken zwölf Torbeteiligungen, vor allem seine acht Vorlagen sind herausragend.

Lyon

Die Formkurve zeigt wieder nach oben, doch der dünne Kader zeigt Schwächen

Bei Lyon zeigte die Formkurve vor der Länderspielpause genau in die entgegengesetzte Richtung als die von Monaco. Nur acht Punkte aus sechs Spielen bei einem Torverhältnis von 9:10 mit nur einem Spiel ohne Gegentor sind eher Zahlen einer Mittelfeldmannschaft. Es machte sich bemerktbar, dass der Kader sehr dünn ist, Ausfälle und Formtiefs wichtiger Spieler können nicht kompensiert werden. Vor allem das Fehlen von Mittelfeldspieler Houssem Aouar (22) tat der Mannschaft weh.

Imago

In dieser Zeit war vor allem bedenklich, dass das über weite Strecken der Saison sehr starke Offensivtrio Memphis Depay (27), Karl Toko Ekambi (28) und Tino Kadewere (25) zuletzt nicht mehr in Form ist. In den ersten 25 Spielen trafen die drei zusammen 29-mal, in den sechs Spielen nur noch dreimal. Im Winter wollte Lyon eine weitere Dimension in das eigene Spiel integrieren, nämlich hohe Bälle. Hierfür wurde Islam Slimani (32) aus Leicester geholt und Backup-Stürmer Moussa Dembele (24) leihweise nach Madrid abgegeben. Aufgegangen ist der Plan bisher nicht, Slimani steht bei einem Treffer.

Nach der Pause steht die Mannschaft in drei Spielen bei sieben Punkte, ein Aufwärtstrend ist zu sehen. Vor allem Depay ist wieder in Topform, dem Niederländer gelangen in den letzten beiden Spielen drei Treffer. Im letzten Spiel in Nantes (2:1) kam auch noch Aouar zurück, ein weiterer Hoffnungsschimmer.

Prognose

Eine Prognose darüber zu treffen, wie die Saison enden wird, ist quasi unmöglich. Alle Teams befinden sich in einer ähnlichen Form, haben Stärken und Schwächen. Inzwischen kann man Lyon nicht einmal mehr als klaren Kandidaten auf Platz vier sehen, was vor zwei Wochen noch der Fall gewesen ist. Tendentiell sieht es so aus, als würde Lille die Tabellenführung nicht bis zum Ende verteidigen können. Es ist sogar gut möglich, dass die Doggen noch auf Rang vier abrutschen. Platz drei und vier dürfte sich im Spiel am Sonntag gegen Lyon entscheiden.

Um die Meisterschaft streiten sich wohl Monaco und Paris. Hierbei dürfte den Monegassen das Erreichen des Halbfinals der Champions League von PSG entgegen kommen. Der Spielplan spricht hingegen klar für PSG. Monaco muss noch gegen Lyon, Rennes und Lens antreten. Daher ist die aktuelle Prognose, dass PSG den Titel am Ende doch noch holt und Monaco auf Platz zwei landet.

Photo: Imago

Lukas Heigl

Liebhaber des britischen Fußballs: Von Brighton über Reading und Wimbledon bis nach Inverness. Ist mehr für Spiele der dritten englischen Liga als für den Classico zu begeistern. Durch das Kommentatoren-Duo Galler/Menuge auch am französischen Fußball interessiert


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