Serie A Vorschau Teil 3: Atalanta, Roma, Hellas, Benevento

16. September 2020 | Serie A | BY 90PLUS Redaktion

Am Wochenende startet die Serie A in die Saison 2020/21. Im dritten Teil der 90PLUS-Saisonvorschau stellen wir Atalanta BC, die Roma, Hellas Verona und Benevento vor.

  • Atalanta: Bleibt die Offensive auf dem Gaspedal?
  • Roma: Fonseca will die Entwicklung vorantreiben!
  • Benevento: Punktesammeln für den Ligaverbleib

Teil 1: Inter, Fiorentina, Parma, Crotone

Teil 2: Milan, Cagliari, Udinese, Genoa

Atalanta BC

Letzte Saison: 3. Platz

Atalanta BC war eine der Topmannschaften in der Saison 2019/20. Das traf nicht nur auf die Serie A, sondern auch auf die internationalen Wettbewerbe zu. „La Dea“ schaffte es in das Viertelfinale der UEFA Champions League, in der höchsten italienischen Spielklasse erreichte die Mannschaft von Trainer Gian Piero Gasperini (62) den dritten Platz. Das war der vorläufige Höhepunkt einer grandiosen Entwicklung.

(Photo by Rafael Marchante/Pool via Getty Images)

Im Fokus stand vor allem die Offensive. Die Lombarden spielten mit einer solch eminenten und kaum greifbaren Wucht, dass sie die Gegner reihenweise vom Platz fegten. 98 Tore erzielte Atalanta in der Liga, im Achtelfinale der Champions League konnten zweimal vier Tore gegen Valencia erzielt werden. Das Ziel von Atalanta ist klar: Das Niveau soll nun gehalten werden – mindestens. 

Atalanta: Wieder einmal kreative Transfers

In den vergangenen Jahren zeichnete sich Atalanta vor allem durch kreative Transfers aus. Es ist keine Mannschaft, die für viel Geld zusammengekauft wurde, sondern vielmehr ein Zusammenspiel aus Schnäppchen, die anderswo keine allzu große Rolle mehr spielten, und Akteuren, die im System Gasperini aufblühten. 

Zunächst werfen wir einen Blick auf die Abgangsseite. Einige Spieler wurden verliehen, wiederum andere verließen den Verein ablösefrei. Viele Akteure, die von Atalanta zu einem anderen Klub gewechselt sind, spielten im Kader ohnehin keine große Rolle mehr. Der Abgang von Timothy Castagne (24), der für 24 Millionen Euro zu Leicester City wechselte, ist allerdings durchaus ein relevanter Faktor. Der Belgier war ein sehr zuverlässiger Spieler für die Position vor der Dreierkette. Auch der Abgang von Gianluca Mancini (24) zur Roma spülte Atalanta rund 13 Millionen Euro in die Kasse. Der Verteidiger war zuvor bereits an die Giallorossi verliehen.

Jeden einzelnen Leihrückkehrer auf der Zugangsseite aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Die Konzentration liegt also hier auf den fest verpflichteten Spielern. Cristiano Piccini (27, Valencia) und Cristian Romero (22, Juventus) verstärken die Defensive. Mit Mario Pasalic (25, Chelsea, zuvor ausgeliehen) und Simone Muratore (22, Juventus) wird das Mittelfeldzentrum verstärkt, wenngleich Muratore sofort wieder verliehen wird. In der Offensive soll Aleksey Miranchuk (24), der von Lok. Moskau kam, für neue Impulse sorgen.

Atalanta muss sich nicht neu erfinden

Zwar könnte Papu Gomez (32), der Antreiber in der Offensive, den Verein durchaus noch verlassen, aber selbst dann muss Atalanta keine allzu großen Veränderungen herbeiführen. Der Kern der Mannschaft bleibt erneut zusammen, Gian Piero Gasperini wird wieder einmal dafür sorgen, dass die Mischung aus Wucht, Disziplin und läuferischer Stärke aufrecht erhalten werden kann.

(Photo by Alessandro Sabattini/Getty Images)

Charakteristisch für Atalanta ist das 3-4-1-2-System, das gelegentlich – je nach Personal – leicht angepasst wird. Aufgebaut wird häufig über die Außenbahnen, wenn sich Räume ergeben, sollen diese schnellstmöglich genutzt werden. Atalanta spielt mit einer ungeheuren Wucht und schafft es häufig, den Gegner in der Defensive regelrecht einzuschnüren.

Hinzu kommen sehr gut einstudierte Angriffsabläufe, Wingbacks, die viel Druck machen und gleich mehrere Spieler, die unspektakulär anmuten, aber vor allem aus der zweiten Reihe sehr gefährlich sind. Beispielhaft zu erwähnen wären Marten de Roon (29), Remo Freuler (28) oder Ruslan Malinovskyi (27), die nicht zu den größten Namen im europäischen Fußball gehören, aber perfekte Systemspieler für Gasperini darstellen. 

Es gibt noch Raum für Verbesserungen

Und dennoch gibt es trotz des schon hohen Niveaus noch Optimierungsbedarf. Die Kaderbreite ist noch nicht ideal – obwohl sehr viele Spieler im Kader stehen. Das Problem ist vielmehr, dass die Qualität nach den ersten 15, 16, vielleicht 17 Spielern deutlich abfällt. Transfers wie die von Miranchuk oder Romero sind hier der genau richtige Schritt, um die Qualität zu erhöhen und gleichzeitig Spieler zu verpflichten, die von ihrer Spielanlage zum Rest der Mannschaft passen. 

Verbesserungspotenzial besteht auch in der Defensive. Punktuell auftretende individuelle Fehler, die für Gegentore sorgten, müssen verhindert werden. Generell wird sehr kompromisslos und mit viel Wucht verteidigt, nach Ballgewinn wird das Spielgerät auch einmal weit in die generische Hälfte geschlagen. Das ist nicht einmal ein Problem, denn mit physisch starken Angreifern wie Duvan Zapata (29) können diese Bälle wunderbar verwertet werden. Das Gesamtgefüge ist also weiterhin sehr stark, es sind nur kleine Stellschrauben, an denen zu drehen ist. 

Im Fokus: Ruslan Malinovskyi 

Dass Ruslan Malinovskyi ein wichtiger Spieler für die Lombarden ist, wurde bereits angesprochen. Der Ukrainer ist kein unangefochtener Stammspieler, aber dennoch sehr wichtig für die Mannschaft. Er bewegt sich im Mittelfeld sehr geschickt, weiß, welche Räume er in welcher Situation zu besetzen hat und schaltet sich immer wieder klug in das Offensivspiel ein. 

(Photo by MIGUEL MEDINA/AFP via Getty Images)

Malinovskyi verfügt vor allem über einen sehr harten und präzisen Schuss aus der Distanz. In einer offensiv ausgerichteten Mannschaft, die häufig zu Gelegenheiten kommt, kann er diese Qualität sehr häufig zeigen. In 44 Pflichtspielen, die Malinovsky in der Vorsaison absolvierte, gelangen ihm neun Tore und sieben Vorlagen. Diese Quote, die angesichts von rund 1800 Einsatzminuten durchaus beeindruckend ist, will er mit noch mehr Einsatzzeiten noch einmal in die Höhe schrauben. 

Prognose

Atalanta bleibt eine sehr gute Mannschaft, selbst wenn Papu Gomez den Verein noch verlassen sollte. Das System ist einstudiert, der Kader bewegt sich auch in der Breite in die richtige Richtung. Doch die Konkurrenz schläft nicht. Eine Platzierung unter den ersten vier Mannschaften ist sehr gut möglich, aber Schwächen darf man sich nicht erlauben. 

Manuel Behlert

AS Roma

Letzte Saison: 5. Platz

Die AS Roma galt über die letzten Jahre gemeinsam mit der SSC Napoli als die zweite Kraft hinter Juventus im italienischen Fußball. So landete der Verein alleine von 2013 bis 2018 drei Mal auf dem zweiten sowie zwei Mal auf dem dritten Platz. Als der Verein aus der italienischen Hauptstadt im Frühjahr 2018 noch sensationell den FC Barcelona im Viertelfinale aus der Champions League war, erreichte diese Entwicklung ihren Höhepunkt.

Doch ausgerechnet ab diesem Moment ging die sportliche Entwicklung wieder in eine andere Richtung. Die Roma beendete die vergangenen beiden Spielzeiten mit enttäuschenden Resultaten: Nur der sechste und fünfte Rang sollte herausspringen. Auch der Wechsel auf der Trainerbank zu Paulo Fonseca (47) brachte (noch) keine nachhaltige Verbesserung. Was für die Anhänger noch schwerer wiegen dürfte: Die AS Roma ist nicht einmal mehr die Nummer 1 in der eigenen Stadt. Lazio hatte 2019/20 bis kurz vor Schluss gar Chancen auf den Scudetto.

(Photo by Friedemann Vogel/Pool via Getty Images)

Man mag sich gar nicht vorstellen, welche Schmach dies für die Roma-Anhänger bedeutet hätte, wenn ausgerechnet der Erzrivale die Liga gewonnen hätte, während die „Lupi“ selbst seit der letzten Meisterschaft 2001 insgesamt neun Mal (!) nur als Zweiter ins Ziel einliefen. Fonseca und seine Mannschaft hatten am Saisonende einen Rückstand von acht Punkten auf die Champions-League-Plätze. Der Coach blieb dennoch im Amt – und muss im kommenden Jahr definitiv bessere Ergebnisse erzielen.

AS Roma: Umbruch deutet sich an

Um im nächsten Jahr nach zwei Jahren Abwesenheit mal wieder unter den Top Vier zu landen, ist der Verein scheinbar gewillt, einen nicht zu verachtenden personellen Umbruch zu vollziehen. Und dieser könnte womöglich sogar den größten Namen im Kader von „La Magica“ treffen: Kapitän Edin Dzeko (34). Der ehemalige Bundesliga-Torschützenkönig des VfL Wolfsburg errang in seinen fünf Jahren in der Hauptstadt unter anderem die gleiche Auszeichung in der Serie A (29 Tore 2016/17), doch dieses Kapitel könnte nun zu Ende gehen. Denn offenbar möchte die Roma den mittlerweile 34-Jährigen durch den deutlich jüngeren Arkadiusz Milik (26/SSC Napoli) ersetzen. Sollte der Transfer des Polen gelingen, dürfte es Dzeko zu Meister Juventus ziehen.

Der aktuelle Umgang mit Vereinsikonen lässt neutrale Beobachter sowieso mit der Stirn runzeln: Im vergangenen Jahr ließ die Roma Daniele De Rossi (37) ablösefrei zu den Boca Juniors nach Argentinien ziehen. In diesem Sommer verließ auch Ex-Kapitän und Eigengewächs Alessandro Florenzi (29) den Verein in Richtung PSG, zwar auf Leihbasis, dafür aber mit einer geringen Kaufoption ausgestattet. Fonseca hatte für Florenzi nach dessen langer Verletzung keine Verwendung im Kader, schon in der letzten Rückrunde war der Urgestein an Valencia ausgeliehen. Es mag zwar zu einem gewissen Zeitpunkt erforderlich sein, sich auch von verdienten Spielern zu trennen. Das dadurch entstehende Vakuum in Sachen Leadership sollte dabei aber ebenso nicht völlig außer Acht gelassen werden.

(Photo by FILIPPO MONTEFORTE/AFP via Getty Images)

Ansonsten, wie auch im Fall Florenzi, haben bisher primär Spieler die Roma verlassen, welche sowieso bereits verliehen waren und sportlich keine Rolle mehr spielten. Patrik Schick (24) wechselte für rund 26 Millionen Euro zu Bayer Leverkusen. Der permanente Wechsel von Gregiore Defrel (29) zu Sassuolo spülte neun Millionen Euro in die Kassen, während der Abgang von Maxime Gonalons (31/FC Granada) etwas weniger als die Hälfte davon einbrachte. Bei den ausgelaufenen Leihen von Nikola Kalinic (32/Atletico) sowie Davide Zappacosta (28/Chelsea) entschied man sich gegen eine weitere Zusammenarbeit. Etwas überraschend kam der Wechsel von Aleksandr Kolarov (34) gegen eine geringe Ablöse zu Inter, war der Serbe doch unter Fonseca ein unbestrittener Stammspieler.

Im Hinblick auf die Zugänge ging der Verein wie viele seiner Liga-Konkurrenten vor: (Gute) Leihspieler fest unter Vertrag nehmen. Dies wurde unter anderem mit Innenverteidiger Gianluca Mancini (23/Atalanta/13 Millionen Euro) und Mittelfeldspieler Jordan Veretout (27/Fiorentina/16 Millionen Euro) getan. Auch Flügelstürmer Carles Perez (22) wurde für elf Millionen Euro fest vom FC Barcelona verpflichtet. Ohne Ablöse gelang dies mit Henrikh Mkhitaryan (31/Arsenal). Ebenfalls ohne finanzielle Kompensation kommt Welt- und Europameister Pedro (33) von Chelsea in die italienische Hauptstadt. Über eine Weiterbeschäftigung von Chris Smalling (30/Manchester United) konnte bisher noch keine Übereinkunft gefunden werden. Dass damit die personellen Planungen zu Ende sind, dürfte im Hinblick auf die oben geschilderten Gerüchte um Dzeko und Milik eher zu bezweifeln zu sein. Daneben wird auch Cengiz Ünder (23) mit einem Wechsel in Verbindung gebracht.

AS Roma: Erfolg durch Dreierkette – auch 2020/21?

Blickt man auf die letzte Saison zurück, dann hätte ein taktischer Kniff von Fonseca zu einem frühen Zeitpunkt womöglich für ein besseres Endresultat gesorgt. Denn die Roma operierte über weite Strecken 2019/20 mit einem 4-2-3-1 System, ohne die gewünschten Erfolge zu haben. Als nach dem Restart nach der Corona-Unterbrechung gleich drei Spiele in Folge verloren wurden, entschied sich der portugiesische Coach zu der Veränderung.

Von nun an liefen die „Lupi“ in einem 3-4-2-1 System auf, welches je nach Spielverlauf auch zu einem 5-3-2 modifiziert werden konnte. Und die gewünschten Ergebnisse kamen gleich mit: Von den letzten achten Spielen in der Serie A gewann man auf diese Weise gleich sieben (!) und teilte sich ein Mal die Punkte. Letzten Endes rettete diese Maßnahme die Qualifikation für die Europa League. Behält Fonseca daher diese Taktik auch in der nächsten Runde bei?

(Photo by ANDREAS SOLARO/AFP via Getty Images)

Die Dreierkette von Torhüter Pau Lopez (25) würde sich in diesem Fall momentan von alleine aufstellen, stehen neben dem erwähnten Mancini lediglich der vielversprechende Roger Ibanez (21) sowie Routinier Federico Fazio (33) im Kader, sollte Juan Jesus (29) tatsächlich den Verein noch verlassen. Unabhängig vom Verbleib des Brasilianers muss hier definitiv noch nachgelegt werden, umso wichtiger wäre daher die Realisierung des Smalling-Transfers. Die Positionen der „Wingbacks“ dürften in der Regel von Bruno Peres (30) auf den rechten sowie von Leonardo Spinnazzola (27) auf der linken Seiten ausgefüllt werden.

Auch die beiden Sechser gehen mit einem kleinen Vorsprung aus dem erfolgreichen Ende der Rückrunde ins Rennen. Nicht umsonst nahm die Roma für die dauerhafte Verpflichtung von Veretout ordentlich Geld in die Hand, der Franzose erwies sich als adäquater Partner zu Amadou Diawara (23). Vor den beiden Stabilisatoren setzte Fonseca keine klassischen Flügelstürmer ein, sondern versuchte (recht erfolgreich) einen Mix aus zwei kreativen Mittelfeldspielern, die man eher als „Zehner“ kategorisieren würde. Vor allem Mkhitaryan legte 2019/20 einen starken Schlussspurt hin, harmonierte prächtig mit seinem Partner und italienischen Nationalspieler Lorenzo Pellegrini (24). Ob in vorderster Front weiterhin Dzeko oder eben Milik aufgeboten wird, dürfte sich zeitnah entscheiden. Allerdings eröffnen die Verpflichtungen von Pedro oder Perez mehrere Varianten im offensiven Bereich, auch der talentierte Justin Kluivert (21) sowie die erfahrenen Diego Perotti (32) und Javier Pastore (31) stehen hier (aktuell) noch zur Verfügung.

Player to watch: Henrikh Mkhitaryan

Hier müsste eigentlich fraglos Nicolo Zaniolo (21) stehen, doch der hochtalentierte Youngster verletzte sich erst kürzlich zum wiederholten Male schwer am Knie: Ein furchtbarer Rückschlag für den Verein und auch für den italienischen Fußball selbst. Man braucht bei Zaniolo wirklich nicht lange, um zu der Feststellung zu gelangen, was hier für ein Ausnahmespieler heranwächst. Durch seinen Ausfall wird ein anderer Akteur mehr Verantwortung schultern müssen. Diese Eigenschaft war dem Spieler, trotz seiner mittlerweile beachtlichen Erfahrung, stets abgesprochen worden: Mkhitaryan.

(Photo by Francesco Pecoraro/Getty Images)

Der Armenier verließ nach seiner Fabelsaison 2015/16 Borussia Dortmund, fand in der Premier League weder bei Manchester United noch bei Arsenal sein wahres Glück. Bei beiden Vereinen zeigte Mkhitaryan durchaus positive Ansätze, letzten Endes ist es dennoch ein deutliches Zeichen, dass ihn beide Klubs mehr oder weniger ohne großes Zögern nach so kurzer Zeit bereits abgaben. Bei der AS Roma kann der 31-Jährige vor allem in der Abwesenheit Zaniolos zeigen, dass er mit seinen überragenden Anlagen noch immer ein Unterschiedsspieler in einer internationalen Spitzenmannschaft sein kann.

Prognose

In den nächsten Wochen kann auf dem Markt noch viel passieren und die AS Roma ist dahingehend anscheinend bereit, ziemlich viele Steine umzudrehen. Ob die bereits vorhandene Qualität ausreicht, um wieder zu den vier besten Teams des Landes zu gehören, muss aktuell angezweifelt werden. Inter, Lazio und Atalanta haben sich in diesem Sommer keinesfalls verschlechtert, darüber hinaus scheinen die im letzten Jahr enttäuschenden Napoli und Milan im Aufwind zu sein. Fonseca hat zwar gegen Ende der Vorsaison seine taktische Marschroute gefunden, dass damit im Endergebnis mehr als ein Europa-League-Platz herausspringen wird, erscheint eher fraglich.

Marius Merck

Hellas Verona

Letzte Saison: 9. Platz

Der neunte Tabellenplatz in der Serie A ist für Hellas Verona der größte Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte. Seit der Saison 1999/2000, in der sie unter Trainer Cesare Prandelli ebenfalls den neunten Platz erreichten, gelang den „Gialloblu“ kein besseres Abschneiden mehr. Vor dem Hintergrund, dass die Mitaufsteiger Brescia und Lecce, die im Gegensatz zu Hellas sogar direkt aufgestiegen waren, direkt wieder abgestiegen sind, ist diese Leistung umso eindrucksvoller.

Der größte Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte

Doch nicht nur die Ergebnisse und die Endplatzierung sind überzeugend, auch die Leistung war dem Abschneiden absolut angemessen. Anhand der xP-Statistik (Expected Points) von understat.com hätte Hellas Verona sogar mit 1,26 Punkten mehr rechnen dürfen, als sie am Ende erzielten, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass sie 5,49 Tore weniger erzielten, als zu erwarten gewesen wäre. Allerdings haben sie auch 2,95 Gegentore weniger kassiert, als nach xGA zu erwarten gewesen wäre, was wiederum erste Hinweise auf mögliche Verbesserungspotenziale gibt. 

Mit nur 47 erzielten Toren stellten die „Mastiffs“ die fünftschlechteste Offensive, was die tatsächlich erzielten Tore anbetrifft, während sie mit 51 Gegentoren immerhin die neuntbeste Defensive anzubieten hatten – nach xG bzw. xGA wären es die zwölftbeste Offensive und die zehntbeste Defensive. 

Bei einer etwas genaueren Betrachtung fällt sofort ins Auge, dass die 11,7 durchschnittlichen Abschlüsse pro Spiel, die Hellas Verona abgibt, den drittschlechtesten Wert der Liga darstellen, ebenso wie die Passgenauigkeit von nur 78,1%. Erschwerend kommt hinzu, dass die acht aus Standards erzielten Tore ebenfalls nur von fünf Teams unterboten werden, was in Kombination dazu führt, dass man offensiv zu oft harmlos bleibt. 

Die schlechte Passquote lässt sich unterdessen vor allem dadurch erklären, dass die Mannschaft von Trainer Ivan Juric (45) die drittmeisten langen Bälle (durchschnittlich 59,6 pro Spiel) und die meisten nicht angekommenen langen Bälle (durchschnittlich 32,8 pro Spiel) der Liga spielt. Um einem Missverständnis vorzubeugen: Hellas spielt trotzdem auch die elfmeisten kurzen Pässe und hat den zehntmeisten Ballbesitz, sie sind also keineswegs ein italienisches Burnley.

Atalantas kleiner Bruder

Stilistisch ähnelt Hellas ohnehin am allermeisten Atalanta BC, was natürlich keinesfalls zufällig ist. Trainer Ivan Juric war nämlich von 2011 bis 2013 Co-Trainer von Atalanta-Coach Gian Piero Gasperini (62), außerdem war er selbst viele Jahre Spieler unter Trainer Gasperini (vornehmlich bei Genoa) und dürfte dessen Spielweise in dieser Zeit bis ins kleinste Detail verinnerlicht haben. Gleiches trifft im Übrigen auch auf Co-Trainer Matteo Paro (37) zu, der gemeinsam mit Juric und unter Gasperini bei Genoa spielte.

(Photo by Francesco Pecoraro/Getty Images)

Die „Gialloblu“ spielen daher wenig überraschend auch zumeist aus einer Grundordnung mit einer Dreierkette mit sehr dynamischen und spielstarken Innenverteidigern, zwei Außenspielern, die jeweils den ganzen Flügel bespielen und zwei zentralen Mittelfeldspielern, die für die nötige Balance sorgen sollen. Anpassungen gibt es wenn überhaupt nur in der Offensive, wo Juric mal auf eine Variante mit einer echten Spitze und zwei Halbraumspielern dahinter und mal auf eine Variante mit zwei Spitzen und einem „Zehner“ setzt. Aber auch hier ist Flexibilität das oberste Gebot.

Die markanteste Eigenschaft des Spiels der Mannschaft aus Venezien ist das aggressive Pressing und Gegenpressing, das jeweils mannorientiert über den ganzen Platz gespielt wird – mit höchster Intensität und einer großen Risikofreude. Auf diese Weise hat der Gegner keine Zeit in Ballbesitz und sieht sich stets großem Druck ausgesetzt. Das hat allerdings auch zur Folge, dass die eigene Mannschaft sehr beansprucht wird und das Spiel sehr hektisch wird, was als wesentlicher Grund für die zuvor angeführten Statistiken angesehen werden kann. In Ballbesitz ist Hellas deutlich weniger elaboriert als Atalanta, doch auch sie versuchen die Flügel zu überlagern und über Hereingaben ins Zentrum oder Pässe in den Rückraum gefährlich zu werden. Ihnen fehlt es aber teilweise an der nötigen individuellen Qualität und auch an der Standardstärke von Atalanta, um ähnlich effektiv zu sein. 

Dennoch ist es ein extrem interessanter und faszinierender Ansatz, für den man allerdings auch die entsprechenden Spieler benötigt, womit wir nun auch zu den Transfers kommen.

Zwei Säulen brechen weg

Mit Amir Rrahmani (26) und Sofyan Amrabat (24), die bereits im Winter für 14 bzw. 10,5 Millionen Euro an Napoli bzw. die Fiorentina verkauft und für den Rest der Saison 2019/20 zurückgeliehen wurden, verliert Juric zwei absolute Stützen der Mannschaft. Außerdem wurden auch Matteo Pessina (23, ZM, mit sieben Toren zweitbester Torschütze 2019/20), Eddie Salcedo (18), Fabio Borini (29) du Giampaolo Pazzini (36) nicht gehalten, womit auch drei wertvolle Offensivoptionen wegbrechen. Außerdem droht auch weiterhin der Abgang von Abwehr-Talent Marash Kumbulla, der in der letzten Saison eine fabelhafte Entwicklung genommen hat und bei etlichen Top-Teams im Gespräch war.

(Photo by MARCO BERTORELLO/AFP via Getty Images)

Auf der anderen Seite konnte aber immerhin der zuvor nur ausgeliehene Innenverteidiger Koray Günter (26) für zwei Millionen Euro fest von Genoa verpflichtet werden, während mit mit Giangiacomo Magnani (24, kommt von Sassuolo) und Mert Cetin (23, kommt von der Roma) zwei vielversprechende Optionen für die Innenverteidigung hinzukommen. Dazu kommen noch vier zentrale Mittelfeldspieler, Adrien Tameze (26, kommt für 3,5 Millionen Euro von Nizza, letzte Saison auf Leihbasis bei Atalanta), Emmanuel Badu (29, 800.000 Euro, Udinese), Ivan Ilic (19, Leihe, ManCity) und der ehemalige italienische Nationalspieler Marco Benassi (26, Leihe, Fiorentina), sowie der vielversprechende schweizer Außenverteidiger Kevin Rüegg (22), der für zwei Millionen Euro vom FC Zürich kommt und eine hervorragende Alternative zum bisher gesetzten Davide Faraoni (28) darstellt. 

In der Verteidigung und im Mittelfeld ist die Mannschaft damit (auch in der Breite) gut aufgestellt, doch im Angriff besteht definitiv noch Nachholbedarf. Abgesehen von Samuel Di Carmine (31), der mit acht Toren Veronas bester Torschütze der Vorsaison war, fehlt es einfach an Alternativen, zumal Mariusz Stepinski den Beweis der Serie-A-Tauglichkeit noch schuldig ist. Hier sollten die Verantwortlichen noch tätig werden.

Im Fokus: Kevin Rüegg

Mit Kevin Rüegg (22) hat Hellas Verona einen hochinteressanten Spieler verpflichtet, der von seinem Profil her perfekt zur Spielidee von Trainer Juric passt. Der 1,73m große U21-Nationalspieler der Schweiz kommt vornehmlich auf der rechten Abwehrseite zum Einsatz und besticht mit einer guten Kombination aus einem ordentlich Tempo, einer starken Physis, einer relativ sauberen Technik und einem überdurchschnittlichen Antizipationsvermögen. Hinzu kommt, dass er seinen Ausbildungsverein, den FC Zürich, von dem er für gerade mal zwei Millionen Euro Ablöse kam, trotz seiner jungen Jahre bereits mehrfach als Kapitän aufs Feld führte, was als Indiz für einen guten Charakter dienen kann. Er könnte als rechter Flügelspieler richtig aufblühen, auch wenn er vielleicht nicht direkt an Platzhirsch Faraoni vorbeikommt.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Prognose

Die Verluste von Stützen wie Rrahmani, Amrabat oder auch Pessina wiegen schwer, doch die gute Arbeit von Juric, die totale Überzeugung von der eigenen Spielidee und die Fokussierung aufs Kollektiv geben Anlass zur Hoffnung, dass Hellas erneut eine stabile Saison spielen kann. Offensiv sollte dringend noch nachgelegt, sowohl personell als auch in der Trainingsarbeit (insbesondere auch in Sachen Standards), doch ansonsten kann die Saison kommen. Ausgehend von einer gewissen Findungsphase, die die Mannschaft nach so vielen Veränderungen womöglich benötigt, dürfte es ein bisschen nach unten gehen. Rang 11-15.

Christoph Albers

Benevento

Letzte Saison: Aufstieg

Benevento Calcio spielt der kommenden Saison zum zweiten Mal in seiner Vereinsgeschichte in der Serie A. Den ersten Abstecher ins Oberhaus machte der Verein in der Spielzeit 2017/18. Der damalige Aufenthalt war allerdings nicht von Erfolg gekrönt. Mit nur 21 Zählern stieg die „Sanniti“ sang- und klanglos als Tabellenletzter ab. Die damals kassierten 84 Gegentreffer belegen, wie groß die qualitative Schere zum Rest der Liga war.

In der Serie B stand Benevento aber umgehend wieder am anderen Ende der Nahrungskette. 2018/19 wurde als Dritter der Aufstieg denkbar knapp verpasst. Umso besser machten es die „Giallorossi“ in der abgelaufenen Runde: Benevento wurde souverän mit überragenden 86 Punkten Zweitligameister. In 38 Partien feierte die Mannschaft von Trainer Filippo Inzaghi (47) überragende 26 Siege. Das erste Jahr unter dem früheren Weltklasse-Stürmer wurde somit zu einem vollen Erfolg. Nun soll Inzaghi dafür sorgen, dass der erneute Ausflug in die Erstklassigkeit länger als nur ein Jahr andauert.

(Photo by Francesco Pecoraro/Getty Images for Lega Serie B)

Benevento: Aufsteiger mit gewisser Prominenz

Damit der qualitative Abstand zum Rest der Liga nicht wieder zu einer überwindbaren Hürde wird, hat sich der Klub in diesem Sommer durchaus prominent verstärkt. Hier ist vor allem die Verpflichtung des erfahrenen Kamil Glik (32/AS Monaco) zu nennen, vor drei Jahren noch immerhin Abwehrchef bei einem Champions-League-Halbfinalisten. Für den Polen überwies Benevento drei Millionen Euro ins Fürstentum. Daneben kommt Gianluca Lapadula (30/FC Genua) für vier Millionen Euro. Der Stürmer wurde in der Saison 2015/16 mit 27 Treffern Torschützenkönig der Serie B und tingelt seitdem ein wenig die Vereine der ersten Liga. Bei Absteiger Lecce traf Lapadula im letzten Jahr nun erstmals auch in der Serie A zweistellig und sollte daher in der Lage sein, dem Aufsteiger sofort weiterzuhelfen.

Außerdem wechselte der ehemalige Stuttgarter Federico Barba (27) nach seiner Leihe nun fest von Chievo in die Region Kampanien. Weitere Serie-A-Erfahrung bringen die Neuzugänge Gianluca Caprari (27/Sampdoria/Leihe), Artur Ionita (30/Cagliari) sowie Bryan Dabo (28/Fiorentina) zu den „Stregoni“. Die Liste der neuen Akteure im Kader wird durch den jungen Linksverteidiger Daam Foulon (21/Beveren) komplettiert.

Häufig findet bei souveränen Aufsteigern ein gewisser Ausverkauf statt. Hier braucht man beispielsweise nur bei Pescara vor einigen Jahren nachfragen, denen sofort die damaligen Talente Marco Verratti (27) und Lorenzo Insigne (29) weggekauft wurden. Von solchen Vorkommnissen wurde Benevento völlig verschont. Mit Massimo Coda (27/Lecce) verließ im Prinzip nur ein Spieler, welcher im letzten Jahr zum erweiterten Stamm gehörte den Klub. Ansonsten verlor Inzaghi mit Gianluca Di Chiara (27/Perugia), Bright Gyamfi (24/Reggiana) sowie Samuel Armenteros (30) lediglich Ergänzungsspieler.

Inzaghi führt Benevento taktisch flexibel zum Aufstieg

Inzaghi, dessen bisheriger Werdegang als Coach von Höhen und Tiefen geprägt war, kann nur seine Tauglichkeit als Serie-A-Trainer nachweisen. Dies gelang ihm bisher vornehmlich in den unteren Ligen. In seiner Zeit beim FC Venedig gelang ihm mit diesem der Sprung in die Serie B. Daneben ist natürlich der just erfolgte Aufstieg mit Benevento zu erwähnen. Ansonsten vermochte „Super Pippo“ in der höchsten italienischen Spielklasse als Coach bisher nicht zu glänzen. Inzaghis Engagements bei der AC Milan sowie in Bologna dauerten beide nicht mal eine volle Saison.

(Photo by Francesco Pecoraro/Getty Images)

Benevento bestach unter dem Weltmeister von 2006 mit einer beeindruckenden Konstanz stand seit dem Herbst ununterbrochen auf dem ersten Platz. Der Vorsprung auf Mitaufsteiger und Vizemeister Crotone betrug am Ende 18 (!) Punkte. Die „Sanniti“ stellten die beste Offensive (67 Tore) sowie die beste Defensive (27 Gegentore). Bis zum Corona-Lockdown kassierte die Mannschaft in 28 Spielen überhaupt nur 15 Treffer (!), ließ dann nach dem frühzeitigen Aufstieg die Zügel etwas schleifen.

Das Team operierte in der vergangenen Runde meistens in einem 4-4-2 System, welches gelegentlich in ein 4-3-3 oder 4-2-3-1 modifiziert wurde. Der Fokus lag dabei eindeutig auf einer Stabilisierung der Verteidigung, eigentlich ganz untypisch für den ehemaligen Stürmer Inzaghi, dessen Defensivarbeit als Profi stets non-existent war. In dieser Disziplin ist Benevento wirklich herausragend, keine andere Mannschaft in der Serie B ließ so wenige Torchancen zu. Ein solcher Ansatz dürfte dem Aufsteiger auch in der Serie A helfen, da man als Liga-Neuling in der Regel nicht über den vormaligen Offensivfußball die Klasse hält. Mit Luca Caldirola (29) sowie den Neuzugängen Glik und Barba stehen drei erfahrene Spieler die zwei Positionen vor Torwart Lorenzo Montipo (24) zur Verfügung. Noch erfahrener wird es rechts hinten mit Kapitän Christian Maggio (38).

Das Mittelfeld des Aufsteigers besticht durch eine große Ballsicherheit, im Aufbauspiel wurden häufig kaum Bälle verloren. Auch aus diesen Gründen ließ die Abwehr so wenige Torchancen zu, eben weil ein solcher Gefahrenherd minimal gehalten wird. In diesem Mannschaftsteil setzt Inzaghi ebenso auf Erfahrung, das Herzstück als Doppelsechs bildeten häufig die Routiniers Perparim Hetemaj (33) und Pasquale Schiattarella (33). Mit Ionita und Dabo hat man nun zwei weitere Alternativen hinzugewonnen. Auf den offensiven Außenbahnen ist „Talisman“ Robert Insigne (26) beheimatet, welcher mit acht Treffern und und fünf Vorlagen einer wichtigsten Gründe für den letztjährigen Aufstieg war. Auch der Gegenseite kam in der Regel der hierzulande recht unbekannte Deutsche Oliver Kragl (30) zum Einsatz. Sollte Inzaghi zu einem Zweiersturm optieren dürfte neben Lapadula höchstwahrscheinlich der erfahrene Marco Sau (32) gesetzt sein, der mit zwölf Toren der beste Torschütze in der abgelaufenen Spielzeit war.

Im Fokus: Gianluca Lapadula

27 Tore in der Serie B in seiner Fabelsaison vor einigen Jahren ließen natürlich zahlreiche Klubs aufhorchen, eine solche Quote ist ein recht eindeutiges Gütesiegel. Dass dies allerdings nicht als Zertifizierung als neuer Stürmer mit der Rückennummer 9 der AC Milan taugt, sollte sich dann herausstellen. Lapadula konnte diese Leistungen in der Serie A zunächst nicht bestätigen, nach einem Aufenthalt bei „Rossoneri“ folgten die Stationen FC Genua und Lecce. In Deutschland würde man dieses Phänomen wahrscheinlich als „Simon-Terrodde-Syndrom“ bezeichnen.

(Photo by Alessandro Sabattini/Getty Images)

Doch im letzten Jahr gelangen dem 30-Jährigen in 25 Spielen beachtliche elf Treffer bei Absteiger Lecce. Wenn Lapadula diese Ausbeute nochmal bestätigen oder gar steigern kann, dann hätte sich der investierte Millionen-Betrag für Benevento schon gelohnt. Den Mittelstürmer kann man als Nummer 9 „im klassischen Sinne“ charakterisieren. Vom Spielertyp ähnelt er damit sehr seinem neuen Trainer – und er sollte daher besser geeignet sein, Lapadula zu helfen, seine Erstligatauglichkeit endlich nachhaltig unter Beweis zu stellen.

Prognose

Für Benevento kann das einzige Ziel in der kommenden Spielzeit natürlich nur der Klassenerhalt sein. Die Mannschaft hat jedenfalls die Mittel um dieses Unterfangen zu schaffen, man wird nicht umsonst mit fast 20 Punkten Abstand Meister der Serie B. Vor allem der defensive Grundansatz in der taktischen Ausrichtung sollte Benevento im Oberhaus zugute kommen. Wenn es geschafft wird, personell noch einmal etwas nachzulegen, dann wäre ein Klassenerhalt nicht eine derart große Überraschung.

Marius Merck

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(Photo by Claudio Villa/Getty Images)


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