Mailand-Derby: Der Topklub und der, der es sein will

8. Februar 2020 | Global News | BY Hendrik Wiese

Am Sonntagabend findet im altehrwürdigen San Siro das „Derby della Madonnina“ statt, Inter trifft auf den AC Mailand. Die Entwicklung in beiden Klubs könnte unterschiedlicher kaum sein. Inter scheint auf dem besten Wege zu sein, wieder an alte Erfolge anzuknüpfen, dem AC Mailand fehlt die klare Ausrichtung.

Inter mit der Chance auf den Titel

22 Spiele, 15 Siege und 51 Punkte. Inter spielt die beste Saison seit langem. Mit 44 Toren stellt das Team von Antonio Conte die drittbeste Offensive und mit lediglich 18 Gegentoren die beste Defensive der Liga. Aktuell muss man sich nur Juventus Turin geschlagen geben, die mit 54 Punkten an der Tabellenspitze thronen und sich gemeinsam mit Inter und Lazio Rom einen Dreikampf um die Meisterschaft liefern.

(MARCO BERTORELLO/AFP/Getty Images)

Der AC Mailand hingegen steht aufgrund einer Hinrunde, die nicht zufriedenstellend war und in der man sich von Trainer Marco Giampaolo trennte, auf Platz neun. Es gab nicht nur verheerende Pleiten wie gegen Atalanta Bergamo (0:5), die „Rossoneri“ gewannen bis zum letzten Spiel der Hinrunde die Duelle mit maximal einem Tor Vorsprung. Schon im Oktober übernahm Stefano Pioli das Amt des Cheftrainers, hatte es aber lange schwer.

Inter: Klares System und gute Transfers

Doch woran liegt dieser große Unterschied der beiden Mailand-Klubs in diesem Jahr? In der letzten Saison trennte die beiden Teams lediglich einen Punkt.

Auf Seiten von Inter passt in dieser Saison einfach viel zusammen. Antonio Conte übernahm vor der Saison den Posten von Luciano Spalletti und implementierte die „Conte-DNA“. Dazu wurde das System auf seine Formation, das 3-5-2, umgebaut. Der Italiener bevorzugt eine sichere Defensive mit Absicherung aus dem Mittelfeld, gleichzeitig revolutionierte er den Spielaufbau, passte den Kader seinen Vorstellungen an.

Mit Skriniar, de Vrij, Bastoni und Godin stehen Conte vor Torhüter Handanovic viele hochklassige Innenverteidiger zur Verfügung. Eine besondere Rolle nehmen der linke und rechte Außenverteidiger im System ein. Bei gegnerischem Ballbesitz fungieren sie als klassische Außenverteidiger, bei eigenem Ballbesitz als Antreiber. Im Winter sah Conte auf diesen Positionen noch Verbesserungsbedarf und Inter verpflichtete Ashley Young (Manchester United) und Victor Moses (Chelsea).

Im Mittelfeld kann Antonio Conte viele verschiedene Spielertypen aufstellen. Brozovic mit seiner Dynamik, Sensi und Barella mit ihren technischen Fähigkeiten, aber auch mit den erfahrenen Vecino und Valero ist auch das Zentrum in der Breite sehr gut besetzt. Vor allem Sensi und Barella haben in Topform einen enormen Wert für das Spiel unter Conte, könnten auch in der italienischen Nationalmannschaft zum Stammpersonal der nächsten Jahre zählen.

(Photo by Miguel MEDINA / AFP) 

Die größte individuelle Klasse findet man bei Inter aber im Sturm. Mit Romelu Lukaku und Lautaro Martinez besitzt die „Nerazzurri“ eines der gefährlichsten Sturm-Duos in Europa. Dass in Sachen Kaderplanung allerdings auch nicht alles funktioniert, zeigt das Werben um einen Stürmer wie Olivier Giroud im Winter, das im Endeffekt nicht von Erfolg gekrönt war.

Uneingeschränktes Vertrauen für Conte

Die Transfers, vor allem unter der Leitung von Antonio Conte, wirken sehr durchdacht. Der Italiener schafft es seine Mannschaft punktuell, wie bei Moses und Young zu verstärken. Am Bespiel Christian Eriksen, der im Winter für 20 Millionen Euro von den Spurs kam, erkennt man aber auch, dass Conte immer wieder neue Aspekte und Fähigkeiten in seinem Team integrieren will.

Conte zeigte in der Vergangenheit sowohl bei Juventus als auch beim FC Chelsea, dass seine Anpassungen erfolgsvorsprechend sind und er, wenn ihm seine Wünsche erfüllt werden, schnell zum Architekt des Erfolgs werden kann. Das beste Beispiel dafür ist Romelu Lukaku. Conte wollte ihn unbedingt verpflichten, obwohl Lukaku bei Manchester United nur in Ansätzen zeigte, was er für Qualitäten besitzt.

In England noch häufig als zu hölzern, unbeweglich und hüftsteif verschrien, weiß Antonio Conte genau, wie er das Maximum aus Lukaku herausholen kann. Er dient als Prellbock für Lautaro, räumt diesem die Wege frei und trifft, wie er will. Solche Erfolgsgeschichten erhöhen natürlich das Vertrauen der Verantwortlichen in den Trainer.

Milan: Es fehlt die klare Idee

Beim AC Mailand fing die Saison katastrophal an, lange sah der Klub wie der komplette Gegenentwurf zu Inter aus. Von den ersten sechs Spielen verlor man vier, bis zum Ende der Hinrunde liefen die restlichen Spiele durchwachsen. Insgesamt zeigt der Trend der letzten Wochen aber deutlich nach oben, trotzdem bleibt abzuwarten, ob dies nicht wieder eine Momentaufnahme ist.

Der Kader des AC Mailand durchlief in den letzten Jahren eine gewisse Fluktuation und ist entsprechend nicht derart homogen zusammengestellt wie der von Inter. Donnarumma ist ein Torhüter mit viel Potenzial, mit Theo Hernandez hat man einen der stärksten Linksverteidiger der Liga im Aufgebot, aber sonst fällt man defensiv im Vergleich zu Inter qualitativ ab.

(Photo by Miguel MEDINA / AFP)

Im Mittelfeld tummelt sich viel Qualität, vor allem vor der Saison wurden Neuzugänge wie Krunic sehr positiv bewertet. Im Zentrum steht mit Franck Kessie zudem ein athletischer Spielertyp im Aufgebot, auch Lucas Paqueta, der im Winter das Interesse von PSG auf sich zog, ist individuell sehr stark. Doch zu häufig gelingt es nicht, das Potenzial auch auf dem Feld auszuschöpfen, Konstanzdellen in den Leistungen sind bisher die Regel.

Im Sturm gab man im Winter Krzysztof Piatek an die Hertha ab. Mit Rafael Leao, Ante Rebic und Zlatan Ibrahimovic stehen aber Alternativen zur Verfügung. Einzelne Positionen sind also klug besetzt, was derzeit noch fehlt, ist die Nachhaltigkeit und eine Ausrichtung mit Wiedererkennungswert, nach der auf dem Transfermarkt agiert wird.

Milan: Mit Geduld zu einer klaren Struktur?

Die Frage wird sein, ob man beim AC Mailand nun zusammen mit Trainer Pioli, der bei den Anhängern zu Beginn einen schweren Stand hatte, einen gemeinsamen Weg für die Zukunft erarbeitet und diesen auch verfolgt. So ungern man es bei den Rossoneri hören wird: Inter sollte das Vorbild sein.

(Photo by MIGUEL MEDINA/AFP via Getty Images)

Wie schnell sich große Klubs nach schwächeren Jahren rehabilitierten können, hat man in der Vergangenheit häufig gesehen. Der Schlüssel für den AC Mailand ist dabei auch Geduld. Denn alle sieben oder acht Monate einen Trainer zu entlassen und zahlreiche neue Spieler zu kaufen, ist weder zielführend noch nachhaltig. Die Verantwortlichen müssen von dem Weg, den der Trainer vorgibt, überzeugt sein. Gleichzeitig muss der Trainer, wie es bei Inter der Fall ist, die vollumfängliche Unterstützung erhalten. Gelingt das, kann auch der AC Mailand eine derart positive Entwicklung durchlaufen, wie es Inter in dieser Saison macht. Dann kann auch bei den Rossoneri wieder von Erfolgen und Silberware geträumt werden…

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Hendrik Wiese

Aufgewachsen mit dem Spielstil von Bastian Schweinsteiger bevorzugt Hendrik spielerische Dominanz und technisch ansehnlichen Fußball. Seit Dezember 2019 ist er für 90PLUS unterwegs, bevorzugt im deutschen Oberhaus.


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