RB Leipzig vs. Paris St.-Germain: (K)Ein Traditionsduell?

18. August 2020 | Champions League | BY Victor Catalina

Vorschau | Mit RB Leipzig und PSG treffen am Dienstagabend zwei eher ungewohnte Namen im Halbfinale der Champions League aufeinander. Was viel taktische Modernität verspricht, ist aber durchaus auch ein Duell mit (Vor-)Geschichte.

Anpfiff ist am Dienstag, 21:00 Uhr, live auf Sky und DAZN (Registriere dich jetzt auf DAZN und erhalte einen Gratismonat).

  • RB Leipzig: Nagelsmann wie Rangnick – oder besser?
  • Paris St.-Germain: Weiter „historische Momente kreieren – mit brachialer Offensive?
  • Nagelsmann vs. Tuchel: Ein Trainerduell mit Vorgeschichte

Vor dem Spiel haben wir uns mit Constantin Eckner (Spielverlagerung.com) über das Duell zwischen RB Leipzig und Paris St.-Germain unterhalten.

RB Leipzig: Himmelstürmende Nagelsmänner

Man vergisst es dieser Tage leicht, aber noch immer ist Julian Nagelsmann (33) bei den Leipzigern in seiner Debütsaison. Vergangenen Sommer übernahm er die Mannschaft von Ralf Rangnick (62), der sich daraufhin bei RB erst ins zweite Glied und schließlich komplett zurückzog. Wie Rangnick hat auch Nagelsmann RB mit 66 Punkten auf Platz 3 der Bundesliga geführt. Wie Rangnick kann auch Nagelsmann mit Leipzig noch ein Endspiel erreichen. Aber spätestens hier enden die Gemeinsamkeiten.

Denn während der langjährige RB-Macher dem FC Bayern im DFB-Pokalfinale 2019 0:3 unterlag und in der Europa League in einer Gruppe mit Salzburg, Celtic Glasgow und Rosenborg BK ausschied, erobern die Leipziger Nagelsmänner die Königsklasse.

(Photo by Lluis Gene/Getty Images)

Vorjahresfinalist Tottenham besiegte man im Achtelfinale nach Hin- und Rückspiel 4:0, bevor beim Final 8 in Lissabon mit dem Last-Minute-Erfolg gegen Titelverteidigerbesieger Atlético Madrid der wohl größte Coup der bisher jungen Vereinsgeschichte gelang. Noch nie zuvor hatte ein Verein in derselben Königsklassenspielzeit sowohl die Mannschaften von José Mourinho (57), als auch die von Diego Simeone (50) ausgeschaltet. Vor allem international gab es dafür viel Anerkennung. Ein erst elfjähriger Klub im Halbfinale, mit einem Trainer, jünger als Lionel Messi (33) und Cristiano Ronaldo (35)? So etwas hatte selbst die Champions League bis dahin noch nicht erlebt.

Nagelsmann gegen Tuchel: Ein Trainerduell mit Vorgeschichte

Genauso wie die Tatsache, dass mit Hansi Flick (55), Thomas Tuchel (46) und eben Julian Nagelsmann drei der vier Trainer aus ein und demselben Land kommen. Wobei gerade die letzten beiden mehr verbindet, als nur die Nationalität.

(Photo by SASCHA SCHUERMANN/AFP via Getty Images)

Nagelsmanns Spielerkarriere war eine denkbar kurze. Nach Stationen in der Jugend der Münchener Löwen, wo er als Abwehrspieler unter anderem im Derby auf einen talentierten Nachwuchsstürmer des FC Bayern namens Sandro Wagner traf, zog es ihn 2007 aufgrund von Verletzungen zurück zur U23 des FC Augsburg. Sein Trainer: ein gewisser Thomas Tuchel.

Der ließ es sich nicht nehmen, auf der Pressekonferenz von seinem ehemaligen Schützling zu schwärmen. Zwar habe er ihn „nur eine Saison gehabt und da war er lange und schwer verletzt“, doch Nagelsmann sei auch damals schon sehr „unbequem“ gewesen. „Er wollte immer wissen, warum wir dies oder jenes machen oder nicht machen“, so Tuchel. Nachdem eine schwere Knieverletzung Nagelsmanns Karriere mit gerade einmal 20 Jahren schon früh beendete, beschloss Tuchel ihn zur Gegneranalyse einzusetzen. Damals beeindruckte den heutigen PSG-Coach, wie Nagelsmann „Lösungsideen entwickelte“, um den Gegner zu bespielen. „Sein Talent zur Analyse des Spiels“ sei schon im jungen Alter außergewöhnlich gewesen.

Nagelsmanns taktische Kniffe gegen Atlético

Diese Fähigkeit hat sich über die Jahre nicht zwingend verschlechtert – im Gegenteil. Schon vor dem Spiel gegen Atlético Madrid betonte Nagelsmann, er habe sich „etwas einfallen lassen“. „Damit meinte er sicherlich die positionellen Verschiebungen zwischen Defensive und Offensive, die darin mündeten, dass aus einem 3-3-3-1 ein defensives 4-2-3-1 wurde. Dadurch war es Leipzig möglich gegen das typische 4-4-2 von Atlético durch die Halbräume vorzustoßen und zugleich die ganze Breite des Feldes in passender Staffelung zu nutzen. Gegen den Ball konnte Leipzig wiederum mit einer diagonalen Linie vorn pressen und den Aufbau der Spanier auf die linke Seite leiten“, so die Erklärung von Constantin Eckner. Besonders im Angriffsspiel seien, wenn Konrad Laimer (23) von der Sechserposition auf die rechte Seite rückte, in Umschaltsituationen Lücken neben Kevin Kampl (29) entstanden, in die gegen PSG vor allem Neymar (28) stoßen könnte. Deshalb könnte Leipzig mit denselben taktischen Mechanismen in Schwierigkeiten geraten, so Eckner. Die Ausrichtung an sich könnte jedoch aufgrund PSGs Anfälligkeiten in den Schnittstellen im Mittelfeld sehr ähnlich sein.

(Photo by Lluis Gene/Getty Images)

Sehr ähnlich ist im Vergleich zum Atlético-Spiel auch die Personallage. Einzig Ibrahima Konaté (21) wird nicht zur Verfügung stehen. Ein Sieg trennt Nagelsmann noch vom Champions-League-Finale. Damit wäre seine Bilanz nicht nur vergleichbar, sondern um einiges besser, als die von Rangnick. Nicht so schlecht – für eine Debütsaison.

Paris St.-Germain: Die Sehnsucht nach dem großen Erfolg

Etwas älter als RB Leipzig ist Paris Saint-Germain. Der Klub feiert dieses Jahr das fünfzigjährige Bestehen. Wirklich auf die europäische Landkarte gekommen sind sie aber erst seit Beginn des vergangenen Jahrzehnts, als Qatar Sports Investments unter der Leitung von Präsident Nasser Al-Khelaifi (47) den Verein übernahm. Seitdem investiert man kontinuierlich in den Kader, um irgendwann auf Europas Thron zu sitzen. Dass nationale Titel schon längst nicht mehr ausreichen, um die Vereinsoberen zu befriedigen, wissen Tuchels Vorgänger Unai Emery (48) und Laurent Blanc (54) nur allzu gut. Zumindest gelang es diese Saison erstmals seit 1995 die Schallmauer Viertelfinale zu durchbrechen.

(Photo by UEFA – Handout/UEFA via Getty Images)

Das gelang mit einem 2:0-Heimsieg gegen Tuchels Ex-Klub Borussia Dortmund, sowie einem dramatischen 2:1, als PSG in der Nachspielzeit die Partie gegen ein aufopferungsvoll kämpfendes, aber letzten Endes kraftloses Atalanta Bergamo drehte.

Der Einzug ins Halbfinale sei ein „historischer Moment“, so Tuchel. Diese müsse man aber das gesamte Jahr hindurch erschaffen. National hat man bereits alle vier Titel abgeräumt, nun soll der erstmalige Einzug ins Finale der Champions League folgen. Dafür müssen sie zuerst aber gegen RB Leipzig bestehen. Die Vorbereitung auf das Spiel gegen die Mannschaft von Julian Nagelsmann bezeichnete Tuchel als „schwieriger, als ein Spiel gegen Atlético“, bei dem man sich mehr oder weniger auf ein 4-4-2 einstellen könne. Was allerdings nicht gleichbedeutend damit sei, dass ein Halbfinale gegen Atlético Madrid einfacher gewesen wäre.

Eckner: Kann PSG selbst mit konservativer Aufstellung defensiv sicher stehen?

Beim Sieg gegen Atalanta musste Tuchel auf zahlreiche Leistungsträger verzichten. Ángel Di Maria (32) fehlte gesperrt, Marco Verratti (27) verletzt. Zumindest auf den Argentinier kann PSG am Dienstag wieder zurückgreifen. Dafür gesellten sich Idrissa Gueye (30) und Torhüter Keylor Navas (33) ins Lazarett. Hinter Verratti steht zumindest noch ein Fragezeichen.

(Photo by DAVID RAMOS/POOL/AFP via Getty Images)

Wieviel Risiko sollte Tuchel also gehen, um das Tempo der Leipziger möglichst effizient einzudämmen? Constantin Eckner hat dahingehend eine klare Meinung: „Die Frage, die sich bei PSG doch stellt, ist: Kann die Mannschaft selbst mit einer konservativen Aufstellung wirklich defensiv stabil stehen? Die Partie gegen Atalanta lieferte Argumente, dass das nicht der Fall ist. Insofern wäre es für Paris vielleicht klug, einfach auf brachiale Offensive zu setzen und die Abwehr Leipzigs in so viele Eins-gegen-Eins- oder auch Eins-gegen-Zwei-Situationen zu zwingen wie nur möglich. Dayot Upamecano mag ein herausragender Verteidiger sein, aber wie viel können seine unmittelbaren Nebenleute gegen die Angriffsreihe von PSG ausrichten? Vielleicht wird es eher Leipzig sein, das vorsichtiger an die Sache rangeht und einen weiteren Verteidiger hinten platziert, um für Absicherung im Rücken der direkten Gegenspieler von Neymar, Mbappé und di María zu sorgen.“

Das Ziel bleibt aber dasselbe: Für mehr „magische Momente“ zu sorgen, um die Sehnsucht nach dem großen Erfolg, der Champions League, zu stillen.

Prognose von Constantin Eckner

Paris hat das instabilere Spielsystem, aber die mit Abstand bessere Mannschaft. Die Individualisten von PSG können selbst in einer schwachen Partie noch für Tore sorgen. Das wird gegen Leipzig den Unterschied ausmachen. 

Mögliche Aufstellungen

RB Leipzig: Gulácsi – Klostermann, Upamecano, Halstenberg – Angelino, Kampl, Laimer, Mukiele – Sabitzer, Dani Olmo – Poulsen

Paris St.-Germain: Sergio Rico – Bernat – Kimpembe – T. Silva – Kehrer – Marquinhos – Ander Herrera, Paredes, Neymar – Di Maria, Icardi

(Photo by MIGUEL A. LOPES/POOL/AFP via Getty Images)

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Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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