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Weißt du noch? Als Van Persie das Stadtderby entschied: Doppelpacker, Aufholjagd & ein Münzwurf

7. Dezember 2017 | Weißt du noch...? | BY Marius Merck

In der Saison 2012/2013 kam es kurz vor Heiligabend zum Derby in Manchester: Die damals noch relativ neureichen „Citizens“ waren durch die gewonnene Meisterschaft 2012 erstmals die gejagte Mannschaft. Die Tabellenführung hielt damals kurz vor Weihnachten jedoch der Vizemeister aus dem vergangenen Jahr: Manchester United. Die „Red Devils“ hatten damals nicht nur wegen dem verlorenen Titelkampf aus der Vorsaison eine Rechnung mit den „Noisy Neighbours“ offen.

Die beiden Teams aus Manchester hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits einen gehörigen Vorsprung erspielt. Nach 15 Spieltagen lagen United (36 Punkte/+16 Tore) und City (33/+17) schon deutlich vor dem Drittplatzierten Chelsea (26/+9). Der amtierende Champion war zu diesem Zeitpunkt noch ohne Niederlage, hatte dafür aber auch schon sechs Mal die Punkte geteilt, während der Rekordmeister zwar bereits drei Mal als Verlierer vom Platz ging, jedoch seine restlichen 12 Spiele allesamt gewonnen hatte. Ein Sieg im Stadtduell bekam somit eine immense Bedeutung für den vollgepackten Plan über die Feiertage.

 

Der psychologische Aspekt

Geld hatte City nun schon etwas länger (seit 2007) reichlich zur Verfügung, an den sportlichen Vorzeichen änderte dieser Umstand vorerst nichts. In den ersten Jahren konnte die „alte Garde“ um Sir Alex Ferguson stets die Überhand im stadtinternen Duell behalten, die Meisterschaften 2008, 2009 und 2011 zeugen davon. Dies sollte sich jedoch in der Saison 2011/2o12 ändern.

Beide Mannschaften distanzierten die Konkurrenz relativ früh, weshalb das Derby im Old Trafford am 23.10.2011 mit großer Spannung erwartet wurde. Für Ferguson wurde es laut eigener Aussage zu einem seiner bittersten Tage in seinen fast 27 Jahren Tätigkeit als United-Coach. Die Gäste überrannten den amtierenden Meister und gewannen mit 6:1! Der legendäre Torjubel von Mario Balotelli („Why always me?“) dürfte den meisten Fans noch im Kopf sein. Man konnte sich zwar im FA-Cup mit einem 3:2 Sieg im Etihad rächen, doch auch das Rückspiel entschied die Mannschaft von Roberto Mancini mit 1:0 für sich.

(Photo by Alex Livesey/Getty Images)

Am letzten Spieltag sicherte dann ein Treffer von Sergio Agüero in der 93. Minute gegen die Queens Park Rangers den Titel, die Spieler von United standen hingegen mit leeren Gesichtern auf dem Platz in Sunderland, wo man sich für drei Minuten als der Meister wähnte. Die „Red Devils“ hatte damit nicht nur beide Derbys gegen den Stadtrivalen verloren (eines davon in peinlicher Art und Weise), die unsäglichen Nachbarn schnappten sich den Titel quasi in „United-Manier“ in allerletzter Sekunde.

Noch am selben Tag münzte Ferguson die negativen Gefühle in ein großes Ziel um: Der alte Schotte wollte es unbedingt noch einmal den „Citizens“ zeigen. Bei der Saisonabschlussfeier am gleichen Abend teilte er dies auch den Anwesenden mit – und versprach den lachenden (aber gleichzeitig eigentlich völlig unbeteiligten) Sunderland-Fans vom gleichen Tag, dass man „Rache nehmen“ werde – soviel zur Motivation des Sirs.

Für dieses Unterfangen schnappte man dem Champion gleich mal den begehrtesten Spieler auf dem Transfermarkt im Sommer 2012 weg: Robin Van Persie, amtierender Fußballer des Jahres in England und zudem zum zweiten Mal in Folge Torschützenkönig der Premier League. Der Niederländer kam von Arsenal und entschied sich bei seinem Wechsel unter anderem auch gegen City, wie Mancini später zugeben sollte. Ferguson war vor der Saison 2012/2013 laut den Aussagen vieler Wegbegleiter und Mitarbeiter so motiviert wie nie zuvor. Mit dem neuen Superstürmer sollten die alten Machtverhältnisse endlich wieder hergestellt werden.

Bis zum 9.12.2012 verlief diese Aufgabe, wie bereits geschildert, ausgezeichnet.

(Photo by ANDREW YATES/AFP/GettyImages)

 

Aufstellungen und Torschützen

Manchester City: Joe Hart – Pablo Zabaleta, Vincent Kompany (21./Kolo Touré), Matija Nastasic, Gael Clichy – David Silva, Yaya Touré (84./Edin Dzeko), Gareth Barry, Samir Nasri – Sergio Agüero, Mario Balotelli (51./Carlos Tévez)

Der Gastgeber trat nahezu in Bestbesetzung auf. Allenfalls der Vorzug von Balotelli gegenüber Tévez überraschte ein wenig. Der Argentinier war gegen seinen Ex-Klub und vor allem wegen seiner Abneigung zu Ferguson stets bis in die Haarspitzen gegen die „Red Devils“ motiviert.

Manchester United: David De Gea – Rafael, Rio Ferdinand, Jonny Evans (48./Chris Smalling), Patrice Evra – Antonio Valencia (84./Phil Jones), Michael Carrick, Tom Cleverley (87./Danny Welbeck), Ashley Young – Wayne Rooney, Robin Van Persie

Auch die Gäste traten weitestgehend mit der besten Elf an. Einzig der lange Ausfall von Kapitän Nemanja Vidic schmerzte nicht nur am Tag des Derbys, allerdings befand sich Ersatzkapitän Evra vor der Epoche seiner montaglichen Instagram-Videos („I love this game!“) in blendender Verfassung.

Torschützen: 0:1 Rooney (16./Young), 0:2 Rooney (29./Rafael), 1:2 Yaya Touré (60./Tévez), 2:2 Zabaleta (86./Tévez), 2:3 Van Persie (90.)

 

Erste Halbzeit: Doppelschlag von Rooney

Hatte man in der letzten Saison noch das Gefühl, dass die 1:6 Klatsche Spuren hinterlassen haben könnte (so schied United bspw. nur wenige Wochen später aus der Gruppenphase der Königsklasse aus), so war dieser Eindruck vor fast genau fünf Jahren nicht vorhanden. Die Gäste starteten furios in das Spiel. Vor allem die Flügelzange aus Valencia und Young, ironischerweise auch wohl in 2017 in der Startelf, machte in der Anfangsphase ordentlich Betrieb.

Nach einer guten Viertelstunde steckte Young von der linken Seite auf Rooney am Strafraum durch. Der Stürmer drehte sich, lief parallel von links nach rechts am Strafraum entlang, Kompany und der heutige Schalker Nastasic bedrängten ihn. Doch plötzlich zog der Engländer ab, traf aber aus der Drehung den Ball nicht richtig – was sein Glück war. Der Ball kullerte durch die Beine von Barry unhaltbar für Hart ins lange Eck. Der nächste Rückschlag für die „Citizens“ folgte sogleich: Kapitän Kompany musste nach rund 20 Minuten angeschlagen raus – leider leidet der Belgier bis heute an Verletzungsproblemen.

Nur wenige Minuten später setzte sich Rafael, welcher als rechter Verteidiger eine fantastische Saison absolvierte, auf dem rechten Flügel durch und spielte den Ball in den Rückraum. Rooney hatte sich wiederholt gelöst und schob zum 0:2 in die lange Ecke ein. Kurz vor der Halbzeit hatte dann Van Persie seinen Auftritt: Am linken Strafraumeck schlenzte er den Ball mit seinem schwachen rechten Fuß ansatzlos an den Querbalken. Als der Schiedsrichter zur Halbzeit pfiff, hätte die Partie schon entschieden sein können.

 

Zweite Halbzeit: Aufholjagd und dramatisches Ende

Mancini hatte genug gesehen: Nach 51 Minuten ging ein Raunen durch das Etihad – Ex-United-Stürmer Carlos Tévez kam in die Partie. Der Argentinier hatte sich bei seinem ehemaligen Anhang erst vor kurzem beliebt gemacht, als er bei der Meisterfeier im Sommer 2012 ein T-Shirt mit der Aufschrift „R.I.P. Fergie“ trug. Unabhängig von dieser Antipathie belebte der Joker sofort das Spiel und behielt bei einem Getümmel im United-Strafraum den Überblick: Yaya Touré bedankte sich für die Ablage und schob zum Anschluss ein.

Danach entwickelte sich ein regelrechter Sturmlauf der Gastgeber. Eine weitere Parallele zur Gegenwart kam hervor: De Gea wuchs über sich hinaus. Der damals blutjunge Spanier hatte in der Vorsaison (unmittelbar im Anschluss zur Derby-Klatsche) gar zeitweise seinen Platz zwischen den Pfosten verloren, heute bestand der schmächtige Keeper seine Feuertaufe. In der 79. Minute lenkte er überragend im 1-gegen-1 mit Silva den Ball per Schulter (!) an die Latte. Fünf Minuten vor dem Abpfiff musste er dennoch erneut hinter sich greifen. Abermals behielt Tévez die Übersicht im Strafraum – Zabaleta jagte den Ball aus kürzester Distanz über die Linie.

(Photo by Mike Hewitt/Getty Images)

Nun wollten die „Citizens“ sogar den Sieg und rannten weiter an. Doch die „Red Devils“ kamen in der 91. Minute nochmal vor den Strafraum, Tévez fällte Valencia. Da der Heißsporn im Anschluss noch versuchte gegen Evans nachzutreten, gab eine Rudelbildung, in welcher Ferguson äußerst vehement auf seinen Ex-Spieler deutete. Doch Schiedsrichter Martin Atkinson verzichtete auf eine angebrachte Rote Karte.

Der fällige Freistoß wurde vom rechten Strafraumrand getreten, der Winkel war optimal für einen Linksfuß – allerdings eher für eine Flanke, als für einen direkten Versuch. Van Persie legte sich den Ball zurecht. Der Niederländer nahm Anlauf und schoss den Ball auf die linke äußere Seite der 3-Mann-Mauer. Nasri dreht sich jedoch nach innen weg und hob nur seinen Fuß zur Seite heraus: Der Ball berührte das Bein des Franzosen und bekam einen merkwürdigen Drall. Hart war schon in die andere Ecke unterwegs gewesen, drehte sich und hechtete, war aber letzten Endes ohne Chance: Der Ball schlug wegen dem Abfälschen haargenau zwischen ihm und dem Pfosten im langen Eck ein. Mancini wies nach dem Spiel übrigens alle anwesenden Journalisten noch einmal explizit auf das Wegdrehen von Nasri hin.

Van Persie dreht jubelnd ab und rannte mit seinen Mitspielern zu einem kleinen rot gefärbten Teil im Stadion. Auf dem Weg dorthin wurde Ferdinand von einen Münze am Kopf getroffen und blutete stark über dem Auge. Einige City-Fans wollten den United-Spielern sogar an den Krage, Hart erwies sich hier als fairer Sportsmann, geleitete die Unruhestifter vom Platz und kümmerte sich danach um seinen Kollegen aus der Nationalmannschaft. Kurze Zeit später pfiff Atkinson diesen Thriller ab.

 

Die Folgen

Durch den Sieg baute Manchester United seinen Vorsprung auf sechs Punkte aus. In der weiteren Saison kam keine Mannschaft auch nur in die Nähe der „Red Devils“, welche in den kommenden 15 Liga-Spielen (zwölf Siege bei nur drei Remis) keine Niederlage mehr erfahren sollte. In der letzten Saison von Ferguson als Trainer stand der Rekordmeister bereits fünf Spieltage vor Schluss als Champion fest. Der letzte Moment, das Team konkret zu gefährden, war damit eigentlich im Manchester-Derby kurz vor Weihnachten gewesen. Stattdessen rüstete es die Mannschaft mit unglaublich viel Selbstvertrauen aus und kann als Grundstein zum späteren Titelgewinn gesehen werden.

(Photo by ANDREW YATES/AFP/Getty Images)

Die „Citizens“ landeten am Ende mit elf Punkten Rückstand auf dem zweiten Platz, zudem verlor man sensationell im Finale des FA-Cups gegen Absteiger Wigan Athletic. Dies war das Ende für Trainer Mancini, welcher in der kommenden Saison durch Manuel Pellegrini ersetzt wurde. Dieser sollte gleich in seinem Premierenjahr 2013/2014 die Meisterschaft feiern.

Am dem Wochenende fünf Jahre später wirken die Vorzeichen ein wenig ähnlich: Manchester City erscheint zurzeit als die deutlich stärkere Mannschaft und geht als Favorit in diese Partie. Der Tabellenführer hat unglaubliche 13 seiner 14 Saisonspiele gewonnen. United könnte mit einem Sieg gegen den Stadtrivalen, ähnlich wie die alte Truppe im Dezember 2012, diesen Nimbus brechen, welcher langsam, aber sicher um die Truppe von Pep Guardiola schwebt.

Der Rückstand würde somit auf fünf Punkte verkürzt werden. Sollten wiederum die Gäste das Spiel im Old Trafford gewinnen, läge der Vorsprung dann schon bei elf Punkten – damit würde wohl erneut ein Manchester-Derby kurz vor Weihnachten die Meisterschaft in einer Premier League-Saison vorentscheiden.

 

 

 

Marius Merck

Eine Autogrammstunde von Fritz Walter weckte die Leidenschaft für diese Sportart, die über eine (“herausragende”) Amateurkarriere bis zur Gründung von 90PLUS führte. Bei seinem erklärten Ziel, endlich ein “Erfolgsfan” zu werden, weiter erfolglos.


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