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Weißt du noch? 21. April 2012: FC Barcelona vs Real Madrid – CR7 sorgt für „Calma“ & die Ära Guardiola endet

23. Oktober 2020 | Weißt du noch...? | BY Marius Merck

Die sportliche Dominanz des FC Barcelona in den Jahren 2008-2011 sucht wahrscheinlich bis heute seinesgleichen. Der Erfolg des Teams von Pep Guardiola schmeckte damals aber vor allem einem Verein nicht: Real Madrid. Die „Königlichen“ verpflichten aufgrund dessen im Sommer 2010 José Mourinho, den damals renommiertesten Trainer der Welt. Die weltweit übertragenen „Clasicos“ mit dem übergeordneten Rahmenprogramm Guardiola vs Mourinho bzw. Messi vs Ronaldo stellten in der Folgezeit eine große Diskrepanz zwischen sportlichen und menschlichen Niveau dar. Zum letzten großen Aufeinandertreffen nach zwei Jahren zahlreicher Duelle kam es am 21. April 2012 – als Mourinho dann doch über Guardiola triumphierte und damit gewissermaßen die Ära „Tiki Taka“ in Reinform endete.

Dieser Artikel erschien auf 90PLUS ursprünglich am 27. Oktober 2018.

Die Vorzeichen: „Böses Blut“ wäre die Untertreibung des Jahrhunderts

In den Jahren 2007 und 2008 wanderte die Meisterschaft zu den „Königlichen“ in die spanische Hauptstadt. Der über viele Jahre in Barcelona erfolgreiche Frank Rijkaard musste daraufhin seinen Hut nehmen, nicht ohne zuvor in einer großen Demütigung dem bereits feststehenden Champions kurz vor dem Ende der Saison Spalier stehen zu müssen. Auf der Suche nach einem Nachfolger sprach auch der damals vereinslose Jose Mourinho in Barcelona vor, der Portugiese bestach demnach mit einer herausragenden Präsentation und hatte aus seiner Zeit als Barca-Assistent unter Sir Bobby Robson und Louis Van Gaal in den 1990er Jahren noch gewisse Fürsprecher im Klub. Am Ende entschied sich die Klub-Führung jedoch für den ehemaligen Kapitän Pep Guardiola, als Coach bisher nur bei Barcas B-Team tätig gewesen war. Der Portugiese soll Gerüchten zufolge äußert verärgert über die Absage gewesen sein, stattdessen heuerte bei Inter Mailand an.

(Photo by LLUIS GENE/AFP/Getty Images)

Gleich in seinem ersten Jahr gewann Guardiola mit einem atemberaubenden Ballbesitz-Fußball das Triple und manifestierte in Windeseile seinen Ruf als Revolutionär auf der Trainerbank. Die Madrilenen wurden vor allem beim 2:6 im Bernabeu völlig vorgeführt, die Kategorisierung von Lionel Messi wurde nach einer Verschiebung Guardiolas vom Flügel in die Zentrale von „Jahrhundertalent“ zu „bester Spieler der Welt“ abgeändert. Solch eine erneute Schmach wollte der zu diesem Zeitpunkt frisch ins Amt gewählte Florentino Perez unbedingt vermeiden, der Bau-Unternehmer führte die Geschicke des Vereins bereits einige Jahre zuvor und sorgte Sommer für Sommer durch Transfers von Weltstars wie Zinedine Zidane oder Luis Figo für die damalige Bezeichnung „Galacticos“. An diesem Prinzip hielt Perez auch zu Beginn seiner zweiten Amtszeit fest, als Real Madrid im Sommer 2009 den Transfermarkt erschütterte: Mit Cristiano Ronaldo (Manchester United) und Kaka (AC Milan) kamen die beiden letztgewählten Weltfußballer, für den Portugiesen war mit 94 Millionen Euro Ablöse eine neue Weltrekord-Ablöse notwendig. Zu den beiden Genannten gesellten sich noch weitere namhafte Neuzugänge wie Xabi Alonso (FC Liverpool), Karim Benzema (Olympique Lyon) oder Raul Albiol (FC Valencia). Doch unter Trainer Manuel Pellegrini fand die mit Weltstars gespickte Truppe niemals zu einer wirklichen Einheit und war der „Blaugrana“ tabellarisch und vor allem in den direkten Duellen unterlegen.

(Photo by FABRICE COFFRINI/AFP/Getty Images)

Daher wurde im Sommer 2010 der Trainer verpflichtet, welcher Guardiola & Co. im Vorjahr völlig überraschend aus der Champions League geworfen hatte und dafür bereit war, jedes zur Verfügung stehende Mittel, unabhängig von den öffentlichen Bewertung, einzusetzen: Etwas mehr als zwei Jahre nachdem er die erwähnte Präsentation in Barcelona hielt, unterzeichnete Mourinho, gerade frisch gebackener Triple-Sieger mit Inter geworden, seinen Arbeitsvertrag bei den „Königlichen“. In jenen Wochen fanden unter anderem auch die deutschen WM-Shootingstars Sami Khedira (VfB Stuttgart) und Mesut Özil (Werder Bremen) den Weg in die spanische Hauptstadt. Doch auch unter „The Special One“ konnte die Dominanz der Katalanen zunächst nicht gebrochen werden. Aus Sicht der Madrilenen kam es sogar noch schlimmer: Im ersten „Clasico“ unter dem neuen Coach kam man in Barcelona mit 0:5 unter die Räder, wenige Wochen später standen bei der Weltfußballer-Wahl mit Messi, Xavi und Iniesta gleich drei Barca-Spieler auf der Bühne.

(Photo by LLUIS GENE/AFP/Getty Images)

Eine Wiederholung der Schmach aus dem Camp Nou wollte Mourinho offensichtlich unbedingt vermeiden, denn der Frühling 2011 bot aufgrund gewisser Konstellationen die in den Medien vielzitierten „Clasico“-Wochen auf: Die beiden spanischen Großmächte trafen zunächst in der Liga aufeinander, wo Barca acht Punkte vor Real lag. Danach stand das Finale in der Copa Del Rey auf neutralem Boden an. Abgerundet wurde jene Phase durch die Auslosung der Champions League: Natürlich duellierten sich die Klubs auch im Halbfinale der Königsklasse. Im ersten Aufeinanderteffen trennte man sich mit einem 1:1 Unentschieden, dadurch stand der dritte Meistertitel in Folge für die „Blaugrana“ praktisch so gut wie fest. Im Finale des spanischen Pokals behielt jedoch Real durch einen 1:0 Sieg durch einen Ronaldo-Treffer in der Verlängerung die Oberhand. In dem Endspiel nahmen die Auseinandersetzungen zwischen den Spielern weiterhin zu, was seine Spitze jedoch erst im Hinspiel des Halbfinales der Königsklasse erreichen sollte. Dort echauffierte sich Mourinho nach einem Platzverweis von Pepe derart, dass er auch die Tribüne musste und nach dem Spiel vor einer Verschwörung mit der UEFA und dem Barca-Sponsor „Unicef“ schwadronierte.

(Photo by Alex Livesey/Getty Images)

Zu jener Zeit antwortete Guardiola überhaupt erstmals auf die seit Wochen anhaltenden Sticheleien seines ehemaligen (Mit-)Vorgesetzten:

„Hier (im Umgang mit der Presse) ist er der verf****e Boss. Ich will mich nur auf dem Platz mit ihm messen.“

Die Partie im Bernabeu entschied übrigens Messi mit einem Doppelpack im Alleingang. Weniger Wochen später feierten Guardiola und seine Mannschaft neben der spanischen Meisterschaft auch den zweiten Sieg in der Champions League in nur drei Jahren. Die Animositäten zwischen den beiden Vereinen sollten auch im nationalen Supercup vor der Saison 2011/12 so anhalten. Das Rückspiel bei den Katalanen endete in einer Massenschlägerei, als Marcelo die Beine von Cesc Fabregas fast brach, Özil und David Villa Ohrfeigen und Beleidigungen austauschten und Mourinho dem mittlerweile verstorbenen Barca-Assistent Tito Vilanova mit dem Finger ins Auge stach. Auch in diesem Aufeinandertreffen setzte sich einmal mehr das Team vom Guardiola durch. Die Aufgabe Mourinhos genau dies zu Verhindern, der Kern seiner Verpflichtung, schien immer mehr unmöglich zu werden. Diese Annahme bekam durch die 1:3 Heimpleite in La Liga gegen Ende der Vorrunde sowie dem Ausscheiden in der Copa del Rey kurz nach dem Jahreswechsel – natürlich abermals in Unterzahl und dadurch von gewissen Theorien des Portugiesen begleitet – weiteren Nährboden.

(Photo by Jasper Juinen/Getty Images)

Doch Barca wirkte im vierten Jahr unter Guardiola verändert: In der spanischen Liga, wo das Team in den drei Jahren zuvor nahezu unschlagbar war, fehlte es an Konstanz in den Leistungen, ungewohnt häufig schwächelte der Titelverteidiger. Rückblickend sollten Guardiola und einige Spieler später dazu konstatieren, dass die Beziehung zwischen Trainer und Mannschaft abgenutzt und ausgelaugt war. Real erklomm dadurch die Tabellenführung – und Ronaldo in der öffentlichen Wahrnehmung erstmals wirklich einen ähnlichen Status wie Messi. Das drückte sich neben dem bloßen Augen auch vor allem in zahlreichen „Clutch“-Performances seinerseits aus, mehrmals entschied der zu diesem Zeitpunkt noch immer teuerste Spieler der Welt enge Partien zugunsten seines Teams, eine Eigenschaft, welche ihm zuvor immer ein wenig abgesprochen wurde. Statistisch stießen die beiden Ausnahmeathleten in völlig absurde Sphären vor: Messi setzte sich im Rennen um die Torjägerkanone in La Liga am Ende mit 50 (!) Treffern gegenüber Ronaldos 46 (!) Toren durch.

Am 21. April stand am 35. Spieltag der große Showdown um den Titel an: Die „Königlichen“ gastierten als Tabellenführer mit vier Punkten Vorsprung im von ihnen so ungeliebten Camp Nou. Um die Chance auf die vierte Meisterschaft in Folge zu erhalten, musste der FC Barcelona unbedingt gewinnen. Zu jenem Zeitpunkt datierte der letzte Sieg Reals in der Liga gegen den Erzrivalen aus der Saison 2007/08 – Guardiola war somit nach fast vier Jahren in dieser Domäne noch immer unbesiegt.

Statisktiken:


FC Barcelona

Aufstellung: Victor Valdes – Carles Puyol, Javier Mascherano, Adriano (75./Pedro)  – Dani Alves, Xavi (69./Alexis Sanchez), Sergio Busquets, Thiago Alcantara – Cristiano Tello (82./Cesc Fabregas), Lionel Messi, Andres Iniesta

Bank: Jose Pinto, Martin Montoya, Gerard Pique, Seydou Keita

Trainer: Pep Guardiola


Real Madrid

Aufstellung: Iker Casillas – Alvaro Arbeloa, Pepe, Sergio Ramos, Fabio Coentrao – Xabi Alonso, Sami Khedria – Angel di Maria (75./Esteban Granero), Mesut Özil (90./Jose Callejon), Cristiano Ronaldo – Karim Benzema (90./Gonzalo Higuain)

Bank: Antonio Adan, Marcelo, Raul Albiol, Kaka

Trainer: Jose Mourinho


Verlauf

Tore: 0:1 Khedira (17.; Pepe); 1:1 ASanchez (71.; Adriano); 1:2 Ronaldo (73.; Özil)

Gelbe Karten: Busquets, Mascherano – Pepe, Alonso, Özil, Granero

(Photo by Denis Doyle/Getty Images)

Zum Spiel: „Calma, que aqui estoi yo“

Die Gäste kamen besser aus der Kabine. Schon nach drei Minuten prüfte Ronaldo mit einem wuchtigen Kopfball nach einer Özil-Ecke Valdes, doch der Schlussmann lenkte den Ball ansehnlich über die Latte. Der Portugiese zeigte sich in den ersten Minuten äußerst lebhaft und setzte Puyol in direkten Duellen mehrmals zu. In der zehnten Minuten schickte Alonso mit einem schönen Diagonalball Benzema auf die Reise, der Franzose verschaffte sich gegen Adriano etwas Raum, sein Abschluss konnte von Valdes jedoch festgehalten werden. Kurz darauf meldeten sich auch die Hausherren: Iniesta sezierte mit einem seiner typischen Zuspiele die gesamte Hintermannschaft, Tello war alleine durch, doch im letzten Moment entschied Schiedsrichter Undiano Mallenco auf Abseits.

In der 15. Minute fiel dann der erste Treffer: Di Maria brachte eine Ecke auf den langen Pfosten, wo sich Pepe relativ einfach gegen Adriano durchsetzen konnte. Das Problem an der Sache war aus Barca-Sicht aber, dass Valdes unnötigerweise relativ weit aus dem Kasten geeilt war und durch den kurzen Abstand den Ball nicht festhalten konnte. Das Spielgerät fiel Puyol vor die Füße, welcher dieses auf jämmerliche Weise versuchte abzuschirmen; ein energischer, aber fairer Einsatz von Khedira genügte, um den Ball über die Linie zu bugsieren. Real führte im Camp Nou!

(Photo by David Ramos/Getty Images)

Was machte eigentlich der zu diesem Zeitpunkt amtierende Weltfußballer im Team des FC Barcelona? Bis dahin nicht viel, die nächste Gelegenheit gehörte in der 20. Minute erneut Tello. Im direkten Gegenzug kam Ronaldo nach Zuspiel von Benzema zu seiner zweiten Gelegenheit, doch sein Abschluss ging relativ weit am Gehäuse vorbei, was auch – mal ausnahmsweise – den gut mitgelaufenen Özil ärgerte. Nach 26 Minuten war es dann soweit: Messi zeigte mit nur einer Aktion seine ganze Klasse. Der Argentinier zog die komplette Hintermannschaft auf sich, als er auf seiner Paradestrecke vom rechten Flügel nach Innen zog. Doch „La Pulga“ spielte den Ball durch die einzige verbliebene Lücke auf den eingelaufenen Xavi. Der Spielmacher scheiterte jedoch völlig frei am überragend reagierenden Casillas.

Auf der anderen Seite gab Ronaldo weiterhin den Alleinunterhalter: Der Stürmer zog abermals an dem völlig überforderten Puyol vorbei, verzog aber erneut. All zu oft durften die Gastgeber solche Gelegenheiten nicht zulassen, CR7 hatte in der sich zu Ende neigenden Spielzeit eine beträchtliche Anzahl von Weitschusstoren erzielt. Kurz vor dem Pausentee passte Alves noch einmal scharf in den Strafraum hinein, doch Messi stand im Abseits. Die aufgezeigten Szenen Barcas belegen bis dahin durchaus, dass die Taktik von Mourinho bisher voll aufging: Man ließ kaum etwas zu und war auch die offensiv gefährlichere Mannschaft.

Die Halbzeitansprache Guardiolas dürfte es in sich gehabt haben, denn seine Mannschaft kam völlig verwandelt aus der Kabine: Nach etwa 50 Minuten zeigte Thiago endlich, dass er auch an dem Spiel teilnimmt und spielte einen herrlichen Traumpass auf Tello, welcher den Ball auf fast schon unfassbare Weise verzog. Schon kurz zuvor hatte das Eigengewächs aus La Masia den Ball aus spitzen Winkel an das Außennetz befördert. Danach dominierte Barca weiter, ohne jedoch die großen Chancen herausspielen zu können. Wenn Xavi wie in der 65. Minute zu dem Mittel Schuss auf der Distanz greifen, diente dies in der Regel als ein ganz gutes Indiz, wie es gerade in der Offensive lief. Allerdings kamen andererseits die in der ersten Halbzeit so souverän auftretenden Gäste kaum noch zu Entlastungsangriffen.

(Photo by LLUIS GENE/AFP/Getty Images)

Das rächte sich in der 70. Minute, als sich zunächst Messi und Iniesta durch die Reihen der Madrilenen kombinierten. Nach Hackenvorlage des Spaniers stand abermals Tello, welcher das Spiel eigentlich wegen seiner zahlreichen Gelegenheiten hätte alleine entscheiden müssen, völlig frei vor Casillas und scheiterte erneut. Der Abpraller kam zu Adriano am Strafraumrand, welcher sofort abzog, aber den Ball nicht richtig traf. Allerdings wurde der Schuss von Arbeloa abgefälscht, damit flog der Ball genau dem kurz zuvor eingewechselten Alexis vor die Füße. Der Chilene staubte zum mittlerweile verdienten Ausgleich ab.

Eigentlich deutete nun alles auf einen Heimsieg der Katalanen hin, doch nur zwei Minuten schlugen die „Königlichen“ eiskalt zurück: Özil bekam den Ball am rechten Flügel und spielte einen absoluten Traumpass hinter die aufgerückte Abwehrreihe. Ronaldo sprintete Mascherano davon, legte den Ball am herauseilenden Valdes vorbei und schob zur erneuten Führung ein. Der Portugiese drehte jubelnd und bedeutete dem gerade ihm immer äußerst feindseligen gestimmten Publikum mit einer Geste ruhig zu sein: „Calma, que aqui estoi yo // Ruhe, hier bin ich.“ Auf den erneuten Rückstand hatte Barcelona keine wirkliche Antwort mehr, viel eher versäumten es die Gäste bei einer der zahlreichen Kontergelegenheiten die endgültige Entscheidung herbeizuführen. Bestraft wurde dies allerdings nicht: Mourinho und sein Team feierten ausgelassen, nachdem Mallenco die lebhafte Partie abpfiff..

(Photo by Denis Doyle/Getty Images)

Nachschau: Sabbat und ominöses drittes Jahr

Real Madrid war von da an nicht mehr aufzuhalten und stürmte zu seiner ersten Meisterschaft seit 2008. Dabei brach die Mannschaft von Mourinho einige bedeutsame Rekorde. Die gesammelten 100 Zähler stellen bis zum heutigen Tag eine Bestmarke dar, auch wenn natürlich Barca nur ein Jahr später ebenfalls diesen Wert erreichte. Die 121 erzielten Treffer sind jedoch noch immer einsame Spitze. Dabei sind vor allem Ronaldo mit 46, Higuain mit 22 und Benzema mit 21 Toren hervorheben: Alleine dieses Trio war damit für 89 aller Treffer verantwortlich. Der Titelgewinn wurde beim Auswärtsspiel im Mames in Bilbao, ähnlich wie das Camp Nou ein sehr unliebsamer Ort für die „Königlichen“, mit einem 3:0 Sieg perfekt gemacht.

(Photo by David Ramos/Getty Images)

Die Losfeen in der Champions League hatten es mit den Fans der beiden Giganten gut gemeint, nur wenige Tage später hätte das rein spanische Endspiel perfekt gemacht werden können. Doch Real scheiterte an dem FC Bayern im Elfmeterschießen, mit Ronaldo, Kaka und Ramos vergaben gleich drei Spieler. Dem neutralen Beobachter ist dabei sicherlich der auf die Knie gesunkene Mourinho in Erinnerung geblieben. Über die beiden Spiele gegen die Münchener war Real eigentlich die etwas bessere Mannschaft, doch vor allem Manuel Neuer brachte den spanischen Rekordmeister zur Verzweiflung.

Die sportliche Diskrepanz war in dem Duell zwischen Barcelona und Chelsea noch viel größer, doch auch hier zog die spanische Mannschaft den Kürzeren – und das in wirklich evident unverdienter Weise. Trotz unglaublicher Überlegenheit in beiden Spieler setzten sich die Engländer durch, obwohl diese über 180 Minuten eigentlich hoffnungslos unterlegen waren. Im Rückspiel konnte Barca neben seiner spielerischen Klasse auch aus dem frühen Platzverweis für John Terry sowie einem gegebenen Elfmeter, welchen Messi verschoss, kein Kapital schlagen. Fernando Torres sorgte gegen die aufgerückten und anstürmenden Katalanen dann für den Todesstoß. Kurz darauf berief der Verein eine Pressekonferenz ein, manche Spatzen pfiffen schon etwas länger von den Dächern, was kommen könnte…

(Photo by David Ramos/Getty Images)

Guardiola verkündete vor den Medien nach vier Jahren Amtszeit seinen Rücktritt zum Ende der Saison. Der Übungsleiter begründete dies mit einer Müdigkeit, welche durch seine intensive Arbeitsweise über eine solchen Zeitraum nun einmal eintrete. Mit Sicherheit hat aber auch der ewige Abnutzungskampf mit Mourinho dazu beigetragen, dass diese Symptome für Guardiola stärker wahrnehmbar wurden. Aus heutiger Sicht weiß man zudem, dass dem Coach mehrmals die Rückendeckung seines Vorstandes in jener Zeit der Auseinandersetzungen gefehlt hat und er sich deshalb zeitweise wie eine „Ein-Mann-Armee“ aus Präsident, Sportdirektor und Trainer vorkam. Guardiola kündigte an, dass er eine Auszeit von mindestens einem Jahr nehmen werde. Zum Abschied beschenkte ihn sein Team noch mit dem Gewinn der Copa Del Rey.

Ohne Guardiola schien Barca einer nun einsetzenden Dominanz aus der spanischen Hauptstadt wenig entgegensetzen zu können, hatte man doch selbst mit dem vereinseigenen Messias im Vorjahr den Kürzeren gezogen. Doch die Harmonie bei Real war bei weitem nicht so ausgeprägt, wie man es damals annahm. Die Beziehung zwischen Mourinho und seiner Mannschaft hatte zum Zeitpunkt des Titelgewinns bereits starke Risse bekommen. In den Folgejahren wurde mehrmals kolportiert, dass der Triumph dieses Real-Teams nicht „wegen“ sondern gerade „trotz“ Mourinho zustande gekommen sei. Zumindest hätte eine solche Stimmung im Kader vorgeherrscht. Die These scheint nicht sehr weiter hergeholt, ging doch im dritten Jahr in atmosphärischer Hinsicht dann alles den Bach runter.

(Photo by David Ramos/Getty Images)

Schon früh in der Saison verscherzte sich es der Portugiese mit Ramos, zum richtigen Eklat kam es dann im Winter, als Mourinho seinen Kapitän Casillas den Stammplatz entzog. Trainer und Vereinsikone hatten noch nie ein gutes Verhältnis gehabt, nun war dieses aber völlig ramponiert. Mit der Meisterschaft hatte der Titelverteidiger zu diesem Zeitpunkt schon nichts mehr zu tun, Barca feierte unter Pep-Nachfolger Vilanova einen völlig ungefährdeten Start-Ziel-Sieg. Bis zum Ende der Saison gehörten demnach zur Gegen-Fraktion von Mourinho dann auch seine Landmänner Ronaldo und Pepe, wobei er dem Erstgenannten bei seinem Abschied noch netterweise mitgab, dass der beste Spieler, den er je trainiert habe, der „wahre Ronaldo“ aus Brasilien sei. Denn die Amtszeit Mourinhos fand im Sommer 2013 sein Ende: Dies kann rückblickend als die erste Station eingeschätzt werden, wo der Portugiese wirklich scheiterte. Bei Porto und Inter sorgte er mit nicht für möglich gehaltenen Siegen in der Champions League für Meilensteine, Chelsea belebte er nach einem jahrzehntelangen Dornröschen-Schlaf wieder, aber bei Real schaffte er nicht das Wesentliche: Den Gewinn der Königsklasse.

Noch bevor Mourinhos Ende in dessen dritten Jahr feststand, unterschrieb Guardiola zur Überraschung vieler Beobachter im Januar 2013 einen Dreijahresvertrag beim FC Bayern München. Sein portugiesischer Widersacher heuerte indes zum zweiten Mal in seiner Karriere bei Chelsea an. Zu den „Clasicos“ gesellten sich in den Folgejahren neue Stars wie Gareth Bale, Neymar, Toni Kroos oder Luis Suarez. Nach Guardiola erlebte Barca unter Luis Enrique noch einmal eine Hochphase mit Gewinn des Triples im Jahr 2015, auf das spielerische Niveau von damals kehrte das Team jedoch nie mehr ganz zurück. Die nationale Dominanz blieb in den letzten Jahren mit den Meisterschaften 2013, 2015, 2016 und 2018 dennoch erhalten. Im Gegensatz dazu konnte Real nur einen einzigen Titel im Jahr 2017 verbuchen.

(Photo by Alex Caparros/Getty Images)

Dafür dominierten die „Königlichen“ in der Ära nach Mourinho auf dem internationalen Parkett: Gleich vier Mal gewann der Klub seitdem die Königsklasse – 2014 unter Carlo Ancelotti sowie drei Mal hintereinander unter dem ehemaligen Mourinho-Assistenten Zinedine Zidane. Auch in den Jahren nach „Pep“ und „Mou“ war die Bühne des „Clasico“ primär die Show von Messi und Ronaldo. Die beiden Ausnahmespieler brachen Jahr für Jahr neue Rekorde und machten seitdem immer den Ballon d´Or unter sich aus. Die fußballerische Glaubensfrage „Messi oder Ronaldo?“ manifestiert auf ewig diese Epoche, in welcher noch nie zuvor das maßgebliche Geschehen von vordergründig zwei Spielern beeinflusst wurde – zum großen Glück ist diese Phase immer noch nicht ganz abgeschlossen.

Die beiden Rivalen auf der Trainerbank fanden sich ironischerweise einige Jahre später nicht nur in der gleichen neuen Liga wieder, sondern darüber hinaus auch noch in der gleichen Stadt. Guardiola schloss sich nach drei herausragenden Saisons in München im Sommer 2016 Manchester City an. Mourinho hatte in seiner zweiten Amtszeit bei Chelsea zunächst Erfolg, in seinem wie immer ominösen dritten Jahr brach das Kartenhaus noch schlimmer als in Madrid zusammen. Da Manchester United zum Zeitpunkt der Guardiola-Verpflichtung ebenso auf Trainersuche war, nahm der Klub kurzerhand Mourinho unter Vertrag. Obwohl beide Übungsleiter nun in der gleichen Stadt tätig sind, erreichte die Rivalität nicht einmal annähernd die Sphären, in welchen man sich von 2010 bis 2012 bewegte.

(Photo by Michael Steele/Getty Images)

Dies gilt mittlerweile auch ein wenig für die „Clasicos“: Die damalige Rivalität war derart von Abneigung geprägt, sodass darauf eigentlich nie eine Steigerung kommen konnte. Dazu gesellt sich nun das Ende des Messi-Ronaldo-Duells, welches seit dem Wechsel des Portugiesen in diesem Sommer zu Juventus Turin ebenso Geschichte ist. Der Strahlkraft dieses Spiels sollte das jedoch – zumindest langfristig – keinesfalls schaden, bleibt dieses Match weiterhin das am meisten verfolgte Spiel einer Liga auf der ganzen Welt. Dennoch war Intensität wohl nie größer, als in Guardiola-Mourinho-Jahren. Deshalb bleibt auch der 21. April 2012 in besonderer Erinnerung: Nämlich als Mourinho im letzten Clasico-Duell der beiden Coaches endlich Guardiola schlug – und dies sogar mit fairen Waffen.

(Photo by JOSEP LAGO/AFP/Getty Images)

Marius Merck

Eine Autogrammstunde von Fritz Walter weckte die Leidenschaft für diese Sportart, die über eine (“herausragende”) Amateurkarriere bis zur Gründung von 90PLUS führte. Bei seinem erklärten Ziel, endlich ein “Erfolgsfan” zu werden, weiter erfolglos.


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