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U20-WM: Frankreich, Portugal, Argentinien – oder doch ein Exot? Der Favoritencheck!

20. Mai 2019 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Spotlight | Vom 23.5.-15.6. findet in Polen die Weltmeisterschaft der U20-Junioren statt. Während viele Topnationen wie Brasilien, Deutschland, die Niederlande, Titelverteidiger England oder Spanien fehlen, kristallisieren sich vor Turnierbeginn eine )Geheim-)Favoriten heraus. Mit dabei: Natürlich auch die französische Mannschaft.

Die 6 Gruppen im Überblick

Gruppe A: Polen, Kolumbien, Senegal, Tahiti

Gruppe B: Ecuador, Italien, Japan, Mexiko

Gruppe C: Uruguay, Norwegen, Neuseeland, Honduras

Gruppe D: Nigeria, Katar, Ukraine, USA

Gruppe E: Frankreich, Mali, Saudi-Arabien, Panama

Gruppe F: Argentinien, Südkorea, Portugal, Südafrika

Der Topfavorit – Frankreich

Ja, die französische A-Nationalmannschaft verfügt über viele junge Spieler und gewiss ist auch die U21 bei der Europameisterschaft im Sommer ein ganz heißer Kandidat auf den Titel. Doch auch im U20-Bereich gibt Frankreich hinsichtlich der individuellen Klasse, aber auch der Breite den Ton an. Das sieht man bei einem Blick auf den Kader.

Tor: Alban Lafont (Fiorentina), Illan Meslier  (Lorient), Didie Desprez (Jeanne d’Arc)

Abwehr: William Saliba (AS St. Etienne), Evan N’Dicka (Frankfurt), Boubacar Kamara (Marseille), Dan-Axel Zagadou (Dortmund), Sambou Sissoko (Reims), Nicolas Cozza (Montpellier)

Mittelfeld: Enzo Loiodice (Dijon), Yacine Adli (Bordeaux), Michael Cuisance (Gladbach), Ibrahima Diallo (Brest), Youssouf Fofana (Straßburg), Boubakary Soumare (Lille)

Angriff: Amine Gouiri, Lenny Pintor (Lyon), Moussa Diaby (PSG), Nabil Alioui (Cercle Brügge), Moussa Sylla (AS Monaco)

Die Mischung aus Physis und Finesse

Für eine U20-Nationalmannschaft und noch dazu eine, die nicht von U21-Spielern verstärkt wird, ist dies ein hervorragender Kader. Schon im Tor beginnt es mit hoher individueller Klasse, denn Alban Lafont gehört zu den besten Torhütern seiner Altersklasse. Auch in der Abwehr ist viel Potenzial vorhanden, N’Dicka und Zagadou gehörten in der Bundesliga phasenweise zu den besten jungen Abwehrspielern und konnten viel Spielzeit sammeln, zudem ist William Saliba so etwas wie der Shootingstar der Ligue 1, wird bereits mit Arsenal in Verbindung gebracht und soll mit 18 Jahren schon 25 Millionen Pfund kosten. Die Defensive besticht durch eine Mischung aus guter Physis, Robustheit, aber trotzdem einer gewissen Abgeklärtheit, die in diesem Alter nicht selbstverständlich ist.

(Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Auch das Mittelfeld ist gut besetzt. Vor allem Loiodice, der auf der 8er-Position zuhause ist und dort zusammen mit Adli oder Cuisance auflaufen dürfte, besitzt eine Menge Potenzial. Cuisance durchlebte eine schwierige Saison in Gladbach, der elegante, dynamische Adli absolvierte in der Rückrunde 6 Einsätze für Bordeaux, kam vor allem am Saisonende in seinen Rhythmus. Offensiv bestimmt natürlich Moussa Diaby die Schlagzeilen. Der Flügelspieler von PSG wird mit einem Sommerwechsel in Verbindung gebracht und gilt als extrem talentiert. Diaby und dessen Dribblings sind eine Waffe in der insgesamt sehr technisch versierten und dribbelstarken Offensive Frankreichs.

Die Mannschaft von Trainer Bernard Diomede spielt überwiegend in einem 4-3-3-System mit einer sehr flexiblen Offensive. Sylla, Pintor oder Gouiri können im Sturmzentrum auftauchen, Moussa Diaby nimmt sich überdies immer wieder die nötigen Freiheiten in seinem Spiel, lässt sich nach hinten oder in die Mitte fallen. Frankreich ist auch in der Breite gut aufgestellt, wenngleich es an gelernten Außenverteidigern mangelt. Deswegen es sehr wahrscheinlich, dass ein Spieler wie Zagadou auf die Außenverteidigerposition ausweichen muss. Klar ist: Frankreich verfügt über einen herausragenden, spannenden, aber nicht perfekt homogenen Kader. Doch gibt es sowas in der U20 überhaupt?

Topteams in einer Gruppe: Argentinien und Portugal

Neben Frankreich sind vor allem Portugal und Argentinien mit einem sehr guten und individuell stark besetzten Kader im Rennen. Während die Südamerikaner mit Topspielern wie Ezequiel Barco oder Agustin Almendra nach Polen reisen stellt Portugal mit Rafael Leao, Ruben Vinagre, Jota, Gedson Fernandes, Diogo Leite oder Florentino gleich einen Haufen extrem talentierter Spieler, die schon erste Schritte in ihren Ligen oder gar in den internationalen Pokalwettbewerben gehen konnten. (Alle Kader im Detail findet ihr übrigens hier.)

Dass beide Mannschaften in der Gruppenphase bereits aufeinandertreffen mag brisant erscheinen, ist es aber nicht zwingend. Denn: Nicht nur die ersten beiden Mannschaften einer jeden Gruppe kommen weiter, selbst die 4 bestplatzierten 3. sichern sich einen Platz im Achtelfinale. Dennoch wird man sich bereits dort ein wenig gegenseitig an die Grenzen bringen.

Die Argentinier agieren wie auch die Franzosen bevorzugt in einem 4 -3-3-System. Abwehrchef ist Nehuen Perez (18, Atletico), im Mittelfeld gibt Kapitän Almendra den Ton an. Er diktiert das Tempo der Mannschaft, sorgt für Balance und schaltet sich gerne auch in die Offensive ein, um Spieler wie den schnellen, trickreichen Barco zu bedienen. Wenn man Argentinien bezwingen will muss man vor allem den 20-jährigen von Atlanta United ausschalten, der mit seiner Technik und seinem starken Antritt und dem Zug zum Tor jederzeit ein Spiel entscheiden kann.

(Photo by Carlos Rodrigues/Getty Images)

Die U20-Junioren Portugals genießen sicher den Vorteil, dass die U21-Nationalmannschaft nicht an der Europameisterschaft teilnimmt. Dementsprechend hoch ist die Qualitätsdichte im Kader. Florentino, Gedson Fernandes und Jota, die allesamt bei Benfica spielen sowie Diogo Leite (Porto), Diogo Dalot (Manchester United) oder Rafael Leao (Lille) bilden ein hervorragendes Grundgerüst. Doch das alleine reicht nicht, die Einzelspieler müssen überdies auch noch gut miteinander harmonieren können. Das funktioniert im Team von Trainer Helio Sousa sehr gut. Portugal spielt einen technisch hochwertigen Fußball, versucht den Gegner zu dominieren, dem Spiel den eigenen Stempel aufzudrücken. Einen krass abfallenden Mannschaftsteil gibt es nicht. Die letzten Auftritte waren fast allesamt positiv, aus 7 Spielen gab es 5 Siege, lediglich gegen Deutschland verlor man mit 0:1.

Geheimfavoriten: Ecuador und Mali

Einen sehr guten Eindruck macht die Nationalmannschaft Ecuadors. Bei der U20-Südamerikameisterschaft im Januar diesen Jahres lieferte Ecuador schon einige hervorragende Spiele ab und konnte beispielsweise Argentinien gleich zweimal schlagen. Die mannschaftliche Geschlossenheit ist ebenso wie die Kompaktheit dieser Mannschaft ein enorm wichtiger Faktor für den Erfolg, darüber hinaus finden sich im Kader Ecuadors mit Richard Mina, Diego Palacios oder Stiven Plaza auch noch wirklich gute Einzelspieler.

Doch nicht nur Ecuador, auch Mali könnte überraschend weit kommen! Die Entwicklung des Juniorenfußballs in Afrika ist positiv, es gibt immer festere, klarere Strukturen und eine bessere individuelle Förderung. Und Mali hat den Afrika-Cup gewonnen! Dabei bestach die Mannschaft vor allem durch Disziplin, zeigte sich in den entscheidenden Phasen abgeklärter als der Gegner, gewann seine Spiele knapp oder erst im Elfmeterschießen. Der ein oder andere Spieler im Kader Malis hat auch schon den Sprung nach Europa geschafft, so spielen unter anderem die Stürmer N’Diaye (ZSKA Moskau) und Sekou Koita (Wolfsberg) in europäischen Ligen.

Und sonst so?

Über die krassen Exoten wie Tahiti, Neuseeland, Panama oder Katar lässt sich im Vorfeld des Turniers wenig sagen, potenziell spannende Einzelspieler haben diese Mannschaften nicht im Kader. Eigentlich sollte auch mit Italien zu rechnen sein, aber zumindest individuell fällt die Mannschaft zu den anderen Topnationen deutlich ab, zudem waren die letzten Spiele alles andere als erfolgreich. Teams wie die USA mit Stürmer Timothy Weah oder aber auch die anderen südamerikanischen Mannschaften rechnen sich gute Chancen auf die K.O.-Runde aus, auch Mexiko mit dem omnipräsenten Diego Lainez von Real Betis kann für eine Überraschung sorgen.

(Photo by KIM DOO-HO/AFP/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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