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Safe Standing: Großbritannien hinkt hinterher

25. Oktober 2016 | Spotlight | BY neunzigplus


Die beste Stimmung in Fußballstadien gibt’s in England. So zumindest besagt der Mythos. Die Realität ist eine ganz andere: In vielen Stadien in Kontinentaleuropa wird auf den Rängen mehr Stimmung gemacht als in England. Signal-Iduna-Park in Dortmund, San Paolo in Napoli, ja sogar der St.-Jakob-Park in Basel müssen sich nicht vor der Anfield Road, Old Trafford und Co. verstecken.

Es gibt einige Gründe, warum England im weltweiten Vergleich zurückgefallen ist: Die gut vermarktete Premier League lockt viele Touristen in die Stadien, die nicht die gleiche Stimmung zu erzeugen Vermögen, wie dies die Fanclubs und Ultras in anderen Ländern tun. Die Ticketpreise sind um ein vielfaches höher als im Rest von Europa. Dadurch vermögen immer weniger Fans aus der Arbeiterklasse die Eintrittspreise zu bezahlen, während der Anteil an der gehobenen Mittelschicht zunimmt. Dass die Stadien in den obersten zwei Spielklassen in England reine Sitzplatzstadien sein müssen, ist ein weiterer Grund, warum es in Englands Stadien nicht mehr so laut ist wie früher. Das Verbot von Stehplätzen in Großbritanniens Stadien geht auf den Taylor-Report von 1990. Nach der Hillsborough-Katastrophe 1989, als 96 Fans unter tragischen Umständen ihr Leben verloren haben, wurde Lord Taylor damit beauftragt, Maßnahmen vorzuschlagen um die Sicherheit in den Stadien zu verbessern.

Taylor ist unter anderem zum Schluss gekommen, dass generell die Zuschauerkapazität der Stadien zu verringern und dass in großen Stadien nur noch Sitzplätze gebaut werden dürfen. Die britische Regierung folgte dem Taylor-Report trotz Proteste aus den Fan-Lagern. Heute ist bekannt, dass nicht die Stehplätze zum Drama von Hillsborough geführt haben, sondern ein Fehlverhalten von Polizei und Organisatoren, die weitere Liverpool-Fans in den bereits überfüllten Auswärtssektor gelenkt haben und damit eine Massenpanik verursacht haben. Außerdem führen die reinen Sitzplatzstadien nicht zu mehr Sicherheit. Tatsächlich stehen nämlich weiter viele Fans in den Stadien vor ihren Sitzplätzen. Dies führt einerseits dazu, dass Fans, die sitzen möchten, die Sicht versperrt wird und andererseits stellt der knappe Platz vor den Sitzplätzen ein zusätzliches Sicherheitsrisiko dar. So hat sich beispielsweise ein Manchester-United-Fan ein Bein gebrochen, als die Auswärtsfans gegen Hull einen Last-Minute-Treffer bejubelten und über die Sitze gestürzt sind.

Deswegen werden die Stimmen in Großbritannien die Stimmen immer lauter, die die Wiedereinführung von Stehplätzen fordern. In vielen Ligen in Kontinentaleuropa gibt es heute sichere Stehbereiche. Während in normalen Ligaspielen die Sitze hochgeklappt werden und ein Geländer zusätzliche Sicherheit bietet, kann das Stadion für UEFA-Spiele in ein reines Sitzplatzstadion umgewandelt werden. Fast alle Premier-League-Vereine würden sich dafür aussprechen, das sogenannte „Safe Standing“ zu testen. Im Celtic Park in Glasgow wird in dieser Saison erstmals so ein sicherer Stehbereich getestet. Es wäre wünschenswert, wenn dieses Projekt auch in der Premier League Fuss fassen könnte. „Safe Standing“ würde nicht nur mehr Sicherheit in die Stadien bringen, sondern auch die Stimmung und damit die Attraktivität der Liga verbessern.

von Andy Cina