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Premier League Vorschau – Teil III: „Wiedersehen macht Freude – Die Aufsteiger“

9. August 2016 | Spotlight | BY Christoph Albers


In unserer großen vierteiligen Vorschau zu anstehenden Premier League Saison befassen wir uns heute mit den Aufsteigern!

 

 

Zu einer neuen Saison gehören natürlich nicht nur neue Trainer und neue Spieler, sondern auch neue Vereine, in der Premier League sind es drei an der Zahl. Schließlich haben sich auch drei Vereine aus Englands Eliteliga verabschieden müssen. In der abgelaufenen Saison traf es Aston Villa, eigentlich Dauermitglied der Liga (allerdings abgeschlagen), Newcastle United, ebenfalls ein Verein mit großen Ambitionen, und den Norwich City, die es nur ein Jahr in der Premier League hielt.

Die neuen Vereine, die Aufsteiger heißen FC Burnley, FC Middlesbrough und Hull City. Alle drei haben es nach einer harten Saison ins Oberhaus geschafft. Und das ist nicht nur eine Phrase. Die englische zweite Liga ist wahrscheinlich eine der härtesten Ligen der Welt und das nicht nur aufgrund der robusten Spielweise. Gleich 24 Teams kämpfen um die begehrten Plätze, an 46 (!) Spieltagen. Und dann gibt es auch noch die nervenaufreibenden Play-Offs für die Plätze 3 bis 6. Das Halbfinale in Hin- und Rück-Spiel und natürlich das große Aufstiegsfinale im Wembley.

Doch die wahrscheinlich noch härtere Aufgabe folgt nun, der Klassenerhalt. Der FC Burnley und Hull City wissen das nur zu gut, sind sie doch beide erst in der Saison 14/15 abgestiegen. Und auch der FC Middlesbrough kennt die Liga, auch wenn die Erstligatage von „Boro“ schon etwas länger zurückliegen. Im Folgenden betrachten wir die Aufsteiger etwas näher und analysieren, ob das Wiedersehen wirklich so viel Freude macht.

 

FC Burnley

Der Meister der vergangenen Zweitligasaison hat den direkten Wiederaufstieg geschafft. Die erste Tabellenführung gab es zwar erst am 36. Spieltag, aber ein starkes Finish reichte zur Meisterschaft. Die zweitbeste Defensive (35 Gegentore, wie Hull) und die beste Offensive (72 Tore, wie Brighton & Hove und Brentford) sind Beleg der Stärke. Und das direkt nach dem Abstieg aus der Premier League und den Abgängen von Ings und Trippier.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt bei Burnley in der Kontinuität. Trainer Sean Dyche (45) ist bereits seit 2012, als Nachfolger von Eddie Howe (Bournemouth), im Amt und hat nun schon zwei Aufstiege und auch einen Abstieg in bzw. aus der Premier League mitgemacht. Das Vertrauen der Vereinsführung ist da, er zahlt es bislang zurück.

Aber er bringt gleichermaßen auch seinen Spielern viel Vertrauen entgegen. Schon nach dem Abstieg blieb der ganz große Umbruch aus und auch jetzt, nach dem Aufstieg in die Premier League, hält man sich auf dem Transfermarkt auffällig zurück. Erst ein nennenswerter Neuzugang steht zu Buche, allerdings wurde mit Joey Barton (Glasgow Rangers) auch nur ein Leistungsträger abgegeben.

Bei dem angesprochenen Neuzugang handelt es sich um den isländischen EM-Helden Johann Gudmundsson, der für drei Millionen Euro von Charlton Athletic kommt, ein klassischer Flügelspieler.

Ansonsten ist der Kern der Mannschaft der Selbe wie in der Aufstiegssaison. Kapitän und englischer Nationalspieler Tom Heaton im Tor, davor Abwehrchef Michael Keane, der aus der ManUtd Akademie stammt, und im Angriff der amtierende Torschützenkönig der zweiten englischen Liga, Andre Gray.

Gray kam vor der abgelaufenen Saison für ca. 12,4 Millionen Euro von Brentford und schlug sofort ein. Er ist eine Torgarantie, egal bei welchem Verein er gespielt hat, die Ausbeute stimmte. Er wird auch in der Premier League von größter Wichtigkeit für den Erfolg seiner Mannschaft sein.

Trainer Dyche lässt meistens in einem klassischen 4-4-2 spielen, davon profitiert Gray. Zumeist heißt sein Nebenmann Sam Vokes, der auch bei der Europameisterschaft für Wales traf. Für den einzigen Deutschen im Kader, Rouven Hennings, ist es dementsprechend schwer, er konnte sich seit seinem Wechsel im letzten Sommer nicht durchsetzen.

Für den FC Burnley wird es in der kommenden Saison aller Voraussicht nach um nichts anderes als den Klassenerhalt gehen. Der Dem Kader fehlt es, zumindest im jetzigen Zustand, an Breite und auch an individueller Klasse. Das Kollektiv funktioniert und die Mannschaft ist eingespielt, das Umfeld ist realistisch. Aber ob das reichen wird darf zumindest angezweifelt werden. Weitere Neuzugänge sind nicht auszuschließen und unserer Auffassung nach auch nötig. Wir gehen zwar davon aus, dass die Mannschaft keineswegs untergehen wird, es aber auf jeden Fall sehr eng wird, im Kampf um den Klassenerhalt.

 

FC Middlesbrough

„Boro“ ist zurück! Nach sieben quälend langen Jahren ist das Gründungsmitglied der Premier League wieder im Oberhaus angekommen. 2009 stieg man nach 10 Jahren als solides Mittelfeldteam aus der höchsten Spielklasse ab. In der zweiten Liga etablierte sich Middlesbrough dann auch schnell wieder im gewohnten Mittelfeld. Das war aber natürlich nicht der Plan. Erst seitdem Coach Aitor Karanka im Amt ist geht es wieder bergauf. In seiner ersten Saison reichte es auch nur für Platz 12, in der folgenden Saison scheiterte sein Team erst in den Aufstiegs-Play-Offs und in der abgelaufenen Saison wurde Platz 2 erreicht und damit der direkte Aufstieg. Doch es war knapp, sehr knapp. Brighton & Hove war punktgleich, am Ende reichte die bessere Tordifferenz. In der kommenden Saison wäre man dann aber sicherlich wieder mit einem Mittelfeldplatz zufrieden.

Aitor Karanka ist ein wahrer Glücksfall für „Boro“, dabei war seine Verpflichtung ein großes Risiko. Denn Middlesbrough ist seine erste Station als Cheftrainer. Der ehemalige Spieler von Real Madrid war zuvor Co-Trainer bei Jose Mourinho, bei Real Madrid. Der Spanier ist mit seinen 42 Jahren zudem noch relativ jung. Doch das Risiko zahlte sich aus, wie man heute weiß.

Der Spanier geht bereits in seine vierte Saison und bleibt sich dabei treu. Auch vor dieser Saison verpflichtete er mit Victor Valdes, Alvaro Negredo und Antonio Barragan gleich drei Landsleute. Zudem noch die spanischsprachigen Gaston Ramirez (zuletzt schon ausgeliehen) und Bernardo Espinosa. Dazu kommen Keeper Brad Guzan, der Däne Viktor Fischer und Top-Transfer Marten de Roon, der für 15 (!) Millionen Euro aus Bergamo kommt.

Middlesbrough setzt also, anders als Burnley, auf viele Neuzugänge, die den Kader in Breite und Tiefe verstärken sollen. Auffällig ist dabei auch, dass viele äußerst erfahrene Spieler (Valdes, Barragan, Negredo, Espinosa) verpflichtet wurden. Das ist zwar keine Garantie für Erfolg, kann sich aber in unruhigen Zeiten bezahlt machen.

Gerade Alvaro Negredo könnte ein ganz wichtiger Faktor im Spiel der Karanka-Elf werden, schließlich kennt er die Premier League aus seiner Zeit bei Manchester City gut und hat bei all seinen Stationen bewiesen, dass er Tore schießen kann. Mit Jordan Rhodes steht im Kader allerdings noch eine sehr gute Alternative, er kam auch erst im Winter, für ca. 12 Millionen Euro von Blackburn.

In der abgelaufenen Saison trat das Team zumeist im 4-2-3-1-System auf und konnte vor allem in der Defensive überzeugen. Mit nur 31 Gegentoren in 46 Ligaspielen stellte man die beste Defensive. Die Offensive zählte mit nur 63 Toren jedoch nicht zu den besten in der Liga. Allerdings wurde dort, wie gerade dargestellt, kräftig nachgebessert.

Der Kader ist insgesamt gut besetzt, auch in der Breite. Die Neuzugänge bringen jeweils eine beträchtliche individuelle Qualität und auch Erfahrung mit. Die Defensive genießt unter Karanka zudem hohe Aufmerksamkeit und sollte auch zur kommenden Saison, trotz der vielen Neuen, gut funktionieren. Wenn die Abläufe stimmen und die Neuen einschlagen sollte der Klassenerhalt gelingen. Ein „wenn“ ist noch da, aber wir sind optimistisch, dass „Boro“ es packt.

 

Hull City

Den beschwerlichsten Weg ins Oberhaus hatte aber wohl Hull City. In der Liga wurde die Mannschaft von Aufstiegstrainer Steve Bruce „nur“ Vierter. Das qualifizierte Hull aber immerhin für die Aufstiegs-Play-Offs (3.-6.). Dort setzte man sich im Halbfinale knapp gegen Derby County durch und besiegte im Finale Sheffield Wednesday, mit 1:0 ebenfalls sehr knapp. Das goldene Tor erzielte der mittlerweile zu Newcastle abgewanderte Mo Diame. Das reichte dann für den direkten Wiederaufstieg.

Allerdings ist nach dem Aufstieg reichlich Chaos in den Verein eingekehrt. Das mündete dann am Ende in den Rücktritt des eben erwähnten Steve Bruce. Bruce führte die Mannschaft 2013 bereits in die Premier League, schaffte den Klassenerhalt, überstand dann den Abstieg und führte das Team nun zurück in die Premier League. Aber dieser Weg ist nun für ihn vorbei.

Der wesentliche Grund ist dem Vernehmen nach im Wesentlichen Unsicherheit im Verein. Dieser steht nämlich möglicherweise vor einem Verkauf. Deshalb wurde bisher auch noch kein (!) Neuzugang präsentiert, dem stehen allerdings drei Abgängen gegenüber (Diame, Aluko, Taylor). Der Kader ist auf 21 Spieler zusammengeschrumpft. Unter den Bedingungen ist ein Abgang also durchaus nachvollziehbar, auch wenn der Zeitpunkt, drei Wochen vor dem Saisonstart, natürlich unglücklich ist. Bruce war zu dem Zeitpunkt auch noch als Hodgson-Nachfolger im Gespräch, den Zuschlag bekam allerdings „Big Sam“ Allardyce.

Ein Nachfolger für Bruce wurde bisher noch nicht präsentiert. Mike Phelan ist nur eine Interimslösung. Beim walisischen Nationalcoach Coleman erhielt man eine Absage, jetzt gilt Gianfranco Zola als Favorit. Er konnte bereits bei West Ham und Watford Erfahrungen auf der Insel sammeln. Mögliche Spielerverpflichtungen hängen logischerweise auch vom neuen Trainer ab. Der Verein steht also mächtig unter Druck bald eine Lösung vorstellen zu können.

Das Grundgerüst der Mannschaft steht aber immerhin noch. Der Schotte McGregor im Tor, Kapitän Michael Dawson in der Innenverteidigung, Jake Livermore und Tom Huddlestone im zentralen Mittelfeld und Top-Torjäger Abel Hernandez im Angriff. Hernandez traf gleich 20 Mal in der abgelaufenen Zweitliga-Saison, er war damit drittbester Torjäger.

Mit Andrew Robertson (22) und Moses Odubajo (23) verfügt man zudem über zwei sehr vielversprechende Außenverteidiger. Dazu kommen noch die beiden Premier League erprobten Robert Snodgrass und Ahmed Elmohamady auf den Flügel. Der Kader gibt also, auch ohne Neuzugänge, einiges her. Allerdings gab es schon jetzt in der Vorbereitung einige Probleme mit Verletzungen, angesichts des sehr dünnen Kaders könnte das ein gewaltiges Problem werden. Neue Spieler wird es unbedingt brauchen, wenn Hull Chancen auf den Klassenerhalt haben möchte. Andernfalls geht es sofort wieder zurück in die Championship.

Insgesamt scheint Hull City nicht gut gerüstet zu sein für die Premier League. Das Fehlen eines Trainers, die fehlenden Neuzugänge, die Ungewissheit im Verein, die davonlaufende Zeit bis zum Start, es sieht nicht gut aus für Hull City. Auch wenn das Team gefestigt und eingespielt ist und auch einiges an Qualität im Kader steckt, so wird es nicht reichen. Von daher sind wir bei Hull sehr pessimistisch, was den Klassenerhalt betrifft. Allerdings könnte sich bis zum Ende der Transferperiode noch einiges tun, es sei Hull empfohlen.

 

Eine kleine Statistik noch zum Abschluss: In den letzten 10 Jahren konnten nur ein einziges Mal alle Aufsteiger die Klasse halten. Allerdings stiegen auch niemals (!) alle Aufsteiger direkt wieder ab.

Im nächsten Teil der Serie stellen wir die ersten Vereine im Überblick vor.

Christoph Albers

Cruyff-Jünger und Taktik-Liebhaber. Mag präzise Schnittstellen-Pässe, schwarze Leder-Fußballschuhe, Retro-Trikots und hat einen unerklärlichen Hang zu Fußball-Finanzen. Seit 2016 bei 90PLUS.


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