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Pleiten, Pech und Pannen – Die Negativspirale des FC Schalke 04

24. Juni 2020 | Spotlight | BY Hendrik Wiese

Spotlight | Der FC Schalke 04 steckt mitten in einer großen Krise. Auf sportlicher Ebene ist man seit 15 Bundesliga-Spielen ohne Sieg, finanziell ist man ebenfalls nicht auf Rosen gebettet.

Nun positionieren sich auch die sonst so treuen Ultras klar gegen den Verein und bezeichnen die Außendarstellung als „katastrophales Bild“. Warum sich der Verein in seinen Grundstrukturen und auf der Trainerposition verändern sollte. Eine Analyse.

From Hero to Zero – Die bisherige Saison des FC Schalke

Vor der Saison war man sich grundlegend einig. Die Anstellung von David Wagner ist ein guter Schritt für den FC Schalke 04. Nach einer katastrophalen Vorsaison, die auf Platz 14 endete, sollte ein neuer Trainer, der Erfahrung auf hohem Niveau besitzt, den Klub in geeignete Bahnen führen. Den Kader hatte er dafür, qualitativ war Schalke auf vielen Positionen verhältnismäßig gut aufgestellt.

Die Saison begann verheißungsvoll. Ein offensives Konzept trug gleich erste Früchte. Schalke dominierte den ein oder anderen „kleinen“ Gegner, aber auch Klubs wie RB Leipzig oder Borussia Mönchengladbach stellte man ein Bein. Nach der Hinrunde rangierte man auf einem guten fünften Platz, punktgleich mit Borussia Dortmund. Spieler wie Amine Harit blühten wieder auf, junge Talente rückten punktuell in den Fokus.

(RONNY HARTMANN/AFP/Getty Images)

Nach und nach nahm das Unheil aber dann seinen Lauf. Gegen Mönchengladbach überzeugte man zum Rückrundenstart zwar noch, doch anschließend folgte das Auswärtsspiel in der Allianz Arena. Die Königsblauen wurden mit 0:5 aus dem Stadion geschossen. Der Anfang vom Ende. Stammspieler wie Omar Mascarell, Suat Serdar und Ozan Kabak verletzten sich. In der Offensive lief nicht mehr viel zusammen, spätestens beim 0:5 gegen RB Leipzig offenbarte man auch kolossale Defensiv-Schwächen. Seit dem Spiel gegen den deutschen Rekordmeister wurde – traurig, aber wahr – kein einziges Spiel in der Liga mehr gewonnen. Seit mittlerweile 15 Spielen wartet man auf drei Punkte. Negativrekord.

Überperformance, Verletzungen, Nebengeräusche – Die Gründe für das Scheitern

Doch wie kann es sein, dass eine scheinbar aufstrebende Mannschaft aus dem Nichts den Faden verliert und sich zu einem der schlechtesten Vereine der Liga entwickelt? Das hat in diesem Falle mehrere Gründe. Zunächst „überperformte“ man in der Hinserie. Anhand der xG-Werte erkennt man, dass S04 nach 17 Spieltagen zehn Punkte mehr hatte als erwartet, verglichen mit der Qualität der Torchancen. Geht man nach den Werten von „Understat.com“ hätte Schalke 04 nach der Hinrunde mit 19 Punkten auf Platz elf stehen müssen. Das erklärt bereits so einiges, da eine solche „Überperformance“ über eine ganze Saison nur selten durchzuhalten ist. Zum Vergleich: Nach 33 Spieltagen müsse „Königsblau“ mit 35 Punkten auf Platz Vierzehn stehen.

Doch es ist nicht nur die erstaunliche Überperformance, die einen Absturz beeinflusste. Es ist zwar oft recht einfach, schlechte Leistungen auf Verletzungen zu schieben, doch im diesem Falle ist es teilweise so. Mit Todibo, Stambouli, Serdar, Sane, Nastasic, Mascarell, Harit und Burgstaller fallen aktuell acht mehr oder weniger legitime Stammpielerkandidaten aus. Serdar und Harit sind dabei die Schalker Top-Torschützen in der Liga und die Anziehungspunkte, wenn es um Kreativität in der Offensive geht. Des Weiteren kommt man bei den Gründen für den Absturz auch nicht am Cheftrainer vorbei, der bekanntlich das sinkende Schiff weiterhin lenkt. Seine Anpassungen in der Rückrunde fruchteten nicht, die Fünferkette, die Wagner kurzzeitig etablieren wollte, sorgte nicht für Stabilität.

Fan-Lieblinge wie Ahmed Kutucu wurden eine lange Zeit nicht berücksichtigt, nun in das kalte Wasser geworfen. Überdies wies Wagner zuletzt auch noch in Interviews die Schuld von sich, machte viele Faktoren für den Negativtrend verantwortlich. Zudem ist die gewünschte Identität nicht sichtbar. Einige gute Ansätze waren in der Hinrunde zu erkenn – nicht mehr, nicht weniger.

So ein Negativ-Strudel birgt auch immer Nebengeräusche mit, das ist bei fast jedem Bundesliga-Klub so. Es lässt sich nicht vermeiden. Angefangen von dem Hick-Hack um die Torwartposition, die Personalie Alexander Nübel, die „Härtefall-Affäre“, die Kündigung der Busfahrer, aber auch die Person Clemens Tönnies, der wir uns im nächsten Punkt widmen werden.

(Photo by TF-Images/Bongarts/Getty Images)

Schade Clemens, alles ist vorbei

Die Person Clemens Tönnies, so viel sie auch für den FC Schalke getan hat, war spätestens nach den rassistischen Aussagen im August letzten Jahres nicht mehr haltbar. Die vorgetäuschte dreimonatige Entbindung seines Amtes war nur ein Vorwand, um das Thema gelinde wegschweigen zu können. Wäre der sportliche Erfolg zu diesem Zeitpunkt nicht so gewesen, wie er es war, hätte man sich wohl schon damals von ihm getrennt, so ging das Theater in die zweite Runde.

Tönnies, dessen Firma als Ausbreitungsort für das rasante Ansteigen der Corona-Fälle in Gütersloh diente, erhält nun noch mehr Gegenwind. Die Arbeitsbedingungen und die Unterbringung sind offenkundig katastrophal. Das Geld steht im Vordergrund, das Leben und die Gesundheit tausender Menschen sind nur sekundär. Zudem war es auch nicht wirklich hilfreich, in diesen Zeiten und bei seinem Standing das Thema Ausgliederung zu aktualisieren. Der große Knall auf Schalke rückt immer näher.

(Photo by Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Akte David Wagner – Nur einer von vielen

Wie bereits erwähnt wurde die Anheuerung von David Wagner zunächst positiv gesehen. Das ist längst nicht mehr so, Wagner steht aufgrund der Resultate in der Kritik, auch wenn ihm zuletzt intern der Rücken gestärkt wurde. Einen Trainer zu entlassen, nur weil die Ergebnisse nicht passen, ist falsch. Aber: Die Entwicklung der Mannschaft ist ein großes Problem, ein zielführender Plan war zu selten erkennbar. Zu denken, Wagner könne in der neuen Saison einfach wieder bei „Null“ anfangen und die Mannschaft wieder stabilisieren, ist zu einfach. Fragen über Fragen werfen auch die Anweisungen an seine Spieler auf, die nach einem guten Spiel gegen Bayer Leverkusen, wo man den Gegner bereits beim Spielaufbau gestört hat, einen Gegner wie Eintracht Frankfurt erst in die eigene Hälfte kommen ließen, ehe man ihn attackiert.

Trotzdem ist für den FC Schalke auch Kontinuität gefragt. Kurz vor Saisonende, wo es scheinbar um nichts mehr geht, den Trainer zu wechseln, wäre in einer Krise sicherlich – auch finanziell – nicht die beste Entscheidung. Dennoch ist die „Job-Garantie“, die Sportvorstand Jochen Schneider ausgesprochen hat, beileibe nicht glücklich. Eine genaue Analyse der Saison und der Einflussfaktoren, die zu diesem Einbruch führten, ist dringend notwendig.

(Photo by MARTIN MEISSNER/POOL/AFP via Getty Images)

„Clevere Transfers“ und die „Knappenschmiede“ als Instrumente für Erfolg

Zugegeben, aktuell ist die Zukunft des FC Schalke so unvorhersehbar, wie der Abschlag eines Kreisliga-Keepers. Große Ablösen werden selbst mit der Ausgliederung nicht zu tätigen sein, dennoch gibt es Möglichkeiten, den Kader zu verbessern. Da wären beispielsweise ablösefreie Neuzugänge, für die der FC Schalke ein Sprungbrett sein könnte. Als Beispiel darf man hier Jeremy Ngakia nennen, der bei West Ham als ablösefreier Abgang kokettiert wird, als rechter Verteidiger starke Leistungen gegen Liverpool & Co. ablieferte und mit seinen 19 Jahren noch ziemlich unter dem Radar fliegt.

Zum anderen besitzt man die Möglichkeit, auf die hoch dekorierte „Knappenschmiede“ setzen zu können. Mit beispielsweise Bozdogan, Kutucu und Becker besitzt man talentierte Jungs in den eigenen Reihen, von denen man mit Sicherheit keine konstanten Leistungen über eine ganze Saison erwarten kann, dafür aber vollen Einsatz. Vollen Einsatz für den FC Schalke 04.

(Photo by Patrik STOLLARZ / AFP)

Hendrik Wiese

Hendrik Wiese

Aufgewachsen mit dem Spielstil von Bastian Schweinsteiger bevorzugt Hendrik spielerische Dominanz und technisch ansehnlichen Fußball. Seit Dezember 2019 ist er für 90PLUS unterwegs, bevorzugt im deutschen Oberhaus.


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