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ManUtd | Die „verfluchte“ Rückennummer

20. März 2020 | Spotlight | BY Marius Merck

Wohl bei keinem anderen Verein hat eine Rückennummer einen derartigen Stellenwert wie die Nummer 7 bei Manchester United. In den größten Epochen der Vereinshistorie prägte stets ein Ausnahmespieler mit diesem Leibchen solche Phasen. Doch seit etwas mehr als einer Dekade fehlt dieser Nummer nun schon der Glanz, was durchaus synchron zur ganzen Entwicklung des Klubs läuft.

Best, Robson – Begründung & Fall

Der Mythos um diese Zahl wurde in den 1960er Jahren vom legendären George Best begründet. Der Waliser verhalf United mit seinen Toren und Dribblings zu mehreren Meisterschaften und dem Gewinn des Europapokals der Landesmeister 1968. Der erste „Popstar des Fußballs“ zählte neben Sir Bobby Charlton und Dennis Law unter Trainer Matt Busby zu einer der gefürchtetsten Angriffsreihen der Fußballgeschichte, wegen dieser Leistungen steht auch heutzutage eine Statue dieser sogenannten „United Trinity“ vor dem Old Trafford.

Jeder aus diesem Trio (!) wurde in dieser Epoche mit dem Ballon d´Or ausgezeichnet. Dass der Waliser wegen zahlreicher Eskapaden abseits des Platzes schon vor dem 30. Geburtstag seinen Zenit erreichte, schadete seinem Legendenstatuts nicht, sondern verstärkte diesen noch eher. Mit dem Niedergang Bests begann aber dann auch der Absturz der „Red Devils“ in den 1970er Jahren, als ausgerechnet Law im Trikot von Manchester City den Verein 1974 in die Zweitklassigkeit schoss.

(Photo by Barrington Coombs/Getty Images)

Mittelmaß sollte von da an für eine ganze Weile der Standard des Klubs sein, welcher zwar die Rückkehr ins englische Oberhaus direkt schaffte, an die vergangenen Großleistungen zunächst aber nicht mehr anknüpfen konnte. In den tristen 1980er Jahren war Bryan Robson über lange Zeit einer der wenigen Hoffnungsträger in einem sich in der Stagnation befindlichen Verein. Während der Erzrivale Liverpool zahlreiche Titel auf nationaler und internationaler Ebene sammelte und eine ganze Dekade prägte, befand sich United in einer Identitätskrise, bis im November 1986 ein gewisser Alexander Chapman Ferguson das Traineramt übernahm.

In den ersten Jahren unter dem Schotten stellte Robson, welcher als zentraler Mittelfeldspieler auch eine große Torgefahr ausstrahlte, dessen verlängerten Arm auf dem Platz dar. Gleich fünf Mal stand Robson in der Premier-League-Elf des Jahres, die Erfolge auf Klubebene begrenzten sich auf dem Zenit seines Schaffens jedoch „lediglich“ auf zwei Siege im FA Cup. Zu einer sportlich dürftigen Phase füllte der „Captain Fantastic“ damit wenigstens das Trikot mit der Nummer 7 mit einem gewissen Glanz.

(Photo by Pascal Rondeau/Getty Images)

King Eric, Beckham, CR7 – Hochphase

Während Robson die Zahl während einem Zeitraum trug, als feste Rückennummern noch nicht an der Tagesordnung waren, wurde sein späterer Mitspieler und Nachfolger dauerhaft mit der Nummer ausgestattet. Auch wenn die „Red Devils“ in den ersten Jahren unter Ferguson wenige Erfolge verbuchten, war eine Tendenz nach oben erkennbar. Für den ganz großen Wurf benötigte man aber noch einen weiteren Weltklasse-Spieler, der den Unterschied machen konnte: Die wenigsten Beobachter dürften allerdings dabei an Eric Cantona gedacht haben, welcher für gerade mal rund eine Million Pfund und einem katastrophalen Ruf aus Leeds kam.

Doch der Franzose erwies sich genau als das fehlende Puzzleteil und führte den Verein in seiner Debütsaison 1992/93 (mit Robson) zur ersten Meisterschaft seit 1967. Cantona entwickelte sich zum absoluten Publikumsliebling, Ferguson ernannte den Angreifer sogar zum Mannschaftskapitän. Bis 1997 sollte das „Enfant Terrible“ im Old Trafford bleiben, bevor er mit gerade einmal 31 Jahren im Sommer 1997 seine Karriere beendete um Schauspieler zu werden. Cantona führte United zu insgesamt vier Meisterschaften (davon zwei Double-Gewinne) und wieder an die Spitze des englischen Fußballs. Die Anhänger dankten es „King Eric“ mit der klubinternen Wahl zum besten Spieler des 20. Jahrhunderts.

(Mandatory Credit: Shaun Botterill/Allsport)

Als es bei Ferguson dann wirklich einsetzte, dass der exzentrische Franzose tatsächlich seine Schuhe an den Nagel hängen würde, gab es das Leibchen einem Spieler weiter, welcher in seinem Kader womöglich der größte Cantona-Fan war. Das hochveranlagte Eigengewächs David Beckham war zu diesem Zeitpunkt schon absoluter Stammspieler bei United und nach eigenen Aussagen erstmal stinksauer, als er nach der Sommerpause registrierte, dass er seine bisherige Rückennummer 10 abgeben musste. Die Wut verflog nach der Erkenntnis, aus welchem Grund dies geschehen war, schnell.

Beckham stand sinnbildlich für die „Fergie´s Fledglings“ (eine Anspielung auf die „Busby Babes“ mit Best & Co.), einer ganzen Reihe Spieler aus der eigenen Jugend, welche in den kommenden Jahren die erfolgreichste Ära des Vereins prägen sollten. Die United-Karriere von „Becks“ hätte rückblickend gar nicht besser laufen können: Sechs englische Meistertitel gewann der Engländer mit seinem Herzensklub. Auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit spielte er bei dem Gewinn des Tripels 1999 eine maßgebliche Rolle und wurde mit dem zweiten Platz bei der Weltfußballer-Wahl in diesem jahr ausgezeichnet. Dass der Kapitän der „Three Lions“ nebenbei zur Mode-Ikone und einem der populärsten Gesichter des Planeten aufstieg, widerstrebte seinem Ziehvater Ferguson dann aber so sehr, dass den Spieler 2003 zu Real Madrid ziehen ließ. Beckham sei der erste Spieler unter seiner Ägide gewesen, welcher es vorgezogen habe, „berühmt statt ein absoluter Weltklasse-Spieler“ zu werden, bekannte Sir Alex später in seiner Autobiographie.

(Mandatory Credit: Clive Brunskill /Allsport)

Dass der Nachfolger auf dem rechten Flügel noch besser und berühmter als der „Spiceboy“ werden sollte und damit diese beiden Attribute vereinte, hätte Ferguson im jenem Sommer erstmal mit Skepsis erfüllt. Doch ein gewisses Talent hatte es ihm derart angetan, dass er ihn als Beckham-Nachfolger zum damals teuersten Teenager aller Zeiten machte. Bei seiner Ankunft im Old Trafford bat Cristiano Ronaldo dem Vernehmen nach um die Rückennummer 28, welche er bei seinem Jugendklub Sporting CP getragen hatte, was der „Gaffer“ einhändig ablehnte und den Rohdiamanten gleich lieber mit der besagten Nummer 7 ausstattete. Der Portugiese hatte den „Red Devils“ in einem Freundschaftsspiel derart viele Knoten in die Beine gespielt, dass Ferguson binnen 24 Stunden nach dem Abpfiff den Transfer perfekt machte. Ebenso viele Knoten versuchte Ronaldo zu Beginn in Premier League zu verteilen, was in seinen ersten Jahren in England seiner Effizienz schadete.

Doch im Laufe der Zeit legte der Portugiese diese Angewohnheiten ab und entwickelte darüber hinaus noch einen ungeahnten Torriecher. Der anfangs als „Showpony“ verspottete Portugiese wurde in seiner United-Zeit mehrmals als Spieler des Jahres der Premier League ausgezeichnet. Zudem gewann er als erster Spieler der Premier-League-Ära den Ballon d´Or sowie den Titel des Weltfußballers. Drei Meisterschaften, ein Pokalsieg sowie ein Triumph in der Champions League in sechs Jahren zeugen auch in kollektiver Hinsicht von dem gigantischen Fußbadruck des Portugiesen in der Vereinshistorie. Gemessen an den folgenden Leistungen im Anschluss nach seinem Abgang zu Real Madrid im Sommer 2009 wirkt die damalige Rekordablöse von rund 94 Millionen Euro heute wie ein absolutes Schnäppchen.

(Photo by Alex Livesey/Getty Images)

Owen, Valencia – „besser als nicht vergeben“

Trotz seines unantastbaren Legendenstatus kreiden viele Anhänger Ferguson bis heute an, den Abgang Ronaldos zu jenem Zeitpunkt nicht adäquat aufgefangen zu haben. Trotz eigentlich gefüllter Kassen legte ein Verein, der gerade die dritte Meisterschaft hintereinander gewonnen und daneben auch wiederholt das CL-Finale erreicht hatte, auf dem Markt mit Antonio Valencia (Wigan Athletic) und Michael Owen (Newcastle United) in der Offensive maximal verhalten nach. Mit dem Engländer wurde die Nummer 7 zwar weiterhin von einem Ballon-d´Or-Gewinner getragen, letztendlich hatte der Stürmer seine beste Zeit jedoch schon weit hinter sich.

Zudem hielten es nicht wenige Anhänger für unwürdig, an eine eigentliche Vereinslegende (der Status bröckelt seit dem Wechsel) des Erzrivalen Liverpool die ikonische Zahl zu vergeben. Sportlich wurde Owen allerdings auch wegen vieler Blessuren seinen Vorgängern nicht gerecht, wenigstens verewigte er sich mit seinem Siegtreffer zum 4:3 in der 97. Minute im Stadtderby kurz nach seiner Ankunft in zahlreichen Highlights-Zusammenschnitten. Kürzlich wurde übrigens bekannt, dass der Stürmer die Nummer nur erhielt, weil Michael Carrick darauf verzichtete.

(Photo by Alex Livesey/Getty Images)

Der stets unterbewertete Mittelfeldspieler lehnte den Wechsel von seiner Nummer 16 auf ebenjene Zahl ab. Den etwas unscheinbaren Engländer würde man auf den ersten Blick nicht unbedingt mit den Kategorien der prominenten Ex-Inhaber in Verbindung bringen, dabei wird häufig außer Acht gelassen, dass United mit Carrick als ständigen Stammspieler im zentralen Mittelfeld jeden denkbaren Titel im Fußball gewonnen hat. Den heutigen Co-Trainer von Ole Gunnar Solskjaer würde man heute vielleicht nicht „nur“ als loyalen Arbeiter wahrnehmen, hätte er damals den Wechsel vollzogen.

Ähnlich gestaltet sich die Wahrnehmung auch bei Antonio Valencia, welcher immerhin eine Dekade lang das rote Trikot tragen sollte. Der Ecuadorianer, in seiner Höchstform einer der besseren Flügelspieler in der Premier League, aber nie absolute Spitze, trug während seiner Zeit im Old Trafford für genau eine Spielzeit die Nummer 7, spielte trotz dem Gewinn der Meisterschaft damit auf dem Rücken aber eine äußerst mäßige Saison 2012/13 und wechselte deswegen nach nur einem Jahr wieder zurück zu seiner alten Nummer 25. So war die größte Nummer der Klubgeschichte in der Spielzeit 2013/14 nicht vergeben, ihr etwas abhandengekommener Glanz steht sinnbildlich für den damals einsetzenden Niedergang des Vereins: Im ersten Jahr nach Ferguson belegte United als Titelverteidiger am Ende lediglich den siebten Platz.

(Photo by Alex Livesey/Getty Images)

Wirkungslos – Angel, Memphis & Alexis

Diese Entwicklung blieb auch den Besitzern, der sonst so handlungsfaulen Glazer-Familie, nicht verborgen, weswegen im Sommer 2014 für eine Klub-Rekordablöse von etwa 75 Millionen Euro Angel Di Maria verpflichtet wurde. Der Argentinier kam als jahrelanger Stammspieler von Real Madrid und hatte zudem gerade eine herausragende Weltmeisterschaft gespielt. In den ersten Wochen brillierte der Flügelstürmer für die „Red Devils“, doch schon nach wenigen Monaten kam es zum Zerwürfnis mit dem neuen Trainer Louis Van Gaal.

(Photo by steve parkin/AFP via Getty Images)

Nach nur einem Jahr trennten sich die Wege schon wieder, für ihn kam der junge Memphis Depay aus Eindhoven. Die Zusammenarbeit zwischen einem vielversprechenden Youngster und einem seiner Förderer versprach zunächst eigentlich beste Voraussetzungen, entsprechend trumpfte Memphis zu Beginn auch auf. Doch ähnlich wie Di Maria rutschte der Niederländer recht schnell in die Bedeutungslosigkeit des Kaders ab. Dabei muss man allerdings festhalten, dass Memphis insgesamt zu wenige Chancen erhielt. In Lyon zeigt er seit Januar 2017 regelmäßig, dass sich ein Verbleib des vielseitigen Offensivspielers durchaus hätte lohnen können.

(Photo by Michael Regan/Getty Images)

Um bei der nächsten Besetzung wirklich alles richtig zu machen, ging der Verein scheinbar auf Nummer sicher: Mit einem landesweiten Rekordgehalt lockte man Alexis Sanchez von Arsenal im nächsten Winter nach Manchester. Der Chilene befand sich alterstechnisch auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Zudem konnte er schon auf fast fünf Jahre Erfahrung in der Premier League zurückblicken, in welchen bei der Frage nach dem besten Spieler der Liga häufiger auch sein Name fiel. Alle wankenden Faktoren wie Eingewöhnung oder Unerfahrenheit der letzten beiden Besetzungen schienen eigentlich ausgeräumt.

Doch dieses Engagement sollte noch schlimmer als die beiden vorherigen floppen, Sanchez hat seine Zelte schon wieder abgebrochen und steht momentan als Leihspieler bei Inter unter Vertrag. In Erinnerung blieb vor allem sein Auftritt als Pianospieler im Werbevideo bei seiner Verpflichtung, was in den sozialen Medien für große Heiterkeit sorgte. In der kommenden Transferphase dürfte es dem Verein ein großes Anliegen sein, das üppige Gehalt des Chilenen von der Liste zu bekommen.

(Photo by Dan Mullan/Getty Images)

Manchester United: Was bringt die Zukunft?

Genauso groß wird allerdings auch der Wunsch zu sein, die legendäre Nummer wieder zu besetzen. Sollte an den Gerüchten um Jadon Sancho (BVB) tatsächlich etwas dran sein, dann könnte eben dieser womöglich der erste Träger seit Ronaldo aus der „obersten Kategorie“ sein. Das Problem an der Sache? Trotz einiger positiver Lichtblicke nach einer langen Dürrephase zuletzt ergeben sportliche Gründen für diesen Schritt recht wenig Sinn. Die Bedingungen bei den zahlreichen Konkurrenten in dem Werben sind jedenfalls sicherlich nicht schlechter.

Sollten sich die letzten Tendenzen der aktuell recht jungen United-Elf so fortsetzen, so könnte Sancho aufgrund seiner vorhandenen Klasse zweifellos eine Ära in einer Stadt prägen, in welcher er bereits gelebt hat, und vor allem den entscheidenden Unterschied in einer talentierten Mannschaft machen. Dafür müsste er aber auch erstmal den BVB tatsächlich verlassen wollen, was bisher ebenso wenig feststeht.

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Auch in momentanen Kader kämen einige Namen für diese Trägerschaft infrage. Dabei könnte man an Winter-Neuzugang Bruno Fernandes denken, momentan mit der Nummer 18 ausgestattet. Da die Nummer 7 bei seiner Ankunft zu haben war und er anders wählte, dürfte er allerdings kein Interesse dieser haben. Ferner wäre das Megatalent Mason Greenwood als ein Kandidat in Betracht zu ziehen, welcher als gerade einmal 18-Jähriger in seinem ersten Jahr als Profi bereits schon zu diesem Zeitpunkt in der Saison mit zwölf (!) Pflichtspieltoren die Entdeckung der laufenden Runde ist. Wer auch immer die Zahl in naher Zukunft als nächster Spieler erhält, darf sich mit den anhaltenden Vergleichen mit den Vorgängern auseinandersetzen.

(Photo by Gareth Copley/Getty Images)

Letztendlich ist natürlich der Spieler selbst und nicht die Rückennummer maßgeblich für das Wirken auf dem Platz. Allerdings ist es im Fall von Manchester United durchaus auffällig, dass die besten Jahre der Vereinsgeschichte stets von einem herausragenden Spieler mit eben dieser Zahl auf dem Rücken geprägt wurden. Es wäre daher nicht völlig verwunderlich, sollte sich der im Moment andeutende Aufschwung auch an einer zeitnah adäquaten Besetzung der Nummer ausdrücken und dadurch den seit etwa zehn Jahre anhaltenden „Fluch“ letztendlich beenden.

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(Photo by Jamie McDonald/Getty Images)

Marius Merck

Eine Autogrammstunde von Fritz Walter weckte die Leidenschaft für diese Sportart, die über eine (“herausragende”) Amateurkarriere bis zur Gründung von 90PLUS führte. Bei seinem erklärten Ziel, endlich ein “Erfolgsfan” zu werden, weiter erfolglos.


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