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Nachspielzeit: Man City unter Pep Guardiola 2017/18

14. Juli 2017 | Spotlight | BY David Theis

Bernardo Silva, Ederson, höchstwahrscheinlich Kyle Walker & Benjamin Mendy: Pep Guardiolas Kader in Manchester nimmt langsam aber sicher Gestalt an. Einige personelle Fragezeichen bleiben jedoch trotz Transferausgaben von über 200 Mio. Euro: In der Außenverteidigung sowie dem zentralen Mittelfeld gibt es erhebliche Mängel. Wie die „Citizens“ im kommenden Jahr auftreten könnten, erfahrt ihr in der Folge. 

Die Defensive:

Hier sind mit dem spielstarken Keeper Ederson, dem ebenso spielstarken John Stones sowie Allrounder und Leitwolf Kompany bereits 3 Spieler vorhanden, die sehr gut zu Guardiolas Ballbesitzfußball passen. Wohin die Reise auf den weitgehend verwaisten defensiven Außenpositionen (Mit Kolarov steht derzeit nur noch ein gelernter Außenverteidiger im Kader.) gehen soll, lässt der Beinahe-Transfer von Dani Alves erahnen: Auch hier sind Schnelligkeit, Offensivdrang und eine saubere Spieleröffnung gefragt. Dass jedoch Walker und/oder Mendy diesem Profil entsprechen, müssen die Genannten erst noch beweisen: Zwar besetzen sie gerne und erfolgreich offensive Räume – hierbei punktet Walker durch seine überragende Schnelligkeit, Mendy durch ein großes Geschick im 1gegen1 sowie seine Robustheit. Allerdings sind beide Transferkandidaten bislang mit einem eher hausbackenen Spielaufbau aufgefallen. Vergleicht man Walker & Mendy mit der Barca-Flügelzange Alba & Alves (Saison 2015/16), wird eines schnell deutlich: In den Kategorien „Mut zum Vorwärtspass“ und „kontrolliertes Umschaltspiel“ werden die für etwas mehr als 100 Mio. gehandelten Flügelspezialsten noch deutlich zulegen müssen, wenn sie waschechte „Pep-Spieler“ werden wollen.

„In Deutschland war es bereits körperlich… aber nicht so wie hier.“ (Guardiola im Interview mit Sky Sports)

Zusätzliche Optionen im Spielaufbau jedenfalls wird Man City dringend benötigen: Im zentralen Mittelfeld (wo sich Außenverteidiger im System des Spaniers nur allzu gerne aufhalten) um den verletzten Gündogan und den im Herbst seiner Karriere befindlichen Yaya Touré sucht man derzeit vergebens nach klassischen Guardiola-Tugenden. Dennoch sei zur Ehrenrettung von Walker/Mendy gesagt: Guardiola wurde im letzten Jahr von einigen Beobachtern vorgeworfen, die hohen physischen Anforderungen der Premier League unterschätzt zu haben. Insofern könnte das Defensiv-Duo einen schrittweisen Kompromiss zwischen Guardiola-Tugenden und englischen Tugenden einleiten. Wer also einen technisch beschlagenen „Halbverteidiger“ der Marke Grimaldo oder Bernat erwartet hatte, könnte schon bald von einem neuen, englischen Pep überrascht werden.

Das Mittelfeld:

Die 0:1-Niederlage gegen Jürgen Klopps pressingwütige „Reds“ im Dezember 2016 zeigte deutlich, wie wenig Guardiolas Elf (ohne Gündogan) auf in Masse provozierte zweite und dritte Bälle gefasst war. Die Lehren daraus: Englische Teams bedienen sich gegen dominante Gegner oft einfacher, aber ruppiger Mittel. Und: Ballzirkulation und Spielkultur in allen Ehren – doch Man City benötigt daher mehr Pressingresistenz und robuste Zweikampfführung im zentralen Mittelfeld. Der zwangsweise auf die „8“ versetzte David Silva bietet nur Ersteres, die 6er-Achse Touré/Fernandinho bestenfalls Letzteres. Interessant dürfte in diesem Kontext der Transfer Bernardo Silvas werden – könnte er doch bedeuten, dass (David) Silva sich auch künftig mit der für ihn nicht optimalen Rolle im 8er-Raum (und damit im Zentrum britischer Zweikampfschlachten) wird anfreunden müssen, während sein Namensvetter Raheem Sterling auf der Außenbahn verdrängt.

(Photo credit should read VALERY HACHE/AFP/Getty Images)

Die fraglos spannendste Transfer-Personalie ist jedoch die, die es (noch) gar nicht gibt: Wer wird Guardiolas Schaltzentrale im defensiven Mittelfeld übernehmen? Dass dem vorhandenen Spielermaterial nicht die Zukunft gehört, liegt auf der Hand. Zugegeben: Für ein derart vielfältiges Aufgabengebiet kommen auch nur eine Handvoll Spieler infrage. Folgt Guardiola seinem in der Außenverteidigung angedeuteten Mittelweg zwischen Physis und Spielkultur, wäre (je nach Gegner) eine Doppellösung denkbar. Es müssten also noch mindestens zwei Spieler her. Um so mehr überrascht die verdächtige Stille in der Gerüchteküche, wenn es um diese essenzielle Rolle im pep’schen System geht. Während sich Barca, Manchester United oder Liverpool an den Verrattis, Matics und Keitas dieser Welt die Zähne ausbeißen, bleibt „City“ scheinbar untätig. In Dortmund dürfte man jedenfalls auch etwas Gutes darin sehen, dass der verletzte Julian Weigl in diesem Sommer kein Thema mehr auf dem Transfermarkt wird. Ebenso überrascht es wenig, dass Atlético den Vertrag mit Supertalent Saúl gleich bis 2026 (!) verlängert hat. Auch in Madrid kennt man eben den Marktwert von polyvalenten 8ern. Tendenz: In diesem Sommer wird Manchester City wohl keine Lösung für die letzte große Lücke in seinem Taktikpuzzle präsentieren (können). Dazu passen auch Guardiolas auffallend deutliche Aussagen zur Zukunft seiner Mannschaft: Stets mahnt er, man müsse noch viel Geduld haben. Das scheint sich zumindest teilweise zu bewahrheiten.

Die Offensive:

Agüero, Sané, Gabriel, de Bruyne, Silva… im vorderen Spielfelddrittel wird es Guardiola selbst dann nicht an Optionen mangeln, wenn Nolito, Iheanacho, Bony oder Nasri den Verein noch (wie erwartet) verlassen sollten. Spannend bleibt einzig die Frage, ob City mit dem immer wieder gehandelten Alexis Sanchez noch eine Lücke schließt, die es eigentlich gar nicht gibt. Denn eine Ankunft des wichtigsten Spielers von Konkurrent Arsène Wenger könnte ein Personalkarussel in Gang bringen, das (wie zeitweise schon in der vergangenen Saison) ausgerechnet Superstar Kun Agüero zugunsten von Gabriel Jesus auf die Bank rotiert. Allein: Warum ein Strukturfanatiker wie Guardiola seinen torgefährlichsten Spieler zugunsten eines taktisch eher eigenwilligen „Hero Players“ wie Sanchez opfern sollte, bleibt bislang unergründlich. Zudem pocht dessen Arbeitgeber auf die Einhaltung des bis 2018 gültigen Vertrages. Prognose: Eher unwahrscheinlich.

David Theis

War schon ein Fußball-Nerd bevor es Laptops gab. Schläft mit einer Ausgabe von "Der Schlüssel zum Spiel" unterm Kopfkissen. Seit 2017 bei 90PLUS.


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