Spotlight

Mahmoud Dahoud: Der späte Gündogan-Nachfolger beim BVB

5. Mai 2021 | Trending | BY Simon Lüttel

Im Sommer 2017 wechselte Mahmoud Dahoud für zwölf Millionen Euro zu Borussia Dortmund. Die Erwartungen an den damals 21-Jährigen waren groß, schließlich galt es den Nationalspieler Ilkay Gündogan zu ersetzen.

  • Mahmoud Dahoud: Angekommen in Dortmund
  • Auf den Spuren von Ilkay Gündogan
  • Wie geht es mit dem Mittelfeldspieler weiter?

Gündogan geht – Dahoud kommt mit Verspätung nach Dortmund

Im Sommer 2016 standen die BVB-Verantwortlichen vor der Herausforderung, den zu Manchester City abgewanderten Ilkay Gündogan zu ersetzen. Der in Gelsenkirchen geborene Mittelfeldspieler spielte fünf Jahre für den BVB. Dort entwickelte er sich vom ungeschliffenen Rohdiamanten zum Nationalspieler. Der zentrale Mittelfeldspieler nahm sowohl unter Jürgen Klopp als auch unter Nachfolger Thomas Tuchel die Rolle als Kreativspieler im Zentrum ein. Eine Paradedisziplin von Gündogan war das Erzeugen von Dynamik und das Kreieren von Torchancen durch die Inszenierung seiner Vorderleute. Die Entwicklung Gündogans sorgte dafür, dass Topvereine aus ganz Europa Interesse an einer Verpflichtung zeigten. Im Juli 2016, ein Jahr vor Vertragsablauf, wechselte Gündogan für eine Ablösesumme von 30 Millionen Euro zu Manchester City.

 

Im Transfersommer 2016 präsentierte der BVB zahlreiche Neuzugänge. Darunter waren bekannte Namen wie unter anderem André Schürrle, Mario Götze, Ousmané Dembélé, Marc Bartra und Raphael Guerreiro. Ein Kreativspieler für das Mittelfeldzentrum ließ sich unter den Neuzugängen nicht finden. Der Gündogan-Nachfolger sollte sich, so hofften es die Vereinsverantwortlichen, bereits in den eigenen Reihen befinden. Gonzalo Castro spielte im Vorjahr häufig neben Gündogan und sollte nun die kreative Rolle im Mittelfeld übernehmen. Das gelang ihm aber nicht vollumfänglich. Die folgende Spielzeit war mit dem dritten Tabellenplatz und dem DFB-Pokalsieg auf sportlicher Ebene kein unerfolgreiches Jahr. Und doch gab es häufig Rufe nach einem Gündogan-Nachfolger. Diese wurden vor allem dann lauter, wenn es den Mittelfeldspielern gegen kompakt stehende Gegner nicht gelang, die Angreifer passend in Szene zu setzen.

Dortmund sondiert den Markt: Dahoud kommt aus Gladbach

Infolgedessen sondierten die BVB-Verantwortlichen erneut den Markt und konkretisierten das Interesse an einer Personalie, die bereits im vergangenen Sommer mit den Schwarz-Gelben in Verbindung gebracht wurde – Mahmoud Dahoud. Der in Syrien geborene Mittelfeldspieler galt lange Zeit als talentierter Perspektivspieler. Im m Jahr 2015 gelang ihm dann der Durchbruch zum Stammspieler bei Borussia Mönchengladbach gelang. In den Folgejahren entwickelte sich der Mittelfeldspieler weiter und reifte zum Stammspieler. Ähnlich wie Gündogan bewegte sich Dahoud hauptsächlich zwischen den Sechzehnmeterräumen und überzeugte bei den Fohlen mit guter Übersicht, Kreativität, Pressingresistenz, sowie präzisem Passspiel. Des Weiteren erzielte der Deutsch-Syrer einige sehenswerte Fernschusstore.

Am 30. März 2017 verkündete Gladbachs Sportdirektor Max Eberl, dass Dahoud den Verein verlassen wird. Das Ziel: Borussia Dortmund. Die festgeschriebene Ablösesumme soll 12 Millionen Euro betragen haben. Auf der Spieltags-Pressekonferenz vor dem 150. Revierderby gegen den FC Schalke 04, das unmittelbar nach Bekanntwerden des Transfers stattfand, äußerte sich der damalige BVB-Trainer Thomas Tuchel erstmals zur Personalie Dahoud. Der gebürtige Schwabe beschrieb die Neuverpflichtung als „wahnsinnig gut“. Zudem teilte er mit, dass sich der BVB schon vorher um den Mittelfeldspieler bemühte.

Teilzeitkraft unter Bosz, Stöger und Favre

Zwischen den Spielertypen Dahoud und Gündogan gab es einige Parallelen. Das weckte in Dortmund die Hoffnung, mit Dahoud ein fehlendes Puzzlestück gefunden zu haben. Beide verliehen dem Spiel ihrer Teams Kreativität, strahlten auf dem Feld eine gewisse Eleganz aus und verfügten über ein sich ähnelndes Fähigkeitenprofil. Zur Zusammenarbeit zwischen Dahoud und Tuchel sollte es jedoch nicht kommen. Im Mai 2017 gewann Tuchel mit dem BVB den DFB-Pokal und wurde wenige Tage später aufgrund von Differenzen mit der Vereinsführung entlassen.

Einige Wochen später stellten die BVB-Verantwortlichen den Niederländer Peter Bosz als Nachfolger vor. Dahoud, der als Wunschspieler Tuchels galt, musste sich nun unter dem ehemaligen Ajax-Trainer beweisen. In Bosz‘ 4-3-3 mit hohem Pressing kam Dahoud nicht über die Rolle des Rotationsspielers hinaus. Nachdem der Niederländer nach fünf Monaten infoge eines Abwärtstrends entlassen wurde, übernahm Peter Stöger den Trainerposten als Interimslösung bis zum Saisonende.

Einen persönlichen Aufwärtstrend konnte Dahoud unter dem Österreicher nicht verzeichnen. In seiner Debütsaison in Schwarz-Gelb absolvierte der Neuzugang 23 Bundesliga-Partien. Davon jedoch nur sechs über die volle Spielzeit. Zur wichtigen Säule im Mittelfeld, wie er es im Vorjahr in Gladbach war, wurde Dahoud in der Spielzeit 2017/18 nicht. Dennoch darf man bei der Leistungsbewertung nicht außer Acht lassen, dass der BVB eine enttäuschende Saison mit wenig Kontinuität spielte, in der nur wenige Spieler überzeugen könnten.

Dahoud in Dortmund: Die Zeit unter Favre

Im Sommer 2018 folgte die Anstellung von Lucien Favre als Cheftrainer bei Borussia Dortmund. Favre und Dahoud kannten sich bereits aus Gladbach. Im April 2015 gab der damals 19-Jährige sein Bundesliga-Debüt unter dem Schweizer. Grundsätzlich passte Dahouds Fähigkeitenprofil zum Spielstil des Schweizers. Favre liebt es, das Spiel zu kontrollieren und den Ball laufen zu lassen. Passstaffetten gehören dazu, ebenso kreative Elemente.

Photo by Imago

Zwar stand Dahoud bei Favre’s 4:1-Debütsieg über RB Leipzig in der Startelf, erzielte einen Treffer und zeigte eine ansprechende Leistung, doch der Sprung zum Stammspieler gelang auch nach dem Trainerwechsel nicht. Immer häufiger kam es dazu, dass der defensive Mittelfeldspieler auf der Bank Platz nehmen musste und ohne Einsatzminute dort verblieb. Das war auch der Konkurrenz im Mittelfeldzentrum geschuldet. Diese häufte sich nämlich. Im Sommer 2018 verpflichteten die Dortmunder Thomas Delaney und Axel Witsel, die sich als Doppelsechs in der ersten Saison unter Favre zu einem funktionierenden Duo einspielten.

In den zweieinhalb Jahren, die Favre das Traineramt bei BVB innehatte, zeigte Dahoud immer wieder vielversprechende Ansätze. Trotz allem blieb er Rotationsspieler. Mit Emre Can und Jude Bellingham wurden zudem zwei weitere Spieler verpflichtet, die mit Dahoud um Spielzeit konkurrierten. Zu einem Abgang kam es dennoch nicht, was nicht an einem Interessentenmangel lag. Sondern vielmehr daran, dass der Ex-Gladbacher sich in Dortmund durchsetzen wollte.

Mehr News und Storys rund um den internationalen Fußball 

Formanstieg unter Terzic

Als die BVB-Verantwortlichen sich nach einer 5:1-Heimniederlage gegen den VfB Stuttgart im vergangenen Dezember dazu entschlossen, Favre zu entlassen, wurde Edin Terzic vom Assistenz- zum Cheftrainer befördert. Mit dem Trainerwechsel änderten sich Formation und Spielstil der Dortmunder. Davon sollten in der Folge einige Spieler profitieren. In den Wochen nach Terzics Anstellung konnte Dahoud sein Standing innerhalb der Mannschaft jedoch nicht verbessern und zählte zu den Verkaufskandidaten. In der Wintertransferperiode zeigten Medienberichten zufolge Olympique Marseille und US Sassuolo Interesse an dem 25-Jährigen.

Nach zehn Bundesligaspielen als Cheftrainer konnte Terzic mit einem Schnitt 1,4 Punkten pro Bundesligapartie keine Bilanz vorweisen, die für einen Verein mit Champions-League-Ambitionen ausreichend ist. Ein Problem, welches man während den Spielen häufig beobachten konnte, war mangelnde Kreativität im Mittelfeldzentrum. Besonders deutlich wurde dieses Defizit bei der 2:1-Auswärtsniederlage gegen den SC Freiburg. Die Mannschaft von Christian Streich verdichtete das Zentrum und lenkte den BVB erfolgreich auf die Flügel, von den nur wenig Gefahr ausging.

Dahoud, der in den ersten acht Pflichtspielen unter Terzic nicht zum Einsatz kam, gab im Champions-League-Achtelfinalhinspiel gegen den FC Sevilla sein überraschendes Startelf-Comeback – und überzeugte auf ganzer Linie. In einem Dreiermittelfeld mit Emre Can und Jude Bellingham schien es so, als hätte der Ex-Gladbacher seinen Platz endlich gefunden. Im Ballbesitz beeindruckte der Deutsch-Syrer mit Ballsicherheit und harmonierte mit der Spielstarken linken Seite des BVB, die aus Raphael Guerreiro und Jadon Sancho bestand. Für seinen persönlichen Höhepunkt sorgte Dahoud in der 19. Spielminute, als er das zwischenzeitliche 1:1 mit einem sehenswerten Treffer aus 23 Metern erzielte. Dass Dahoud über jene Qualitäten verfügt, war bereits aus seiner Zeit in Gladbach bekannt. In Schwarz-Gelb kamen diese jedoch nur allzu selten zum Vorschein und gerieten zum Teil in Vergessenheit.

Dahoud: Das Sevilla-Spiel war der Wendepunkt

Nach dem 2:3-Sieg gegen den FC Sevilla folgten Startelfeinsätze gegen den FC Schalke 04, Arminia Bielefeld und den FC Bayern München. In den Partien vor dem Duell mit den Andalusiern kam Dahoud unter Terzic ausschließlich zu Kurzeinsätzen. In den zehn Bundesliga-Partien nach dem 17. Februar 2021, dem Tag des Champions-League-Achtelfinalhinspiels gegen den FC Sevilla, konnte der Trainerneuling seinen Punkeschnitt auf 2,2 Punkte pro Spiel verbessern. Am Aufschwung hat auch Dahoud seinen Anteil, der in acht der zehn Partien in der Startelf stand und dem Spiel der Dortmunder sichtbar Balance verlieh.

Photo by Imago

Auf die Frage nach dem Grund für den positiven Wandel, antwortete Dahoud beim vereinsinternen Sender BVB.TV, dass es nicht der Treffer gegen Sevilla, sondern das Vertrauen des Trainers für das Leistungshoch ausschlaggebend ist. Zuletzt wirkte Dahoud wie die bessere Version seiner selbst, die deutlich konzentrierter und fokussierter agiert. Im Spiel des zweimaligen Nationalspielers lassen sich weit weniger Ungenauigkeiten und Fehler erkennen. Dazu sind Dahouds Fernschüsse, die in den vergangenen Spielzeiten nur äußerst selten für Gefahr sorgten, mittlerweile wieder zum probaten Mittel geworden.

Eine Szene, die symbolisch für Dahouds Entwicklung innerhalb der vergangenen Wochen steht, konnte man in der Bundesliga-Partie gegen den VfL Wolfsburg beobachten. Der defensive Mittelfeldspieler erkannte frühzeitig den Passweg, fing das Zuspiel von John Anthony Brooks und schickte Erling Haaland mit einem perfekt dosierten Steilpass in die gegnerische Hälfte. Der Norweger vollendete die Vorlage, die bei nicht wenigen BVB-Fans Erinnerungen an Ilkay Gündogans Art seine Vorderleute zu inszenieren weckte, zum 2:0-Schlussresultat.

Im Juli 2021 wird schließlich Marco Rose den Cheftrainerposten beim BVB übernehmen und die Kaderplanungen für die neue Spielzeit sind bereits in vollem Gange. Eine Verlängerung von Dahouds Vertrag, der im Sommer 2022 ausläuft, ist mittlerweile denkbar. Und das hat er sich auch verdient.

Photo by Imago


Ähnliche Artikel