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Kepa Arrizabalaga – „Komplett“ unter dem Radar…zum besten Keeper der Liga?

30. November 2018 | Spotlight | BY Chris McCarthy

Wenn ein Torhüter im Sommer Schlagzeilen machte, dann war es Alisson. Für die damalige Rekordsumme von 60 Millionen Euro wechselte der Brasilianer von der AS Roma zum FC Liverpool. Der Mann, für den der FC Chelsea wenige Wochen später diesen Rekord brach, blieb und bleibt dagegen noch heute unter dem Radar. Dabei ist Kepa Arrizabalaga derzeit wohl der beste Torwart der Premier League…

 

Ungewohnte Planstelle

An der Stamford Bridge erfreut man sich seit weit über einem Jahrzehnt an eindrucksvoller Konstanz zwischen den Pfosten. Nachdem Petr Cech altersbedingt das Top-Nivaeu nicht mehr halten konnte, ersetzte man den Tschechen durch Thibaut Courtois. Seinerseits ebenfalls ein Mann des Prädikats Weltklasse. Um so größer war der Druck für die Blues, als man den Belgier diesen Sommer gezwungenermaßen ersetzen musste.

Courtois, der aus seiner Vorliebe für Spanien nie ein Geheimnis machte, erfüllte sich nämlich seinen Wunsch. Wohlwissend, dass Real Madrid einen Torhüter suchte, lehnte er eine Vertragsverlängerung ab. Chelsea musste seine Nummer eins im Sommer verkaufen, um nicht in Gefahr zu laufen, ihn 2019 ablösefrei zu verlieren. So wechselte Courtois für 35 Millionen Euro zu den Königlichen und die Engländer hatten nach 14 Jahren Sorglosigkeit, im Kasten plötzlich wieder eine offene Planstelle zu besetzen.

Dass es überhaupt soweit kam und, dass der Nachfolger so teuer werden würde, lag vor allem an einem folgenschweren Veto von Zinedine Zidane.

(Photo JAVIER SORIANO/AFP/Getty Images)

 

Teures Veto

Die Rede ist vom Einspruch des französischen Trainers gegen die Verpflichtung von Kepa Arrizabalaga vergangenen Winter. Real Madrid hatte sich mit dem Schlussmann bereits geeinigt. Sogar der medizinische Check wurde Medienberichten zufolge schon absolviert und dank der Ausstiegsklausel stand dem Schnäppchen in Höhe von 20 Millionen Euro eigentlich nichts mehr im Wege. Eigentlich, denn der damalige Coach des Champions-League-Siegers war von diesem Vorhaben nicht sonderlich angetan. Er verwies darauf, dass er von einem Torhüterwechsel während der Saison nicht viel halte und vertraute weiterhin Keylor Navas. Kepa blieb bei Athletic Bilbao, wo er einen neuen langfristigen Vertrag unterzeichnete.

Was hat das mit Chelsea zu tun? Nun ja, ohne das Veto hätten die Blues wenige Monate später schon mal nicht ihren exzellenten Stammkeeper an das immer noch suchende Real Madrid verloren. Vielleicht sogar gar nicht. Doch damit nicht genug. Der Preis des letztendlichen Courtois-Nachfolgers hatte sich zudem vervierfacht. Mit der Vertragsverlängerung Kepas ließ sich Bilbao nämlich nicht die Gelegenheit entgehen, seine Ausstiegsklausel von 20 auf stolze 80 Millionen Euro zu erhöhen. Der wohlhabende Klub aus England zahlte zähneknirschend den Festbetrag. Auf Verhandlungen ließen sich die Basken nicht ein.

Den Blues waren die Hände gebunden. Courtois musste adäquat ersetzt werden und der Torhütermarkt gab auf den ersten Blick nicht viel her. Der begehrteste Schlussmann der Transferperiode, Alisson, hatte sich zu allem Überfluss zuvor bereits für den FC Liverpool entschieden. Ob aus Zugzwang oder ganz bewusst, Chelsea machte Kepa Arrizabalaga zum teuersten Torwart aller Zeiten.

 

Kompletter K(e)epa

Viele in der Fußballszene reagierten verwundert. Sicher, selbst Real Madrid hatte bereits im Winter seine Fühler nach Kepa ausgestreckt. Damals kostete der heute 24-Jährige allerdings nur 20 Millionen Euro. Für einen Tormann, der erst im September 2016 sein Liga-Debüt für Athletic Bilbao gab, das Vierfache auszugeben, schien auf den ersten Blick dann doch etwas riskant. Kepa galt nämlich nicht zwingend als der kommende Mega-Star.

Vor seinem Durchbruch durchlief der U-19-Europameister von 2012 die Jugendakademie der Basken. Nach zwei Leihstationen avancierte er mit 21 Jahren unter Ernesto Valverde letztendlich zum Stammkeeper. Eine ganz unspektakuläre Entwicklung. Während er – für einen jungen Torwart üblich – zunächst Probleme hinsichtlich der Konstanz aufwies, war jedoch schnell zu erkennen, dass Kepa über eine außergewöhnliche mentale Stärke und eine beachtliche Ruhe verfügt. Von den seltenen Fehlern ließ er sich nicht unterkriegen. Vom ersten Tag an wirkte der junge Newcomer ungewöhnlich reif und souverän. Rein auf das Handwerk bezogen, bringt Arrizabalaga außerdem alles mit, was ein moderner Torhüter in seinem Repertoire haben muss. Er beherrscht den Strafraum bei hohen Bällen, verfügt über hervorragende Reflexe, ein exzellentes Stellungsspiel und gute fußballerische Qualitäten. Ein kompletter Keeper eben.

Nach 13 Spieltagen ist das auch in der Premier League zu erkennen. Das teure Investment scheint sich aus Sicht der Blues auch in dieser Höhe auszuzahlen. Denn hält Kepa seine Form und entwickelt er sich wie erhofft weiter, hat Chelsea erneut ein Jahrzehnt lang Ruhe auf der Torhüterposition.

(Photo by Juan Manuel Serrano Arce/Getty Images)

 

 

…unterm dem Radar

In den Medien zählen jedenfalls immer noch die üblichen Verdächtigen, nämlich David De Gea und Ederson, zur unangefochtenen Elite der Liga. Kein Wunder, sie sind etabliert und performen weiterhin auf einem hohen Niveau. Aber auch Alisson Becker, ebenfalls ein Neuankömmling auf der Fußballinsel, scheint einen größeren Stellenwert zu genießen als der neue Mann des FC Chelsea.

Während Alisson zweifelsohne eine starke Saison spielt, liegt das wohl primär an der Tatsache, dass der Kontrast zu den bisher eher unterirdischen Torwartleistungen an der Anfield Road immens ist. Der Unterschied von damals zu heute fällt leichter ins Auge. Anders als an der Stamford Bridge, wo der neutrale Beobachter nach Petr Cech und Thibaut Courtois es schlichtweg gewohnt ist, souveräne Darbietungen zwischen den Pfosten zu sehen. Kepa reiht sich hier nahtlos ein und sticht folglich nicht sonderlich heraus. Man erwartet regelrecht Top-Leistungen.

Wie gut der teuerste Torhüter der Welt performt, zeigt genau dieser Umstand. Durch seine Vorgänger und die hohe Ablöse steht er unter besonders intensiver Beobachtung. Probleme, Fehler und Unsicherheiten werden in solch einem Szenario für gewöhnlich besonders genau unter die Lupe genommen und vor allem breit getreten.

Von Fehlern ist bisher allerdings keine Spur. Im Gegenteil. Auch wenn seine Konkurrenten ohne Zweifel starke Runden spielen, ist es Kepa, der aktuell am komplettesten wirkt. David De Gea, weiterhin der beste „Shot-Stopper“ der Liga, ist klammheimlich einige Prozent von seiner brutalen Konstanz der letzten Saison entfernt. Ederson, eindeutig der beste Fußballer aus dem elitären Kreis, agiert beim Verlassen seines Kastens des Öfteren zu stürmisch. Alisson dagegen, ohne Wenn und Aber das erhofft zuverlässige Upgrade im Tor der Reds, neigt dazu, seine fußballerischen Qualitäten zu überschätzen. Dies sorgte für die ein oder andere brenzlige Situation.

Alles Meckern auf hohem Niveau und womöglich auch der temporären Form geschuldet, keine Frage. Aber genau das ist es, was Kepa derzeit von seinen Mitstreitern abhebt. Unbeeindruckt von seinem Preisschild und dem Druck, ist es der unscheinbare Baske, der aktuell keinerlei Schwächen offenbart. Er ist komplett in jeder Hinsicht, ausnahmslos konstant und das auf einem extrem hohen Niveau. Dem aktuell höchsten Niveau der Premier League…alles unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung.

(Photo by Mike Hewitt/Getty Images)

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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