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Im Schatten von Klopp – Deutsche Trainer in der Premier League

16. Mai 2020 | Spotlight | BY Gero Lange

Spotlight | Jürgen Klopp ist mit dem FC Liverpool derzeit in aller Munde. Die „Reds“ dominieren die Premier League und sind amtierender CL-Sieger. Doch auch abseits von Klopp gibt und gab es deutsche Trainer die in England sehr erfolgreiche Arbeit verrichten.

Magath macht den Anfang

Der erste deutsche Trainer in der Premier League war Felix Magath. Am Valentinstag 2014 heuerte er in England beim damaligen Tabellenletzten FC Fulham an. Unter Magaths Regie wurden in zwölf Spielen zwölf Punkte geholt. Das reichte zwar, um die Rote Laterne an Cardiff City abzugeben, allerdings nicht um den Klassenerhalt in der Premier League zu schaffen. In der folgenden Saison bekam Magath die Chance, den Neuaufbau in der Championship zu leiten. Dies ging allerdings gewaltig schief, Magath wurde nach nur sieben Spieltagen, in denen Fulham lediglich einen Punkt holen konnte und auf dem letzten Tabellenplatz lag, entlassen.

Klopp löst regelrechten Hype aus

Dann kam Jürgen Klopp, der am 08. Oktober 2015 beim FC Liverpool vorgestellt wurde. In der ersten Saison unter ihm wurde Liverpool nur Achter und verpasste somit die Qualifikation für das internationale Geschäft, unter anderem auch weil man das Europa-League-Finale gegen den FC Sevilla verlor. In den darauffolgenden Saisons konnte Klopp die Mannschaft kontinuierlich entwickeln, was man auch anhand der Tabellenplatzierungen erkennen kann. Nach dem achten Platz in der Saison 15/16 folgten zwei vierte Plätze in 16/17 und 17/18. In der Saison 18/19 wurde man dann mit nur einem Punkt Rückstand auf Manchester City Vizemeister und konnte sich in Madrid mit einem 2:0-Sieg gegen Tottenham zum Champions-League-Sieger krönen. In der aktuellen Saison, die wegen der Corona-Pandemie unterbrochen ist, führt Liverpool die Tabelle mit überragenden 25 Punkten Vorsprung an. Zwei Siege fehlen noch, um die erste Meisterschaft seit 1990 zu erringen. Spätestens dann würde Jürgen Klopp in Liverpool zur absoluten Legende aufsteigen, scheint es doch, dass der Liga-Titel den Fans sogar mehr bedeuten würde als der Gewinn der Champions League.

Aber da wären auch andere deutsche Trainer, die in England sehr erfolgreiche Arbeit verrichtet haben, wenn auch nicht bei so einem großen Verein wie dem FC Liverpool, weshalb die Leistung dieser Trainer zwar medial nicht so stark thematisiert wird, ihr Erfolg allerdings nicht weniger beeindruckend ist.

„Wagner-Revolution“ bei Huddersfield

(Photo by Gareth Copley/Getty Images)

Im November 2015 ist Huddersfield Town in Person von Sportdirektor Stuart Webber auf der Suche nach einem Nachfolger für den kürzlich entlassenen Chris Powell. Die Wahl fällt auf David Wagner, der ebenfalls wie Klopp vom BVB aus auf die Insel wechselt, allerdings dort für die U23 verantwortlich war. Er gilt als sehr guter Freund von Klopp, war sogar Trauzeuge bei dessen Hochzeit. Wagner nahm die Herausforderung bei Huddersfield Town an und folgte Klopp somit gut einen Monat später nach England. In seiner ersten Saison bei Huddersfield Town führt Wagner das Team mit 36 Punkten aus 30 Spielen auf dem 19. Tabellenplatz zum Klassenerhalt.

Trotz dieser mäßigen Leistung schafft es Wagner, im Vorfeld der Saison 2016/2017 eine Euphorie im Umfeld des Vereins zu schaffen. Der Etat beträgt zwar nur elf Millionen Euro, damit liegt man im ligaweiten Vergleich auf dem 18. Rang. Trotzdem krempelt Wagner den Verein fleißig um. Er verändert die Infrastruktur und holt die Spieler, die zu seiner Spielidee passen. Um die überteuerten Preise auf Englands Transfermarkt zu umgehen, bedient sich Wagner mehrfach in Deutschland und holt Spieler die er aus der gemeinsamen Zeit bei der U23 von Borussia Dortmund kennt. Die Fans geben dem ganzen Umstrukturierungsprozess mit dem Hashtag „Wagner-Revolution“ einen Namen.

Und tatsächlich gelingt es Wagner, den Erfolg einzufahren, der seine eigenen Erwartungen sogar noch übertrifft. In seiner ersten vollständigen Saison als Trainer bei Huddersfield Town erreicht man das Achtelfinale im FA Cup und fliegt dort erst im Wiederholungsspiel gegen Manchester City aus dem Wettbewerb. Die viel größere Überraschung gelingt Wagner und seiner Mannschaft jedoch in der Liga. Man hält sich die ganze Saison über in den Play-Off-Regionen und beendet die Spielzeit letztendlich auf dem fünften Platz.

Im dortigen Halbfinale gegen Sheffield Wednesday spielt man im Hinspiel 0:0, im Rückspiel steht es nach 90 und 120 Minuten 1:1. Schließlich kann man sich auswärts im Elfmeterschießen durchsetzen. Dies bedeutete die Qualifikation für das Play-Off-Finale im Londoner Wembleystadion. Um sich auf diese Partie angemessen vorzubereiten, reiste Wagner mit seinem Team extra für fünf Tage ins Trainingslager nach Portugal. Das Spiel wurde im Vorfeld als „lukrativstes Spiel der Welt“ bezeichnet, da dem Sieger garantierte Fernseheinnahmen in der Höhe von knapp 240 Millionen Euro ausgeschüttet werden. Der Gegner in diesem Finale war der FC Reading, der die abgelaufene Spielzeit auf dem dritten Platz abgeschlossen hatte.

Huddersfield: Aufstieg im Wembley(Photo by Ian Walton/Getty Images)

Im Finale bot Wagner mit Christopher Schindler, Michael Hefele, Chris Löwe und Elias Kachunga gleich vier deutsche Spieler in der Startelf auf, mit Collin Quaner wurde ein weiterer eingewechselt. Nach 120 Minuten stand es immer noch 0:0, weshalb eine Entscheidung, wie bereits im Halbfinale gegen Sheffield, per Elfmeterschießen herbeigeführt werden musste. Nachdem Huddersfield zwischenzeitlich bereits mit 1:3 zurücklag, konnten die Mannen von Wagner das Spiel noch drehen und das Elfmeterschießen für sich entscheiden. Nach dem Premier-League-Aufstieg gab es kein Halten mehr. Huddersfield Town war damit erstmals seit 45 Jahren wieder erstklassig und Wagner, der das Team innerhalb einer Saison von einem Abstiegskandidaten zu einem Aufsteiger geformt hatte, der gefeierte Mann.

Wagner mit Huddersfield in der Premier League

Auch in der kommenden Saison konnte David Wagner mit seiner Mannschaft einen riesigen Erfolg verbuchen. Huddersfield Town, als klarer Absteiger Nummer eins gehandelt, landete am Ende der Saison trotz nur 28 geschossener Tore auf Platz 16. Eins der Highlights dieser Premier-League-Spielzeit war aus Huddersfield-Sicht sicher, dass man unter anderem Manchester United mit 2:1 schlagen konnte.

Geschafft: Die Mannschaft von Huddersfield Town lässt ihren Trainer David Wagner nach dem sicheren Klassenerhalt in der Premier League hochleben. (Photo by Catherine Ivill/Getty Images)

In der darauffolgenden Saison lief es für Huddersfield allerdings deutlich schlechter. Man konnte erst am elften Spieltag zum ersten Mal gewinnen und lag nach 22 Spieltagen mit nur elf Punkten auf dem letzten Tabellenplatz. Das veranlasste Wagner zum Rücktritt und damit den Weg frei zu machen, um einen neuen Impuls im Kampf um den Klassenerhalt setzen zu können.

Farke tut es bei Norwich Wagner gleich

(Photo by Stephen Pond/Getty Images)

Stuart Webber, der David Wagner verpflichtet hatte, war zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr für Huddersfield tätig. Den Aufstieg im Wembley erlebte er bereits nicht mehr als Sportdirektor von Huddersfield, sondern in derselben Funktion als Mitarbeiter von Norwich City. Dort musste er im Sommer 2017, gut einen Monat nach dem überraschenden Aufstieg seines Ex-Vereins Huddersfield, einen neuen Trainer für den Klub finden. Aufgrund der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Wagner schaute sich Webber wieder bei der U23 des BVB um und wurde ein weiteres Mal fündig.

Daniel Farke, in Deutschland weitestgehend unbekannt, wurde neuer Trainer bei Norwich City. Zuvor arbeitete er bei der zweiten Mannschaft von Borussia Dortmund und davor als Sportdirektor und als Trainer beim SV Lippstadt. In Norwich angekommen, wird vor allem auch aus finanziellen Gründen ein Umbruch eingeleitet. Für 33 Millionen Euro werden Spieler verkauft, für neue Spieler werden 15 Millionen Euro ausgegeben.

Um preiswert qualitativ gute Spieler zu bekommen, nutzt Farke wie bereits Wagner seine Kenntnisse über den deutschen Markt und lotst einige Spieler aus Deutschland nach Norwich. Im Sommer 2017 finden mit Marcel Franke, Onel Hernandez, Mario Vrancic, Tom Trybull, Marco Stiepermann und Christoph Zimmermann sechs deutsche den Weg auf die Insel. Im Winter kommen zusätzlich noch Dennis Srbeny fest und Moritz Leitner per Leihe.

Farke wird im ersten Jahr mit Norwich nur 14., bekommt aber von den Verantwortlichen das Vertrauen und die Geduld entgegengebracht, langfristig etwas aufbauen zu dürfen. Obwohl die erste Saison sportlich nicht von Erfolg gekrönt ist, entwickelt Farke einen für einen Zweitligisten ungewöhnlichen, aber sehr attraktiv anzusehenden Spielstil, der technisch anspruchsvoll ist und von den Elementen Ballbesitz und Pressing geprägt ist. Im Sommer 2018 erfolgt dann der nächste Umbruch, 37 Millionen Euro werden eingenommen, lediglich fünf Millionen ausgegeben. Besonders schwer wiegt der Abgang von James Maddison, dem wahrscheinlich besten Fußballer im Kader, der für 25 Millionen Euro zu Leicester City wechselt. Mit Philipp Heise und Felix Passlack (Leihe), kommen zwei weitere Deutsche, zudem wird Moritz Leitner fest verpflichtet.

Die Mannschaft verinnerlicht Farkes favorisierte Spielweise immer mehr, was auch bald auf dem Platz sichtbar wird. Norwich spielt attraktiven Fußball und ist damit auch sportlich erfolgreich. Zwar verläuft der Start in die Saison nicht wie erwünscht, allerdings wird man nach und nach stärker und kann am 17. Spieltag zum ersten Mal die Tabellenführung einnehmen. Ab diesem Zeitpunkt bleibt Norwich kontinuierlich in den Top-3 und sichert sich letztendlich mit fünf Punkten Vorsprung auf den Tabellenzweiten Sheffield United den Aufstieg. Wesentlich dazu bei trug der Ex-Schalker Teemu Pukki: Der finnische Nationalstürmer schoss Norwich mit 29 Toren in 43 Spielen zum Aufstieg.

(Photo by Stephen Pond/Getty Images)

In der aktuell wegen der Corona-Pandemie unterbrochenen Saison steht Norwich bei noch neun ausstehenden Spielen auf dem letzten Tabellenplatz, der Rückstand auf das rettende Ufer beträgt sechs Punkte. Der Abstieg wäre allerdings keine Katastrophe für Norwich, wo man finanziell weiterhin sehr bedacht handelt. In der aktuelle Premier League Saison wurden für lediglich neun Millionen Euro neue Spieler geholt, zudem hat man mit Abstand den kleinsten Etat.

Gemeinsamkeiten von Farke und Wagner

Farke ist trotz der sportlichen Lage weiterhin im Amt, bei Norwich weiß man, was man ihm zu verdanken hat. Ähnlich wie Wagner bei Huddersfield war der Aufstieg von Norwich unter Daniel Farke eine Riesen-Überraschung im englischen Fußball. Generell eint Farke und Wagner nicht nur die Tatsache, dass sie von derselben Mannschaft aus auf die Insel gewechselt sind. Beide hatten sich in Deutschland im Trainergeschäft noch keinen großen Namen gemacht, können in England aber mittlerweile riesige Erfolge vorweisen. Die Mannschaften, mit denen sie diese Erfolge erreichten, wurden beide im Vorfeld der Saison nicht als Aufstiegs-Favoriten angesehen.

Huddersfield und Norwich galten nicht gerade als finanzstark, sodass Leistungsträger für viel Geld verkauft werden mussten und neue Spieler geholt wurden, die es zu entwickeln galt. Sowohl Wagner als auch Farke bekamen die Zeit, eine neuformierte Mannschaft zu entwickeln und das zahlte sich aus. Beide bedienten sich mehrfach in Deutschland, um dem überhitzten englischen Markt auszuweichen. Zudem kommt es nicht von ungefähr, dass beide verpflichtet wurden, nachdem Klopp einen regelrechten Hype in England ausgelöst hatte. Dieser steht für „Vollgasfußball“.

Gemeint ist das schnelle Umschaltspiel nach vorne und das zum Teil aggressive Gegenpressing. Diese Elemente lassen sich auch bei Wagner und Farke wiederfinden. Zwar wurde Farkes Spielstil von den Norwich-Fans zu Beginn als „langweilig“ angesehen, da er sehr stark auf Ballbesitz angelegt war, die Meinung der Fans änderte sich aber schnell, als sich der sportliche Erfolg einstellte. Allerdings finden sich auch bei Farke Elemente des Pressings wieder. Und: Auch Norwich kann Spektakel, am Boxing Day 2018 beispielsweise holte man Zuhause gegen Nottingham Forest einen 0:3 Rückstand auf und sicherte sich einen Punkt.

David Wagner kündigte bei seinem Amtsantritt an, man wolle „Gegenpressing, Gegenpressing, Gegenpressing“ spielen. Wichtig bei der Zusammenstellung der Mannschaft war ihm auch, dass er viele Spieler mit hohem Tempo zur Verfügung hatte. Mit dieser Art, Fußball mit „Vollgas“ zu spielen, also sowohl mit Tempo als auch immer alles zu geben, lief Huddersfield in der Aufstiegssaison vielen qualitativ stärker besetzten Mannschaften den Rang ab.

Siewert kann an die Erfolge nicht anknüpfen

(Photo by George Wood/Getty Images)

Da Huddersfield Town mit David Wagner so gute Erfahrungen gemacht hat und auch Daniel Farke mit Norwich außerordentlich erfolgreich war, schaffte mit Jan Siewert der dritte Trainer in Folge den Sprung von der U23 des BVB zu einem englischen Profiklub. Siewert wurde Nachfolger von David Wagner, konnte an die Erfolgsgeschichte allerdings nicht anknüpfen. Nach dem man mit nur fünf Punkten aus 15 Spielen sang- und klanglos aus der Premier League abgestiegen war, schaffte Siewert auch in der neuen Saison keinen Sieg. Dies hatte zur Folge, dass er bereits nach wettbewerbsübergreifend vier Spielen entlassen wurde.

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(Photo OZAN KOSE/AFP/Getty Images)

Gero Lange

Fußballbegeistert seit der Heim-WM 2006. Großer Fan von Spektakelfußball mit vielen schönen Toren, am liebsten aus der Distanz. Seit 2020 bei 90PLUS


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