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Gnabry und Hoffenheim: Ein Volltreffer?

14. Juli 2017 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Der FC Bayern gab erst vor wenigen Wochen bekannt, dass man Serge Gnabry verpflichtet hat. Der Offensivspieler, der mit der deutschen U21 Europameister wurde, spielte in der vergangenen Saison für den SV Werder Bremen, machte dort mit guten Leistungen auf sich aufmerksam. Nun steht fest, dass der deutsche Rekordmeister den jungen Gnabry zur TSG Hoffenheim verleihen wird, wo er Spielpraxis sammeln und weiter reifen soll. Und die TSG scheint der ideale Verein zu sein.

Der Schritt nach München ist ein großer. Vor allem für den jungen Gnabry. Beim FC Arsenal galt er vor Jahren als großes, vielversprechendes Talent, sammelte Minuten in der Profimannschaft, kämpfte sich sukzessive an die ersten Elf heran. Doch eine lange Verletzungspause nahm ihm den Rhythmus. Die Leihe zu West Bromwich Albion verlief ebenfalls erfolglos. Werder Bremen nutzte die Chance auf die Verpflichtung, Gnabry seine, um auf sich aufmerksam zu machen – in Deutschland.

Die Zeit in Bremen

Die Bremer kontaktierten Arsenal im Sommer 2016 und begannen die Verhandlungen bezüglich eines dauerhaften Transfers von Serge Gnabry. Der Spieler wollte sich wohl gerne in Deutschland beweisen und beide Vereine einigten sich schließlich auf eine Summe in Höhe von etwa 5 Millionen Euro. Gnabry spielte im August bei den olympischen Spielen für das deutsche Team eine gute Rolle und debütierte am 2. Spieltag der Saison bei der Heimniederlage gegen Augsburg. Sein erstes Tor erzielte er bereits eine Woche später, sehenswert per Direktabnahme gegen Mönchengladbach. Gnabry zeigte früh seine Klasse, hatte nach 8 Spielen bereits 5 Scorerpunkte auf dem Konto und avancierte schnell zu einer elementaren Figur bei den Bremern.

(Photo by Oliver Hardt/Bongarts/Getty Images)

Insgesamt gelangen dem 1,73m großen Gnabry, der vorwiegend auf der linken Seite, aber auch im Zentrum oder über rechts kommend seine Einsatzminuten hatte, in 27 Spielen 11 Tore und 2 Vorlagen. Für seine erste komplette Saison nach der schwerwiegenden Verletzung bei Arsenal und der erfolglosen Leihe zu West Bromwich war diese Quote beeindruckend. Unter Alexander Nouri spielte Gnabry insbesondere zum Ende der Saison weniger. Einerseits fiel er ab Mitte März gut einen Monat aus und verpasste 5 Spiele, andererseits befand sich die Mannschaft in einer hervorragenden Form und es gab nur wenige Argumente für eine Veränderung. Trotzdem wurde er weiterhin eingesetzt und hatte weiterhin einen guten Einfluss auf das Spiel der Mannschaft.

Europapokal in Hoffenheim

Der Wechsel zum FC Bayern kam zumindest etwas überraschend. Zuvor wurde spekuliert, dass sich Gnabry zu einem Zwischenschritt entschließen könnte, Hoffenheim wurde mit dem 22-jährigen schon länger in Verbindung gebracht. Ebenfalls gab es Spekulationen, wonach der deutsche Rekordmeister in den ursprünglichen Deal zwischen Arsenal und Werder involviert war. Dies wurde von Werder-Seite dementiert. Der Wechsel nach Hoffenheim kam nun aber doch zustande, wenn auch über Umwege. Gnabry freut sich zwar auf die Herausforderung beim FC Bayern, will sich aber, bevor er diese endgültig in Angriff nimmt, persönlich und fußballerisch weiterentwickeln. Die Leihe war auch der Wunsch von ihm und seinem Berater, in München stimmte man dem schnell zu, vor allem, nachdem James Rodriguez verpflichtet wurde.

(Photo by Nils Petter Nilsson/Ombrello/Getty Images)

Gnabry verweilt zurzeit nach dem Titelgewinn bei der U21-EM noch im Urlaub. In einigen Tagen wird er zur Mannschaft der Kraichgauer stoßen, die am 15. oder 16. August ihr Playoff-Hinspiel zur Champions League absolvieren werden. Das Ziel von Trainer Nagelsmann und dem Verein ist es, den Gegner, wie schwer er auch sein mag, aus dem Weg zu räumen und sich für die Gruppenphase zu qualifizieren. Scheitert die TSG, spielt man in der Europa League. Serge Gnabry wird also in der kommenden Saison definitiv internationale Erfahrungen sammeln können – und zwar auf Vereinsebene. Erstmals als eine der wichtigeren Figuren. Das war ein entscheidender Faktor, warum die TSG Hoffenheim ein idealer Leihverein für den talentierten Gnabry ist.

Es gibt viel zu tun

In Hoffenheim will sich Gnabry weiter verbessern. Seine Qualitäten sind immens, sein Potenzial gewiss noch nicht ausgeschöpft. In einem homogenen taktischen Konstrukt, in dem jeder seine Aufgabe erfüllen muss, wird der Spieler lernen, noch disziplinierter zu arbeiten. Dabei werden ihm keinesfalls seine Freiheiten genommen. Mit diesem erfolgreichen letzten Jahr als Basis und dem Vertrag beim FC Bayern kommt Gnabry als gestandener Spieler mit viel Selbstvertrauen nach Hoffenheim. Zwar ist er noch sehr jung und steht am Anfang seiner Karriere, trotzdem erwartet man sich viel von ihm. Das tut der Spieler allerdings auch selbst, weiß um seine Schwächen und bat nicht zuletzt deswegen um die Möglichkeit des Leihgeschäftes.

Gerade bei der U21 zeigte der in Stuttgart geborene Gnabry wieder seine Qualitäten. Er ist schnell verfügt über einen guten Antritt, bewegt sich in der Offensive clever und beschäftigt die Abwehr permanent. Seine Hereingaben sind mitunter sehr gefährlich, seine Schusstechnik ist mindestens sehr ordentlich und er ist an vielen gefährlichen Szenen beteiligt, kann auch Tore und Torchancen vorbereiten. In der Rückwärtsbewegung ist er engagiert, muss sich aber noch cleverer verhalten. Ebenso ist es mit seinen Kräften, mit denen er besser haushalten muss. Gnabry sprintet häufig, versucht viele Dinge, geht gerne auch einmal mit dem Kopf durch die Wand. Hier muss er in Zukunft klüger agieren, Risiken abwägen und gegebenenfalls auch mal das Tempo aus dem Spiel herausnehmen. Der Spieler wird die Zeit in Hoffenheim also sehr gut nutzen müssen, um zu reifen, um weiter an den notwendigen Stellschrauben zu drehen und als noch kompletterer Spieler nach München zurückzukehren.

Mögliche Rolle in Hoffenheim

Julian Nagelsmann wird natürlich ein entscheidender Faktor sein. Der junge Trainer hat bei den Kraichgauern endlich ein langfristig funktionierendes Defensivkonzept implementiert, die Mannschaft taktisch, die Spieler individuell nach vorne gebracht. Auch die gesamtmannschaftliche Entwicklung in vielen Kernbereichen der Taktik ist beeindruckend. Jetzt scheint es an der Zeit zu sein, die Mannschaft noch flexibler, unausrechenbarer und auch in der Breite besser zu machen. Die Dreierkette soll dabei weiterhin ein entscheidendes Element bleiben, muss aber nicht alternativlos sein. Die Neuzugänge Hoogma und Nordtveit für die Innenverteidigung, Nico Schulz für die linke Seite, Grillitsch für das Mittelfeldzentrum, Robert Zulj als Offensivallrounder und eben Serge Gnabry sprechen eine klare Sprache – Hoffenheim bereitet sich akribisch auf die Mehrfachbelastung vor. Julian Nagelsmann rotierte bereits in der letzten Saison nicht selten, stellte sich auf seine Gegner ein und konnte auch innerhalb einer Partie klug umbauen.

(Photo by PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images)

Die Rolle von Serge Gnabry ist dabei wahrscheinlich nicht klar definiert. Er kann auf beiden Außenbahnen aufgestellt werden, fühlt sich aber auf der linken Seite etwas wohler. Ob er direkt vor der Dreierkette eingesetzt wird, muss der Trainer nach den Vorbereitungseindrücken entscheiden. Interessanter könnte eine Rolle sein, bei der er nominell im Offensivzentrum eingesetzt wird, aber alle Freiheiten hat, sich auf die Außenbahnen bewegen, fallen lassen kann. Dadurch könnte Gnabry seine Stärken ausspielen, mit Tempo auf die gegnerische Abwehr zulaufen, seine Schnelligkeit in Szene setzen. Je flexibler die TSG spielt, desto flexibler kann sich auch Gnabry bewegen. Die Möglichkeiten für Julian Nagelsmann sind also vor allem eines: vielfältig.

Langfristige Perspektive

Ob Gnabry beim FC Bayern München eine langfristige Perspektive hat, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht eingeschätzt werden. Klar ist, dass keiner der Vereine ein Risiko eingeht, ebenso wenig der Spieler. Wenn sich herausstellt, dass Gnabry keinen großen Sprung mehr machen kann und seine Entwicklung an einem gewissen Punkt stagniert, wird der FCB die Möglichkeit haben, ihn mit Gewinn zu verkaufen. Die 8 Millionen Euro Ablöse sind verhältnismäßig wenig, eine Wertsteigerung bei entsprechenden Leistungen wahrscheinlich. Sein Wechsel nach Deutschland hat sich bisher definitiv ausgezahlt, die Möglichkeit Hoffenheim wurde wohlüberlegt ergriffen. Nach den Rückschlägen scheint der kluge Karriereplan, den sich Spieler und Berater zurechtgelegt haben, aufzugehen.

In München werden in den kommenden Jahren Franck Ribery und Arjen Robben nicht mehr zur Verfügung stehen. Der Verein hat mit der Gnabry-Verpflichtung eine Option dazugewonnen, besitzt mit James Rodriguez eine weitere Option, die langfristig verpflichtet werden kann. Zudem geht es darum, dass Kingsley Coman sein Potenzial ausschöpft. Sollte dies gelingen und sich James und auch Serge Gnabry als ernsthafte Option erweisen, hat der deutsche Rekordmeister nach dem Verlust der Flügelzange aber immer noch Bedarf. In München vertraut man auch auf die jungen Spieler, die unter Vertrag stehen. Die Chance, dass Gnabry langfristig beim FC Bayern eine gute Rolle spielen kann, besteht also definitiv. Er muss sie nur ergreifen.

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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