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Borussia Dortmund unter Marco Rose – Teil 1: Wohin will der BVB?

26. März 2021 | Trending | BY Damian Ozako

Spotlight | Marco Rose verlässt nach der Saison Borussia Mönchengladbach und wird sich Borussia Dortmund anschließen. Welche Vorstellungen kommen mit dem 44-Jährigen zum BVB?

  • Marco Rose: Ideen und Prinzipien
  • Erneuter Stilbruch beim BVB
  • Durchwachsene Saison in Gladbach

Die Personalie Marco Rose (44) beschäftigt derzeit weniger Borussia Dortmund als viel mehr Gladbach. Seit der Bekanntgabe des Wechsels zum BVB herrscht am Niederrhein sportliche Tristesse und viel Ärger sowie Wut seitens der Fans. In Dortmund findet der neue Trainer medial kaum statt. „Aus Respekt vor allen beteiligten Parteien wird sich Borussia Dortmund nach dem heutigen Tag erst im Anschluss an die Spielzeit 2020/21 wieder zur sportlichen Zukunft unter der Leitung von Marco Rose äußern“, hieß es auf der Homepage der Schwarzgelben, nachdem Gladbachs Sportdirektor Max Eberl (47) den Wechsel öffentlich machte. Auch Edin Terzic (38), der den BVB nach der Trennung von Lucien Favre (63) interimsweise betreut, lenkte den Fokus ausschließlich auf das sportliche Geschehen. 

Im Hintergrund wird Rose selbstverständlich schon mit seinem neuen Arbeitgeber über die kommende Saison sprechen. Mit dem 44-Jährigen kommt nicht nur ein neuer Trainer, sondern auch dazugehörige Ideen und Konzepte mit in den Klub. Rose erfindet das Rad zwar nicht neu, aber der jetzige Kader Dortmunds passt noch nicht optimal zu seinem Ansatz. Im Sommer wird der BVB Kreativität auf dem Transfermarkt zeigen müssen. Vielleicht müssen auch einige Spieler schweren Herzens verkauft werden. Dies wird im zweiten Teil analysiert. Doch zunächst muss die Frage geklärt werden, wie Rose spielen lassen will und auf welche Prinzipien er setzt.

Roses Spielidee

Im Interview mit dem Sportbuzzer hat der aktuelle Gladbach-Trainer betont, dass Emotionalität immer gut sei. „Ich möchte Tempo, ich möchte rassige Zweikämpfe und viele Torraumszenen“, erklärte er und konkretisierte weiter: „Und selbstverständlich möchte man als Trainer auch seine taktischen Ideen umgesetzt sehen. Das bedeutet, dass wir nicht nur aktiv verteidigen, sondern auch aktiv Fußball spielen wollen.“ Sowohl in Salzburg als auch am Niederrhein setzte er dafür vor allem auf eine Raute im Mittelfeld. Eine Viererkette mit zwei dynamischen und athletischen Außenverteidigern, zwei Sechser, von dem einer etwas höher positioniert ist, ein spielgestaltender Achter und ein kreativer Freigeist im Zehnerraum, der im Zusammenspiel mit einer Doppelspitze für Gefahr sorgen soll. 

Im Endeffekt kommt die Spielidee immer wieder auf die Charaktereigenschaften dieser Formation zurück. Dynamik, Aggressivität, schnelles sowie vertikales Spiel. Auch wenn dies nicht unbedingt immer aus eben jenem vorgestellten System heraus geschehen muss. „Ich glaube nicht, dass guter Fußball zwingend abhängig ist von der Grundordnung, in der man spielt“, so Rose. Sein Co-Trainer Rene Maric (28), der sich auch dem BVB anschließen wird, nahm gegenüber Spox eine ähnliche Position ein: „Natürlich haben Grundordnungen eine Relevanz, sonst gäbe es sie nicht. Aber zu viel sollte man nicht in sie interpretieren. In der Spieldynamik kann man je nach Situation aus verschiedenen Grundordnungen die gleiche Staffelung kreieren, es unterscheiden sich dann nur die Abstände und Abläufe, um dorthin zu kommen.“ 

Terzic näher an Rose, als Favre es war

Rose und sein Trainerteam wollen eine Mannschaft auf dem Platz sehen, die sich im Kollektiv bewegt. Jeder Laufweg erzielt einen bestimmten Zweck und es ergibt sich ein System, das Pressingfallen, aggressive Tiefenläufe, schnelle Kombinationen und aktives sowie kompaktes Verteidigen beinhaltet. Zumindest im Optimalfall. Derzeit kann man in Gladbach beobachten, was passiert, wenn die Spieler nicht alle Tugenden und Ideen ideal umgesetzt bekommen. Die Ansätze bleiben gut, aber ohne Präzision fehlt der Rose-Elf die Durchschlagskraft und in der Defensive die Sicherheit. 

Den Spielern werden Ideen und feste Prinzipien an die Hand gegeben, aber diese sollen auf dem Platz auch selbständig agieren können. Maric dazu: „Umso mehr Spieler in ihren Aufgaben und ihrem Spielumfeld gemeinsam schnell gute Lösungen finden können, desto mehr können sie ihre Mitspieler unterstützen, was wiederum die Qualität der Lösung steigert.“ Letztendlich braucht eine Mannschaft, die Roses Fußball vernünftig umsetzen will, neben einer guten Athletik auch hohe Spielintelligenz. 

Insgesamt kann gesagt werden, dass der Sprung vom Terzic-Fußball zu den Ideen von Rose deutlich geringer ausfällt, als vom Favre-System aus. Die Intensität und das Tempo im Spiel nach vorne ist ähnlich, wobei der Rose-Ansatz dann doch deutlich strukturierter ist. Insgesamt muss die Frage gestellt werden, wohin die Verantwortlichen in Dortmund wollen. Auf Klopp folgte Tuchel, dann kamen Bosz, Stöger und letztendlich Favre, bevor Terzic den BVB interimsweise bis zur Ankunft Roses übernommen hat. Unterschiedlicher hätten die Trainer und Spielstile kaum sein können. 

Foto: Maik Hölter/Imago

Wohin will der BVB?

Nach Favre folgt also erneut ein deutlicher Stilbruch. Hat der BVB das dominante Ballbesitzspiel aufgegeben? Zumindest wird mit dieser Trainerwahl der Eindruck vermittelt. Der Schweizer wurde zweieinhalb Jahre ständig für seine Geduld kritisiert und öffentlich trotz seiner beständigen Erfolge in der Liga massiv unter Druck gesetzt. Jetzt setzt Borussia Dortmund wieder auf Emotionalität und Aggressivität. Ist das der richtige Weg? Man wird Rose Zeit geben müssen, damit er seine Idee vollumfänglich implementieren kann. Außerdem müssen Michael Zorc (58) und Sebastian Kehl (41) ihm die nötige Freiheit bei der Kaderzusammenstellung geben, die Favre nicht vollends bekam. 

Der BVB war vor zehn Jahren so erfolgreich, weil es eine spielerische Idee gab und dementsprechend eingekauft sowie aufgebaut wurde. In der jüngeren Vergangenheit wurde zu oft auf eine Ansammlung talentierter, junger Spieler, die teilweise auf Positionen spielen mussten, die nicht zu ihnen passten, gesetzt. Sie bekamen vermeintliche Routiniers an die Seite gestellt, die den jungen Spielern den Rücken frei halten und sie auf dem Feld führen sollten. Das Konzept „Talent + Erfahrung“ kann nur dann funktionieren, wenn dem eine größere Idee, eine Identität übersteht. Das muss unter Rose zwingend wieder geschehen, sodass langfristige Erfolge eingefahren werden können.

Ob er die richtige Wahl war, ist noch nicht abzusehen. Eins steht jetzt allerdings schon fest: Rose und sein Trainerteam müssen den nächsten Schritt gehen und verlässliche Lösungen für tiefstehende Gegner finden. In Gladbach hat man damit noch Probleme und der BVB trifft in der Bundesliga fast jede Woche auf genau solche Bollwerke. 

Gladbach: Durchwachsene Saison mit Highlights

Für Rose persönlich geht es auch darum, die zweite Saison in Gladbach abzuschütteln. Nicht nur der öffentliche Druck nach der Bekanntgabe seines Wechsels, sondern auch der ausbleibende Erfolg wird ihm zu schaffen machen. Trotz des wohl besten Kaders der Neuzeit am Niederrhein zeigten die Fohlen national äußerst durchwachsene Leistungen. Schon in der Hinrunde gab Gladbach zu einfach Siege und Punkte aus der Hand. Die Rose-Elf könnte die Spielzeit tatsächlich nur auf einem zweistelligen Tabellenplatz beenden. Dies war zuletzt 2010/11 der Fall, als sich Gladbach den Klassenerhalt erst in der Relegation sichern konnte. Es könnte also tatsächlich die schlechteste Saison seit zehn Jahren werden. Das darf trotz ordentlicher Leistungen im DFB-Pokal und historischer Auftritte in der Champions League nicht vergessen werden.

Borussia Dortmund bekommt in jedem Falle einen höchst interessanten Trainer, der sich allerdings noch weiterentwickeln muss, was den eigenen Ballbesitz betrifft, um nachhaltige Erfolge im Ruhrpott zu erzielen. Ob er aus der aktuellen Krise etwas lernt oder diese ihn langfristig beschäftigt, ist nicht absehbar. Die Beziehung Rose-Dortmund wird so oder so spannend. 

Wie gut Rose und der derzeitige Kader Borussia Dortmunds zusammenpassen, wird im zweiten Teil geschildert. 

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Foto: Imago

Damian Ozako

Damian Ozako

Als Kind von Tomas Rosicky verzaubert und von Nelson Haedo Valdez auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht worden. Geblieben ist die Leidenschaft für den (offensiven) Fußball. Seit 2018 bei 90PLUS.


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