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3 Ligen, 3 Brennpunkte – Analysen einer Krise: Teil 1: VfL Wolfsburg

23. März 2018 | Spotlight | BY Manuel Behlert

In den europäischen Topligen neigt sich die Saison 2017/18 allmählich dem Ende zu und neben den positiven Überraschungen und den Gewinnern der Saison gibt es traditionell auch die Krisenteams, deren Saison nicht den gewünschten Verlauf nahm und die in den letzten Wochen Lösungen finden müssen, um diese Krise zu bewältigen. Wir beschäftigen uns mit drei Vereinen, analysieren die Problematik und geben eine Prognose, ob die Saison in den letzten Wochen noch irgendwie gerettet werden kann. Im ersten Teil geht es um den VfL Wolfsburg.

Kontinuitäts- und Kaderproblematik

Anspruch und Wirklichkeit klaffen bei den „Wölfen“ schon seit geraumer Zeit auseinander und in dieser Saison träumte man in Wolfsburg davon endlich wieder eine sorgenfreie Spielzeit zu verleben und sich mindestens in den oberen Mittelfeldrängen aufzuhalten. Nach dem 27. Spieltag ist die Realität eine vollkommen andere, denn die Niedersachsen stecken mittendrin im Abstiegskampf, sind punktgleich mit dem Relegationsplatz und belegen Platz 15. Die Gründe dafür sind vielschichtig und beginnen bereits bei der Zusammenstellung des Kaders, wofür größtenteils Sportdirektor Olaf Rebbe verantwortlich ist, dessen Zukunft derzeit fraglich ist.

(Photo by Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Unter Rebbe wurden zahlreiche Transfers getätigt, auch vor der laufenden Saison war eine hohe Fluktuation festzustellen. Im Sommer verließen Spieler wie Rodriguez, Gustavo, Horn, Benaglio, Träsch, Vieirinha und Seguin den Klub, Uduokhai, Verhaegh, Hinds, Stefaniak, Tisserand, William, Camacho, Origi, Dimata und Brooks wurden verpflichtet. Im Winter wurde Gomez verkauft, Hinds, Stefaniak und Ntep verliehen, dafür wurde Brekalo zurückgeholt, Mehmedi und Steffen hinzugekauft. Diese zahlreichen Veränderungen sprechen dafür, dass keine klare Einkaufspolitik sichtbar ist, dass in der Vergangenheit viel zu sehr auf die individuelle Qualität einzelner Spieler geachtet wurde, zu wenig aber darauf eine Mannschaft zusammenzustellen, die über die notwendige Homogenität verfügt, sodass nur noch punktuelle Anpassungen notwendig sind.

Das hat natürlich auch ein wenig mit der fehlenden Konstanz auf der Trainerposition zu tun. Mit Valerien Ismael (10/16-02/17), Andries Jonker (02/17-09/17), Martin Schmidt (09/17-02/18) und seit dem 20. Februar 2018 mit Bruno Labbadia standen seit Ende 2016 vier Cheftrainer bei den „Wölfen“ unter Vertrag. Jeder dieser Trainer brachte eine andere Spielphilosophie und eine andere Ausrichtung mit, hatte seine Vorstellungen von einer bestimmten Kadergröße und -struktur und nun steht Labbadia mit einem Kader da, der fast 30 Spieler beinhaltet, die allesamt ihre Spielzeit haben wollen und den er selbst nicht auf dem Transfermarkt beeinflussen konnte. Eine gute Basis für eine langfristige Zusammenarbeit sieht auch etwas anders aus.

 

Fehlgriffe, Formkrisen und eine Katastrophensaison

Statt um Europa mitzuspielen muss Wolfsburg sich also mit dem Abstiegskampf beschäftigen. Und darauf ist die Mannschaft nicht ausgerichtet! Mit Didavi, Malli & co. stehen einige formidable Techniker im Aufgebot, die aber in den vergangenen Jahren vor allem eines haben vermissen lassen: Konstanz. Mal blühte Didavi auf, mal blühte Malli auf, mal hatte Arnold eine sehr gute Phase, mal spielte Origi sehr engagiert. Aber nie gemeinsam. Es scheint mittlerweile so, als wären es nicht hervorragende Spieler, die in Wolfsburg eine schlechte, schwere Zeit durchmachen, sondern als würde Wolfsburg regelmäßig Spieler verpflichten, die sich gerade in einem Formhoch befinden, dies aber dann nicht mehr bestätigen können und wieder in ihre normale, nicht permanent hohen Form zurückfallen. Auch hier müssen sich Sportdirektor und Scoutingabteilung kritischen Fragen stellen. Hätte noch intensiver gescoutet werden müssen? Hätte man sich intern noch intensiver austauschen müssen? Gehört das Scoutingsystem vielleicht sogar überarbeitet?

(Photo by Matthias Kern/Bongarts/Getty Images)

Die Realität ist, dass der Verein nun über 200 Millionen Euro für Transfers ausgegeben hat – und das in den letzten drei Spielzeiten. Einige Spieler, die eingekauft wurden, spielen keine große Rolle mehr, sind verliehen oder sogar schon wieder verkauft, teilweise gar nicht mehr auf dem Schirm der Fußballfans. Wer kann sich noch an Bruno Henrique erinnern, der für 4,5 Millionen Euro aus Brasilien nach Wolfsburg wechselte und kaum einen Einsatz hatte? Auch Leihgeschäfte wie Philipp Wollscheid oder Borja Mayoral entlasteten den Kader nicht wie gewünscht, der VfL muss sich definitiv eine gewisse Konzeptlosigkeit vorwerfen und es gibt logische Gründe, warum man sich in einer solch schlechten sportlichen Situation befindet. Es ist kein Geheimnis und auch nicht weiter verwunderlich, dass der Konzern die Investitionen zurückgefahren hat und weiter zurückfahren könnte. Wo soll das Vertrauen in die sportliche Leitung herkommen?

 

Fazit und Lösungsvorschläge

Kurzum: Beim VfL Wolfsburg funktioniert es hinten und vorne nicht. Die Mannschaft ist unzufrieden, muss sich alle 5-6 Monate an eine neue Ausrichtung gewöhnen, die Trainer finden keine schnelle Lösung und haben nicht die Chance langfristig etwas zu erarbeiten, weil das Anspruchsdenken immer noch nicht mit der traurigen, grauen Wirklichkeit übereinstimmt. Wie der VfL diese mit bisher 25 eingefahrenen Punkten katastrophale Saison beenden wird, ist derzeit nicht absehbar. Die Hoffnung im Abstiegskampf besteht aber derzeit wohl eher nicht in der eigenen Klasse, sondern eher in der Schwäche der Gegner. Mit Hertha, Freiburg, Augsburg, Gladbach, Hamburg, Leipzig und Köln sind die Gegner zwar zum Teil durchaus schlagbar, aber der Druck wird immer größer und die mentale Komponente wird eine Rolle spielen, das tat zuletzt auch Daniel Didavi kund.

Und im Sommer? Da könnte bei einem Rebbe-Abgang der nächste Schnitt erfolgen. Dieser darf aber in keinem Fall überhastet angegangen werden. Nach der Saison, nach dem etwaigen Klassenerhalt müssen alle Abläufe im Verein überprüft und ein neues Konzept entworfen werden. Es wird unvermeidbar sein, dass sich der Klub von einigen handelnden Personen trennt und neue Mitarbeiter installiert. Dabei ist es aber wichtig, dass man Personen findet, die insgesamt zueinander passen, harmonisch miteinander arbeiten können, ein klares Konzept für Transfers und die Weiterentwicklung der Mannschaft ausarbeiten, dem jeder zustimmt.  Denn Homogenität ist nicht nur auf dem Fußballplatz, sondern auch hinter den Kulissen immens wichtig. Das sollte der VfL Wolfsburg mittlerweile wissen.

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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