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FC Augsburg | Ist Rückkehrer Weinzierl der Richtige?

28. April 2021 | Trending | BY Marc Schwitzky

Spotlight | Am Montag zog der FC Augsburg die Reißleine und beurlaubte Trainer Heiko Herrlich, den er mit Markus Weinzierl ersetzt. Der Augsburg-Rückkehrer muss nun allerdings den Beweis antreten, sich weiterentwickelt zu haben – sonst droht auch hier das schnelle Aus.

  • Herrlich musste nach einem Jahr gehen
  • Weinzierl coachte den FCA von 2012 bis 2016
  • Augsburg hat einen Punkt aus den letzten vier Spielen geholt

Druck auf Reuter wächst – Trainerwahl wird immer unglücklicher

Der FC Augsburg galt einst als kleine Oase für Trainer. Übungsleiter hatten hier durchschnittlich mehr Zeit, ihre Ideen umzusetzen und genossen größeres Vertrauen der Vereinsführung – auch bei in sportlich kritischen Phasen. Jos Luhukay (57) trainierte den FCA von 2009 bis 2012, Markus Weinzierl (46) sogar von 2012 bis 2016. Stets war es eine robuste, weil sportlich von Überzeugung geprägte Zusammenarbeit mit Geschäftsführer Sport Stefan Reuter (54), der seinen Trainern den Rücken freihielt. Selbst wenn die Punkteausbeute mal nicht stimmte, wusste man beim FC Augsburg, woher man kam und dass die Idee des Coaches wohl einfach noch Zeit bräuchte.

Bei Luhukay und Weinzierl sollte Reuter mit seiner langem Festhalten Recht behalten. Bei Dirk Schuster (53), der nur von September bis Dezember 2016 Trainer war, kamen hingegen erste Risse auf. Hier hatte Reuter offensichtlich die falsche Wahl getroffen. Interimslösung Manuel Baum (41) entpuppte sich sich als überraschend gute Wahl, zweieinhalb Jahre trainierte er die Fuggerstädter. Baum zu solch einer mittelfristigen Lösung zu machen, war jedoch sicherlich nicht von vornherein geplant. Doch auch Baums Zeit endete im April 2019, es folgte Martin Schmidt (54), den es allerdings nur ein Jahr im Amt hielt. Auch dessen Nachfolger, Heiko Herrlich (49), musste nun nach nur einem Jahr Amtszeit gehen.

augsburg weinzierl

Foto: Christian Kolbert/kolbert-press/pool/IMAGO

Es ist das Ende nach monatelanger Kritik an Herrlich, ob der ausbleibenden Entwicklung der Mannschaft. Der 49-Jährige hatte uninspirierten und dogmatisch defensiven Konterfußball spielen lassen, der nur mit einer großen Portion Glück in Form von Effizienz vorm Tor erfolgreich war. Siege wurden teilweise auf groteske Weise eingefahren, blickt man auf die xGoals-Statistik. Blieb die herausragende Tagesform der Stürmer oder des Torwarts aus, zerbrach der FC Augsburg aufgrund einer fehlenden, alles zusammenhaltenden Spielidee. Das war bereits seit einigen Monaten erkennbar, aber erst nach nur einem Punkt aus den letzten vier Spielen reagierte die Vereinsführung und stellte Herrlich frei.

Weinzierl scheiterte auf Schalke und in Stuttgart

Nun soll es also Markus Weinzierl richten. „Wir haben daraufhin mit Markus Weinzierl am Wochenende ausführliche und sehr gute Gespräche geführt“, heißt es in der Vereinsmitteilung. „Hierbei sind wir zur Überzeugung gelangt, dass Markus der absolut richtige Trainer für die jetzige Situation ist und er enorm große Lust verspürt, wieder beim FC Augsburg zu arbeiten.“ Es eine Rückkehr nach fünf Jahren. Weinzierl hatte den FCA damals in der Bundesliga etabliert und sogar in die Europa League geführt – die Fans verknüpfen nahezu nur positive Momente mit ihm. Doch reicht das?

In den getrennten fünf Jahren hat Weinzierl recht viel erlebt. 2016 setzte er sich zum FC Schalke 04 ab, wo es ihn jedoch nur ein Jahr hielt. Wie viele andere Trainer scheiterte Weinzierl in Gelsenkirchen an der Erwartungshaltung und dem öffentlichen Druck. Aber auch fachlich wuchsen in jener Zeit die Zweifel an dem Übungsleiter. Zu starr und eindimensional zeigte sich Schalke unter Weinzierl. In den meisten Spielen wurde in einem 4-2-3-1 agiert: Hoch verteidigen, aggressiv spielen, situatives Pressing, Umschaltfußball. Jene Eigenschaften hat den kleinen FC Augsburg noch mehrere Jahre vom Abstieg ferngehalten und ihn die Bundesliga überraschen lassen. Auf Schalke reichte dieser eine Stil nicht mehr aus.

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Foto: IMAGO

Im Oktober 2018 zog es Weinzierl zum VfB Stuttgart, den er vor dem Abstieg bewahren sollte. Die Mission scheiterte allerdings krachend. Nach sechs Monaten war bereits wieder Schluss, am 30. Spieltag wurde Weinzierl nach einer 0:6-Niederlage gegen Ex-Klub Augsburg entlassen. In 23 Spielen hatte der VfB unter ihm im Schnitt verheerende 0,7 Punkte pro Partie geholt. Bei den Schwaben setzte er zwar auch auf System wie 3-5-2, allerdings ohne wirkliche spielerische Identität. Das Spiel des VfB war in dieser Zeit vogelwild, offensiv wie defensiv wollte nichts funktionieren. Darüber hinaus hatte Weinzierl einmal mehr große Probleme mit der Außendarstellung. Fünf Niederlagen in Serie besiegelten dann sein Aus im April 2019.

Ist Weinzierl eine langfristige Lösung für Augsburg?

Zwei Jahre war Weinzierl seit seinem VfB-Aus ohne Verein. „Natürlich sind die beiden letzten Stationen nicht glücklich gelaufen, wobei ich die Zeit auf Schalke – bis auf den Fehlstart – nicht so negativ sehe, wie sie gemacht wurde. Regensburg war super, Augsburg vier Jahre sensationell, Stuttgart enttäuschend. So kann man die letzten zehn Jahre bewerten: 2,5-mal gut, 1,5-mal nicht so gut“, bilanzierte er seine Bundesliga-Jahre im November 2019 beim Sportbuzzer. Es ist eine durchwachsene Bilanz. „Das Entscheidende für einen Trainer ist die Erfahrung. Und da ich mittlerweile einige Erfahrungen gemacht habe, bin ich zumindest schlauer“, sagt Weinzierl über seine Entwicklung. „Auch, was den Zeitpunkt eines möglichen Einstiegs betrifft. Man braucht vielleicht einige Stationen, die ich jetzt hatte, um persönlich weiterzukommen.“

Eineinhalb Jahre später steigt er für die letzten drei Spiele der Saison beim FCA ein, der zuletzt in einer massive Negativspirale geraten ist. Ob das ein guter Zeitpunkt ist, wie ihn Weinzierl beschrieb, ist streitbar. Und auch, ob er sich selbst weiterentwickelt ist, darf angezweifelt werden. „Es war immer die größte Stärke des FC Augsburg, geradlinig zu Kontern, in den Rücken des Gegners zu kommen“, zitiert ihn der kicker. Sicher, ein Tiki-Taka-System ist beim FCA nicht zu erwarten, doch stellt sich die Frage, ob Weinzierls taktische Vorstellung auch im Jahr 2021 noch reichen.

Was von 2012 bis 2016 geklappt hat, bekam bereits bei Weinzierls Stationen auf Schalke und in Stuttgart massive Risse. Zwei weitere Jahre später könnte ein konterstarkes 4-2-3-1 schlicht veraltet und damit zu leicht zu entschlüsseln sein. Für einen kurzfristigen Erfolg wie den Klassenerhalt in dieser Saison kann es reichen, doch wird Weinzierl nach Schmidt und Herrlich der dritte Trainer infolge sein, der aufgrund einer ausbleibenden Entwicklung nur ein Jahre in Augsburg bleiben darf?

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Marc Schwitzky

Foto: IMAGO

Marc Schwitzky

Erst entfachte Marcelinho die Liebe zum Spiel, dann lieferte Jürgen Klopp die taktische Offenbarung nach. Freund des intensiven schnellen Spiels und der Talentförderung. Bundesliga-Experte und Wortspielakrobat. Seit 2020 im 90PLUS-Team.


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