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Der FC Bayern nach der Flick-Entscheidung: Die Drähte müssen glühen

18. April 2021 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Nach dem 3:2-Sieg des FC Bayern in Wolfsburg und der Vorentscheidung im Titelkampf sprach Hansi Flick  aus, was sich zuletzt bereits über Wochen andeutete. Der Erfolgstrainer will den Rekordmeister im Sommer verlassen. Die Verantwortlichen des Klubs müssen nun schnell handeln. 

  • Flick will dem FC Bayern im Sommer den Rücken kehren
  • Die Verantwortlichen müssen einen Nachfolger finden
  • Viele Kandidaten stehen nicht zur Verfügung

Hansi Flick wünscht sich Bayern-Abschied im Sommer

Nur wenige Minuten nach dem 3:2-Sieg des FC Bayern in Wolfsburg trat Hansi Flick (56) vor die Kameras und teilte live bei Sky mit, dass es sein Wunsch ist, den Rekordmeister nach Ablauf der Saison zu verlassen. „Es ist so, dass ich der Mannschaft gesagt habe, dass ich gerne am Ende der Saison aus meinem Vertrag rausmöchte. Ich wusste, was für ein wichtiges Spiel ansteht und wollte, dass die Mannschaft das von mir persönlich erfährt. Ich bin absolut begeistert von dieser Mannschaft, was für eine Einstellung sie hat und es gibt auch einen Dank an den Verein, dass ich eine solche Mannschaft trainieren darf. Aber für mich habe ich die Entscheidung getroffen. Die Gründe habe ich intern mit den Verantwortlichen besprochen, diese Dinge bleiben jetzt aber auch intern“, so der Cheftrainer, der bisher sechs Titel mit dem Klub gewinnen konnte. 

Flick Bayern

Photo: Foto: EIBNER Sascha Walther/Imago

Mehrfach berichteten verschiedene Medien zuletzt von einem Zwist zwischen Flick und Sportvorstand Hasan Salihamidzic (44), der unter anderem mit der Kaderplanung zu tun hatte. Überdies lockt offenbar auch der DFB mit dem Job als Nationaltrainer, auch wenn Flick bestätigte, dass es noch keine Gespräche gab und noch nicht klar es, wie es für ihn im Sommer weitergeht. Aus gutem Grund, denn noch steht er nun einmal beim FC Bayern unter Vertrag. Auch wenn davon auszugehen ist, dass der Klub seinem Wunsch  nachkommt und ihn ziehen lässt. Flick, das bestätigten auch die Spieler, habe in der Zeit als Trainer des FC Bayern viel Energie gelassen. Der Job als Bundestrainer übt offenbar einen großen Reiz auf den 56-Jährigen aus und ist im Vergleich weniger stressig. Man steht nicht permanent im Dreitagesrhythmus unter Strom.

Flick vs. Salihamidzic: Eine Trennung schien unvermeidbar

Der Konflikt zwischen Trainer und Sportvorstand soll im Endeffekt ein Mitgrund für die Entscheidung Flicks gewesen sein. Reibungen und unterschiedliche Meinungen innerhalb eines Klubs sind nicht ungewöhnlich, doch die Berichte der letzten Wochen lassen nur den Eindruck zu, dass eine weitere Zusammenarbeit schon fast unmöglich war. Unabhängig davon, welche Details bei den Unstimmigkeiten hinsichtlich der Kaderplanung stimmen und welche nicht, die Differenzen waren zu groß.

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Einen Alleinschuldigen zu benennen ist allerdings deutlich zu einfach. Dass Flick gewisse Vorstellungen für den Kader hatte und enttäuscht war, dass diese nicht vollends umgesetzt wurden, ist nachvollziehbar. Allerdings sprach sich der Trainer unter anderem für Timo Werner (25) und Kai Havertz (21) aus, die in Zeiten der Coronapandemie nicht nur nahezu unmöglich zu finanzieren sind, sondern im Fall von Werner auch nicht zum Fußball des FC Bayern passen. Zudem konnte Salihamidzic nur das Geld ausgeben, das ihm zur Verfügung gestellt wurde. Zweifelsohne war die Rückholaktion von Douglas Costa (31) ein Schuss in den Ofen, auch Bouna Sarr (27) entspricht nicht den Ansprüchen des FC Bayern, aber es gibt nicht nur schwarz und weiß.

Trainersuche nach Flick: Der FC Bayern muss schnell handeln

Nun weiß der Klub, dass der Trainer seinen Vertrag nicht erfüllen möchte. Laut eigener Aussage teilte Flick dies bereits nach dem Spiel gegen PSG am Dienstag mit. Das heißt, dass die Verantwortlichen sich allerspätestens seit dem Dienstag damit beschäftigen müssen, einen neuen Trainer zu verpflichten. Und die Zeit ist knapp. Denn der neue Übungsleiter muss auch in die Planungen für die neue Saison eingebunden werden. Einen neuen Trainer verpflichtet man nicht über Nacht, gegebenenfalls sind längere Gespräche und Verhandlungen nötig. Immerhin weiß der Klub nun genau, woran er ist. Der Trainer will weg und hat das unmissverständlich geäußert. Ein Fall „Heynckes 2.0“, als wochenlang gehofft wurde, dass der Trainer umgestimmt werden kann und viel Zeit verstrich, sollte so vermieden werden.

Allerdings: Kandidaten, die zum FC Bayern passen, sind auch nicht wie Sand am Meer vorhanden. Die Verantwortlichen müssen sich schnell auf einen Kurs einigen und diesen dann auch konsequent und einheitlich verfolgen. Eine „Übergangslösung“, bis ein Wunschtrainer in einem oder zwei Jahren frei wird, kann für einen Klub dieser Größe keine Option sein. Intern sollen derzeit erste Gespräche stattfinden, wie mit der aktuellen Situation umgegangen wird. Alles deutet jedenfalls darauf hin, dass der Klub dem Wunsch des Trainers nachkommt.

FC Bayern auf Trainersuche: Das sind mögliche Kandidaten

Wie bereits angedeutet gibt es nicht viele Trainer, die für den Job beim FC Bayern in Frage kommen. Dass Jürgen Klopp (53) trotz einer nicht gerade überragenden Saison beim FC Liverpool frei wird, ist sehr unwahrscheinlich und zum jetzigen Zeitpunkt sowieso nicht absehbar. Die Gerüchte um Ex-Juventus-Trainer Massimiliano Allegri (53) stammen von eher weniger seriösen Quellen. Hinzu kommt, dass der Italiener die deutsche Sprache nicht beherrscht und überdies mehrfach davon sprach, dass ihn ein Job in der Premier League reizen würde.

Die Liste der vereinslosen Trainer gibt auch nicht viel her. Lucien Favre (63), Leonardo Jardim (46) und Andre Vollas-Boas (43) gehören hier zu den prominentesten Namen, sollten aber allesamt beim FC Bayern keine Rolle spielen. Übrig bleiben zwei Kandidaten: Julian Nagelsmann (33) und Erik ten Hag (51). Und genau hier wird es kompliziert. Zwar sprach Sky-Experte Lothar Matthäus bereits unter der Woche davon, dass der Rekordmeister Julian Nagelsmann von RB Leipzig auf der Liste hat, doch der 33-Jährige ist ohne Ausstiegsklausel bis 2023 an den Klub gebunden. Davon abgesehen, dass RB den Trainer nur ungern abgeben würde, wäre in jedem Fall eine hohe Ablösesumme nötig. 

Bayern sucht den Flick-Nachfolger: Einfach ist die Situation nicht

Nagelsmann bringt natürlich sehr viel mit, ist einer der besten jungen Trainer in Europa und sprach selbst vor Jahren schon davon, einmal den FC Bayern trainieren zu wollen. Doch im Trainergeschäft ist auf beiden Seiten vieles vom richtigen Timing hinsichtlich Bedarf und Verfügbarkeit abhängig. Und wenn RB Leipzig Nagelsmann nicht freigeben oder der Trainer gar seinen Vertrag erfüllen will, hilft auch der attraktivste Lockruf nicht  viel.

Nagelsmann Bayern Leipzig

Photo: Imago

Auch Erik ten Hag ist noch an Ajax Amsterdam gebunden. Sein Vertrag läuft bis 2022. Der Niederländer, der früher bereits für den Rekordmeister arbeitete, ist bei Ajax glücklich. Im Vergleich zu Nagelsmann dürfte ten Hag zwar günstiger sein, aber auch hier gibt es noch Unwägbarkeiten. Spielt er in den Planungen des Klubs eine Rolle? Gibt es überhaupt eine Chance, dass er Ajax verlässt?

Die Verantwortlichen des FC Bayern müssen wegweisende Entscheidungen treffen. Diese müssen gut überlegt sein, gleichzeitig ist schnelles Handeln gefordert. Denn je mehr Zeit verstreicht, desto unwahrscheinlicher, zumindest aber komplizierter ist es, den Wunschkandidaten verpflichten zu können. Noch mehr Unruhe, wochenlange Ungewissheit und möglicherweise eine 1C-Lösung kann sich der Klub jedenfalls nicht erlauben. Die Drähte müssen glühen – und zwar zeitnah.

Photo by Imago

Manuel Behlert 

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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