Topspieler in Arbeit | Espanyol-Verteidiger Mario Hermoso im Porträt

20. November 2018 | News | BY Manuel Behlert

Mario Hermoso gehört zu den aufstrebenden Innenverteidigern in La Liga, vielleicht sogar zu den spannendsten Spielern auf seiner Position im Weltfußball. Ausgebildet wurde der mittlerweile 23-jährige bei Real Madrid, wo er die Jugendteams durchlief, aber nicht in den Fokus des Profiteams geriet. Im Sommer 2017 sicherte sich RCD Espanyol die Dienste des jungen Verteidigers. Ein Rückschritt sollte das für ihn keinesfalls sein, eher eine Chance, um sich zu beweisen. 

 

Dass sich talentierte Fußballer in der aktuellen Zeit mit 17, 18 oder 19 Jahren schon einen Namen gemacht haben und von den absoluten Topklubs gejagt werden, ist keine Seltenheit. Aber auch nicht die Regel, oder eine Orientierung für junge Spieler. Jeder muss auf dem Weg zum Profi seinen eigenen Weg gehen. Und der Weg von Mario Hermoso musste mit der nötigen Geduld gegangen werden. Diese Geduld zahlt sich jetzt aus.

Rückschritt? Fortschritt!

Als sich RCD Espanyol aus Barcelona die Dienste des damals 22-jährigen Mario Hermoso aus der B-Mannschaft von Real Madrid sicherte – und das trotz bestehenden Vertrages auch noch ablösefrei – wurde dieser Wechsel kaum beachtet. Ein weiteres Talent, das zwar Fußball spielen kann, aber der Aufgabe Real Madrid nicht gewachsen ist, dachten viele. Trainer Quique Flores sah aber etwas in Hermoso. Er verhalf ihm am 3. Spieltag zu seinem Debüt für Espanyol – ausgerechnet im Derby gegen den FC Barcelona.

Und es kam, wie es kommen musste. Espanyol war chancenlos, verlor mit 0:5. Dieses Spiel hätte einen jungen Spieler, der zuvor auf diesem Niveau keine Spielpraxis erhielt, aus der Bahn werfen können. Nicht so Hermoso. Er wuchs an diesem Spiel, zog die Lehren daraus. Wie der Rest der Mannschaft. Die Folge: Von den kommenden 7 Ligaspielen verlor Espanyol nur ein einziges, kassierte insgesamt nur 5 Gegentore. Immer von der ersten bis zur letzten Minute auf dem Platz: Der junge Mario Hermoso. Er spielte, genoss das Vertrauen des Trainers und entwickelte sich. Persönlich, aber auch fußballerisch. Sein Selbstvertrauen wuchs, daran änderte auch die Gelb-Rote Karte gegen Alaves nichts.

 

In schwierigen Phasen gewachsen

In der Folge spielte Hermoso konstant auf einem guten Level, bis er, nach zwei Niederlagen in Folge, ausgerechnet vor dem Rückspiel gegen den FC Barcelona, nicht mehr in der Startelf zu finden war. Espanyol holte ein 1:1 – und Hermoso war erst einmal außen vor. Ab Anfang Februar absolvierte er nur noch vier Pflichtspiele, auch unter dem neuen Trainer Gallego war er nicht gesetzt. Auch mit einer solchen Phase musste sich der junge Verteidiger auseinandersetzen, darauf lernen und neu angreifen. Im Sommer verpflichtete Espanyol einen neuen Trainer, alle begannen von Null, die Vorbereitung sollte enorm wichtig werden.

Unter Joan Francesc Ferrer Sicilia, genannt „Rubi“, blühte Hermoso zu Beginn dieser Saison noch mehr auf. An ihm führt in der ersten Elf von Espanyol kein Weg mehr vorbei, er ist Stabilisator in der Defensive, sorgt aber auch für Ideen im Aufbau. Zudem ist er ein Dauerbrenner im Team von Rubi, verpasste in 12 Ligaspielen noch keine einzige Minute. Dass Espanyol mit starken 21 Punkten auf Platz 5 steht, ist kein Zufall. Auch nicht, dass Hermoso mit seinen Leistungen Begehrlichkeiten weckt, in – bisher mehr oder minder seriösen – Medienberichten schon mit Topklubs in Verbindung gebracht wird.

 

Ein Spieler im Reifeprozess

Trotz seiner guten Leistungen und seinem Stammplatz bei Espanyol gibt es noch viele Attribute, an denen Hermoso arbeiten muss. Er ist kopfballstark, physisch auf einem hohen Level und gewinnt viele Zweikämpfe, begeht notfalls auch ein Foul und sammelt die ein oder andere gelbe Karte. Aber: Viele Fouls sind taktischer Natur, grätschen vermeidet er in der Regel, während er versucht viele potenzielle Gefahrensituationen zu antizipieren. Er lernt während er Fußball spielt, wird stetig besser und versucht Fehler sukzessive abzustellen.

Auffällig ist, dass Hermoso nach seinen Balleroberungen versucht einen möglichst kreativen, öffnenden Pass zu spielen. Das gelingt nicht immer, aber er arbeitet an sich, durchläuft einen Prozess um noch besser zu werden. Er bringt dabei wichtige Qualitäten mit, ist zum Beispiel pressingresistent, lässt sich auch wenn er Bälle in Strafraumnähe abfängt nicht vom Druck der Gegenspieler irritieren, behält die Ruhe am Ball und auch die Übersicht. Ein junger Spieler, der selbst erkennt, dass er sein Spiel permanent weiterentwickeln muss und seit seinem Debüt in La Liga immer besser wird, könnte Gold wert sein – nicht nur für einen Klub wie Espanyol.

Hermoso ist also auf dem Weg ein kompletter Verteidiger zu werden. Er muss noch konsequenter werden, sowohl im Tackling als auch in der Entscheidungsfindung beim Passspiel. Auch in seinen Diagonalbällen kann man bereits gute Ansätze erkennen. Sie müssen zwar noch präziser gespielt werden, leiten aber schon jetzt einige gefährliche Angriffe ein. Seine Qualitäten sind also vielschichtig – und ein Wechsel zu einem größeren Klub ist alles, nur keine Utopie.

Vertrag bis 2020 – und Reals Idee

Dabei spielen verschiedene Gründe eine Rolle. Einerseits läuft der Vertrag von Marios Hermoso bei Espanyol Barcelona nur noch bis 2020 und ein Wechsel im Sommer 2019 könnte den Katalanen eine hohe Ablösesumme einbringen. Andererseits hat Real Madrid wieder einmal vorgesorgt. Für den Fall, dass ein Spieler, der zum Zeitpunkt des Abgangs keine Perspektive bei den „Königlichen“ hatte, eine solch positive Entwicklung nimmt, dass er doch wieder eine Rolle spielen könnte.

Hermoso konnte auch deswegen ablösefrei zu Espanyol wechseln, weil Real Madrid sich eine Option gesichert hat. Diese Option erlaubt es Real den Spieler im Winter 2019 für schlappe 7,5 Millionen Euro zu verpflichten. Nun gibt es einige Möglichkeiten, wie Real Madrid vorgehen kann. Hermoso davon zu überzeugen eine zweite Chance beim amtierenden Sieger der Champions League zu ergreifen, dürfte schwer werden. Ramos und Varane sind gesetzt, auch Nacho ist ein adäquater Ersatz. Eine große Perspektive hätte der 23-jährige also nicht. Es darf also angezweifelt werden, dass er eine Wechsel nach Madrid zustimmen würde. Es sei denn, Real Madrid unternimmt einen Versuch mit Hermoso Geld zu verdienen, ähnlich wie man es bei Omar Mascarell in diesem Sommer praktizierte.

Der Mittelfeldspieler wurde per Klausel aus Frankfurt zurückgeholt, aber schon vorher waren sich die Madrilenen mit Schalke 04 einig – über einen Verkauf zu einer größeren Summe. Und genau das könnte der Plan der „Königlichen“ sein.  Mario Hermoso selbst ist es indes zuzutrauen, dass er ebenfalls einen guten  Plan in der Hinterhand hat. Die Entscheidung den Schritt zu Espanyol zu gehen und seine Karriere dort auf den Weg zu bringen, war die richtige. Nun ist es erneut an der Zeit eine wegweisende Entscheidung zu treffen.

(Photo by Denis Doyle/Getty Images,)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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