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Gladbach | Die Gründe für die Krise und ihre Auswirkungen

2. April 2019 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Ende November 2018 verlängerte Dieter Hecking seinen im Sommer auslaufenden Vertrag bei Borussia Mönchengladbach, nachdem die „Fohlen“ überragend in die Saison gestartet waren. Zum Zeitpunkt der Verlängerung stand die Borussia mit 23 Punkten auf Platz 2, hielt ihre Form bis zur Winterpause. Doch in der Rückrunde funktionierte plötzlich deutlich weniger, in den letzten Wochen ist ein klarer Negativtrend zu beobachten.

Gladbach will „alles auf den Kopf stellen“

Lange galt die Qualifikation für die Champions League als realistisches Ziel, nach nur 5 Punkten aus den letzten 7 Spielen muss man sich aber eher damit beschäftigen die Europa League abzusichern und wieder in die Spur zu finden. Vor allem die hohen Heimniederlagen gegen Hertha, Wolfsburg und den FC Bayern hinterließen Spuren, denn zuvor gewann die Borussia alle Spiele vor heimischer Kulisse. Zuletzt spielte man vor der Länderspielpause 1:1 gegen den SC Freiburg, in Düsseldorf verlor man am Wochenende mit 1:3, lag nach gut 15 Minuten schon mit 0:3 zurück.

Max Eberl war nach dem Spiel sichtlich angefressen und teilte mit, dass eine solche Leistung inakzeptabel sei.  „So möchten wir nicht Fußballspielen, das ist nicht Borussia Mönchengladbach“, polterte Eberl nach dem Spiel. Auch Dieter Hecking war sauer: „Nach so einem Spiel gilt es, alles umzudrehen. Wir müssen die Fehler besprechen, um einen Ansatz zu finden, wie das, was passiert ist, passieren konnte“, so der Trainer. In den kommenden Wochen muss die Borussia Lösungen finden, denn der Vorsprung auf den Verfolger Werder Bremen – und auch auf Leverkusen und Wolfsburg – beträgt nur 5 Punkte, auf die TSG Hoffenheim hat man 6 Zähler Vorsprung. Die kommenden Gegner der Borussia heißen Bremen, das man im direkten Duell empfängt, Hannover und Leipzig. Ein leichtes Programm ist das nicht.

Solide Transfers, aber…

Nachdem die letzte Saison für alle enttäuschend verlief wollte die Borussia im Sommer kluge Investitionen tätigen. Das Transferfenster war auch keinesfalls schlecht, alle Probleme konnten aber nicht behoben werden. Etwas über 30 Millionen Euro haben die Gladbacher ausgegeben. Keanan Bennetts der aus der Reservemannschaft der Tottenham Hotspurs kam, spielt ebenso keine Rolle wie der junge Poulsen, der als Nachfolger von Wendt aufgebaut werden sollte, aber noch einige Anpassungsprobleme hat. Ein voller Erfolg war der Transfer von Michael Lang, der auf der rechten Defensivseite konstant ein ordentliches Pensum abspult. Der Schweizer, der mit knapp 3 Millionen Euro Ablöse sehr günstig war, ist ein fester Bestandteil der Mannschaft, ebenso wie der neue Rekordtransfer Alassane Plea, der bereits an 17 Treffern beteiligt war. Auch Rückkehrer Neuhaus ist ein Gewinn für den Kader der „Fohlen“.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty Images)

Doch die Transferbilanz, die sich bei Zu- und Abgängen die Waage hält, verrät, dass möglicherweise noch etwas Spielraum gewesen wäre. Betrachtet man den Kader der Borussia im Detail, dann fällt auf, dass auf mehreren Positionen ordentliche, aber nicht überragende Spieler im Aufgebot stehen. Natürlich kann die Borussia keine Megatransfers tätigen, aber das Gefühl, dass man lange an Spielern festhält, die häufig ausfallen oder nur selten sehr gute Leistungen zeigen, bleibt bestehen. Zum Beispiel im Offensivbereich, wo auf der Außenbahn mit Herrmann, Traore und Johnson zwar viele Alternativen zur Verfügung stehen, aber keine die Qualität eines Thorgan Hazard auf den Platz bringen kann. Bezeichnend: Alassane Plea spielt auf dem Flügel, einerseits weil Lars Stindl als wichtiger Spieler in das 4-3-3 von Dieter Hecking integriert werden muss, andererseits aber auch, weil eben kein weiterer, starker Flügelspieler, der kontinuierlich Leistungen auf hohem Niveau zeigt, zur Verfügung steht.

Und genau hier entsteht ein Problem. Thorgan Hazard ist der wohl wichtigste Offensivspieler der Borussia, muss aber auch entsprechend entlastet werden. Nun spielt die Borussia seit geraumer Zeit nur in der Bundesliga und kann es sich erlauben auf die große Rotation zu verzichten, aber Hazard, der in der laufenden Saison an 23 Treffern direkt beteiligt war, steckt in einer Formkrise, traf seit Ende Dezember nicht mehr. Ihn auf die Bank setzen kann sich Dieter Hecking trotzdem kaum erlauben, ein Verkauf im Sommer ist weiter eine Option, da der Vertrag des Belgiers nur noch bis 2020 läuft.

Probleme nicht nur in der Offensive

Auch in der Defensive und im Mittelfeldzentrum herrscht Optimierungsbedarf. Die Maßnahme Jonas Hofmann auf die „8er“-Position zu stellen war eine sehr kluge von Dieter Hecking. Gerade mit dem in der Hinrunde sehr guten Neuhaus bildete Hofmann ein starkes Duo, Zakaria, Kramer oder aber Strobl, der auch wieder aufsteigende Tendenzen zeigte, komplettierte das Mittelfeld. In der Hochphase der Gladbacher funktionierte alles sehr gut, mittlerweile herrschen auch hier Formschwankungen. Hofmann ist nicht mehr so dominant wie in der Hinrunde, Neuhaus nicht mehr die Unterstützung und ein Cuisance, der zweifelsohne ein großes Talent ist, hat in dieser Saison auch mehr mit sich selbst zu kämpfen. Ein dominanter, nicht für Leistungsschwankungen dieser Art anfälliger Führungsspieler im Mittelfeld würde der Borussia gut tun, könnte die Mannschaft in schwachen Momenten beleben und hochziehen.

(Photo by Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Auch in der Defensive fehlt es an der Breite. Oscar Wendt wird nicht jünger, Poulsen ist noch keine Alternative, auf der rechten Seite steht für Lang kein Spezialist als Ersatz zur Verfügung, einen hochkarätigen Innenverteidigerbackup für Elvedi/Ginter besitzt man auch nicht. Die Folge ist, dass entweder ein Youngster wie Beyer auflaufen muss oder Jantschke (IV, AV) oder Johnson (offensiver und defensiver Flügel) hin- und hergeschoben wird. Alle Probleme hätten im vergangenen Sommer nicht behoben werden können, die Vielzahl der Fragezeichen im Kader und vor allem der Einbruch in der Rückrunde, die fehlende Konstanz in den Leistungen einiger Einzelspieler, sollte die Verantwortlichen der Borussia zum Nachdenken bringen. Spieler nur aufgrund ihres Potenzials oder ihrer Leistungen in der Vergangenheit zu halten kann auf Dauer ein fataler Fehler sein, die „Fohlen“ wären nicht das erste Team, das dies feststellt. Max Eberl ist im Sommer also gefordert und muss den Kader, der zur laufenden Saison bereits etwas verbessert wurde, weiter auf Vordermann bringen.

Die Qualitätsfrage – auch an der Seitenlinie

Doch nicht nur beim Blick auf den Kader muss man die Qualitätsfrage stellen, sondern auch beim Blick auf die Trainerbank. Dieter Hecking ist sicher kein schlechter Trainer, aber er scheint niemand zu sein der eine Mannschaft langfristig positiv beeinflussen und an den letzten, entscheidenden Details arbeiten kann. Hecking ist ein solider Trainer, aber reicht das langfristig für die Ansprüche der Borussia? Max Eberl will im Idealfall in jeder Saison um Europa mitspielen und nachdem man dieses Ziel in der vergangenen Saison verpasste und in dieser Saison noch verspielen kann, könnten im Klub die Zweifel wachsen. Zum jetzigen Zeitpunkt wird man noch nicht über eine frühzeitige Trennung, beispielsweise in der Sommerpause, nachdenken, gerade weil Hecking noch Zeit hat, die Trendwende einzuleiten. Aber er muss jetzt zeigen, dass er in der Lage ist an den nötigen Stellschrauben zu drehen.

(Photo by Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Wie bereits erwähnt wollen Dieter Hecking und Max Eberl jeden Stein umdrehen um einen Schlüssel für die Trendwende zu finden. Dieter Hecking wird sich möglicherweise auch selbst hinterfragen und sich Gedanken darüber machen, warum die Konstanz in der vergangenen Saison komplett fehlte und nun die Rückrunde einen ähnlichen Verlauf nimmt. Gerade das sture Festhalten am 4-3-3-System in den vergangenen Wochen kann man Hecking ankreiden. Man merkt, dass sich Alassane Plea, der zwar kein Problem mit dem Spiel auf dem Flügel hat, derzeit nicht 100 % wohlfühlt und nicht perfekt ins Spiel eingebunden ist. Die fehlende Kaderbreite ist zwar ein Thema, dennoch kann man in einer Schwächephase frische Impulse setzen, etwas neues ausprobieren und somit vor allem den Gegner überraschen. Dieter Hecking hat noch 7 Spiele Zeit um eine Lösung zu finden. Mit Bremen, Leipzig und Hoffenheim trifft man noch auf drei direkte Konkurrenten. Man hat es also in der eigenen Hand.

Mögliche Auswirkungen der Negativspirale

Nach den 7 verbleibenden Spielen muss die Saison knallhart analysiert werden. Kompromisse dürfen im Kader nicht eingegangen werden, die Borussia muss im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten einen weiteren Umbau vornehmen. Klar ist: Verpasst man die Champions League oder gar den Europapokal insgesamt, dann wird es schwer bis unmöglich Thorgan Hazard zu halten. Ein Verkauf würde zwar tendenziell viel Geld, bis zu 40 Millionen Euro, in die Kassen spülen aber ohne das internationale Geschäft ist man in Mönchengladbach nur bedingt attraktiv für Topspieler, muss wieder im Talenteregal scouten und ist folglich abhängig von der Entwicklung dieser Spieler. Bei einem solchen, am Ende negativen Saisonausgang würde auch Dieter Hecking deutlicher in das Zentrum der Kritik geraten. Es geht also sowohl für den Trainer als auch für einen Teil der Spieler um die Zukunft in diesem Klub.

 (Photo by Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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